Meinung: Warum ich die #FreeAmthor Kampagne erbärmlich finde

Philipp Amthor wurde 1992 geboren, ist seit 2008 Mitglied der CDU und sitzt für diese seit 2017 im Deutschen Bundestag.

Er wirkt – besonders vom Auftreten her – älter als er ist, vertritt teilweise sehr konservative Positionen, scheint manchmal etwas aus der Zeit gefallen. Dabei ist er ein schlagfertiger Redner, meinungsstark, intelligent. Irgendwie ist er damit ein Gegenentwurf zur nur wenig jüngeren Luisa Neubauer.

Das Browser Ballett hat nun eine Aktion FREE AMTHOR in die Welt gesetzt, zu der u.a. eine Petition auf change.org gehört:

Er ist erst 26!

Der Abgeordnete Philipp Amthor wird mutmaßlich gegen seinen Willen von der CDU festgehalten. Die Beweislage ist erdrückend, doch der Rechtsstaat schweigt. Den Wählern wird das abenteuerliche Märchen verkauft, ein junger Mann unter 30 vertrete Positionen einer Partei, die konsequent Politik gegen die Interessen von jungen Menschen unter 30 Macht. Das ist absurd.

§ 234 StGB
„Wer sich einer anderen Person mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List bemächtigt, um sie in hilfloser Lage auszusetzen, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.“

Wir fordern von der CDU eine Stellungnahme zu den Vorwürfen. Bislang schweigt die Partei und mit jedem Tag wird das Schweigen lauter. Diese Partei schreibt sich Freiheit auf die Fahnen. Freiheit, die für Philipp Amthor nicht gilt.

Helfen Sie uns.

Dazu gibt es dann auch noch ein auch über extra3 verbreitetes Video und viele tweets. Ob man all dies nun lustig finden soll oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen.

Ich finde diese Aktion jedenfalls erbärmlich.

Zuvorderst aufgrund des Spruchs „Gefangener der CDU seit 2008“. Bei mir hat dies gleich Assoziationen an das Foto des entführten Schleyer mit dem Schild „Seit 31 Tagen Gefangener der RAF“ geweckt. Vielleicht bin ich hier etwas übersensibel – viele auf twitter hatten keinen Verständnis für meine Empörung – doch verbinde ich mit Schleyer und gerade seiner Entführung einige Erinnerungen. Jüngere mögen diese Parallele vielleicht so nicht erkennen – ausweislich einer von mir initiierten Umfrage wird dies auch kontrovers beurteilt. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass das Browser Ballett genau wusste was es da tat und finde es eben geschmacklos.

Auch finde ich es grundsätzlich erbärmlich, sich über Amthor in dieser Form lustig zu machen. Unbestritten bietet er Angriffsflächen. Und auch ich bin mit vielen seiner Positionen nicht einverstanden. Aber wenn es einer aus nicht ganz einfachen Familienverhältnissen mit noch nicht ganz 25 in den Bundestag schafft, spricht das für ihn. Und wer ihm vorwirft, nichts für die junge Generation zu tun, sollte sich mal näher mit seine politischen Positionen auseinandersetzen. Unvergessen allein schon seine AfD-Gegenrede im Bundestag.

Um es zusammenzufassen: Ich finde diese Aktion aus einigen Gründen platt, erbärmlich, nicht lustig, geschmacklos, inhaltsleer und auch nicht zielführend.

Dennoch: #FreeAmthor ist Satire. Satire darf letztlich alles. Sie sollte mE sogar mehr dürfen, als unsere Gesetze und Rechtsprechung in einigen Fällen erlauben. Und so bin ich der letzte, der hier nach dem Zensor schreit.

Aber erbärmlich finden darf ich #FreeAmthor auch. Das ist meine Meinungsfreiheit.

10 Fakten zu Artikel 27 Grundgesetz – Handelsflotte

  1. Artikel 27 des Grundgesetz lautet:
    Alle deutschen Kauffahrteischiffe bilden eine einheitliche Handelsflotte.
  2. Artikel 81 der Weimarer Reichsverfassung lautete identisch.
  3. Die Bildung der Handelsflotte ist eine Aufgabe des Bundes, die Länder können daneben keine Handelsflotte bilden.
  4. Rechtsgeschichtlich interessant ist in diesem Zusammenhang Artikel 54 der Reichsverfassung von 1871, der lautete „Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine.“, der wiederum auf Art. 54 der Verfassung des Norddeutschen Bundes zurückgeht.
  5. Zunächst war die Vorschrift im Grundgesetz gar nicht vorgesehen und fand erst spät Eingang. Sie sollte „den deutschen Kauffahrteischiffen die Rechte sichern, die nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts und nach bestehenden Völkerrechtsverträgen eine nationale Handelsflotte besitzt“ – notwendig ist sie eigentlich nicht.
  6. Gemäß dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), das geltendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert, besitzt ein Schiff die Staatszugehörigkeit des Staates, dessen Flagge es zu führen berechtigt ist. Schiff kann nur eine Staatszugehörigkeit besitzen.
  7. Art. 27 GG bezieht sich nur auf maritime Handels- und Passagierschiffe. Kriegsschiffe, andere staatliche Schiffe mit hoheitlichen Funktionen, Forschungsschiffe, private Yachten etc. sowie alle Binnenschiffe fallen nicht unter die Norm.
  8. Subjektive Rechte oder eine allgemeine Garantie ergeben sich aus Artikel 27 nicht.
  9. Die Bedeutung von Artikel 27 ist gerade auch in Hinblick auf die Handels- und Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU überholt.
  10. Artikel 27 ist inzwischen entbehrlich und könnte bei einer nächsten Verfassungsreform gestrichen werden.

10 Fakten zu Artikel 22 Grundgesetz – Hauptstadt und Bundesflagge

  1. Artikel 22 Grundgesetz lautet:
    (1) Die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes. Das Nähere wird durch Bundesgesetz geregelt.
    (2) Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.
  2. Den Artikel gibt es von Anfang an im Grundgesetz. Allerdings lautete er ursprünglich nur: „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.
  3. Absatz 1 wurde zum 1. September 2006 in das Grundgesetz eingefügt.
  4. Die Regelung des Absatz 1 legt Berlin als Hauptstadt Deutschlands nunmehr endgültig fest.
  5. Aufgrund der vorigen Trennung von Hauptstadt und Regierungssitz ist der Hauptstadtbegriff in Deutschland nicht ganz eindeutig. Diskutiert werden muss z.B., ob die Hauptstadtfunktion auch einschließt, dass alle Verfassungsorgane ihren Sitz in Berlin haben müssen, was allein schon in Hinblick auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abzulehnen ist. Weiter ist fraglich, ob die Regelung des Bonn-Berlin Gesetzes, dass die Mehrzahl der Arbeitsplätze der Ministerien in Bonn verbleiben soll, dauerhaft mit Art. 22 GG vereinbar ist.
  6. Die Aussage, dass die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt Aufgabe des Bundes ist, ist an sich eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit. Sichergestellt werden sollte damit wohl, dass die Kosten der Repräsentationsfunktionen Berlin finanziell nicht belasten.
  7. Die Farben der Bundesflagge gehen auf die unter dem Eindruck der Freiheitskriege gegründeten liberal/progressiven Burschenschaften zurück, wo sie z.B. auf dem Hambacher Fest im Jahre 1832 als Symbol der nationalen Einheit und der liberalen Bewegung verwendet wurden. Auch schon Artikel 3 der Weimarer Verfassung legte diese Farben als Reichsfarben fest.
  8. Sowohl in Hinblick auf die Hauptstadtfunktion als auch in Hinblick auf die Flagge gibt es zahlreiche Regelungen in Bundesgesetzen.
  9. Es wird immer wieder diskutiert, ob Artikel 22 um andere Staatssymbole, z.B. den Bundesadler, oder auch um die Festlegung der Staatssprache und ggf. auch des Schutzes von Minderheitensprachen (Sorbisch), ergänzt werden soll.
  10. Die gesamte verfassungsrechtliche Bedeutung des Artikel 22 ist naheliegenderweise eher gering. Nach hier vertretener Ansicht ist es fraglich, ob eine klassische Bundeshauptstadt, insbesondere Berlin, noch zeitgemäß ist oder ob dieser nicht besser zur Stärkung der föderalen Strukturen abgeschafft werden sollte. Eine Erweiterung des Artikel 23 um die Sprachen im Bund und die Staatssymbole würde von hiesiger Seite begrüßt, besonders auch, da damit z.B. Verschwörungstheorien rund um den Bundesadler ausgeräumt werden könnten.

Meinung: Die Abhängigkeit von Plattformen – besser selber machen

Auf twitter ist die Aufregung aktuell groß: Der Kanal von Nuoviso mit immerhin rund 170.000 Abonennten wurde wohl gelöscht. Ich muss gestehen, dass ich diesen nicht kenne. Er scheint in irgendeiner Form regierungskritisch, möglicherweise auch verschwörungstheoretisch angehaucht zu sein, jedenfalls eine etwas undurchsichtige Mischung.

Um die Inhalte oder eine Wertung derselben soll es hier nicht gehen. Ich will dies nur nochmals zum Anlass nehmen, darauf hinzuweisen, dass es immer ein Risiko ist, seine Inhalte auf großen Plattformen zu veröffentlichen. Egal ob es sich um Videos, Podcasts, Bilder, Texte oder was auch immer geht.

Nicht nur, dass das Risiko da ist, dass man plötzlich gesperrt wird, da man gegen auf einmal gegen geänderte AGB verstößt. Eine Plattform kann plötzlich ganz verschwinden (google plus), irrelevant werden (tumblr, myspace), einen unsichtbar machen (Shadowbann bei twitter), willkürliche und zufällig anmutende Sperrentscheidungen treffen (facebook), uncool werden (auch facebook) in der Bedeutungslosigkeit bleiben (ello) und und und.

Wie schon vor drei Jahren aus einem anderen Anlass geschrieben, rate ich dazu alle Inhalte selbst zu hosten, auch wenn dies etwas aufwendiger ist. Und auch das regelmäßige Sichern der Inhalte sollte man nie vergessen.

Die sozialen Netze kann man dann immer noch nutzen, um seine eigene Plattform zu promoten.

Dokumentiert: Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel bei der Festveranstaltung zum 50. Jubiläum des Entwicklungshelfer-Gesetzes am 12. Juli 2019 in Berlin

Sehr geehrte Frau Dr. Füllkrug-Weitzel,
sehr geehrte Frau Ohene,
Herr Prälat Dr. Dutzmann,
Herr Prälat Dr. Jüsten,
liebe Entwicklungshelferinnen und -helfer,
Zurückgekehrte,
meine Damen und Herren,

vielen Dank für die Einladung und ein noch größeres Dankeschön an alle Fachkräfte für ihren Einsatz. Ein herzliches Willkommen zurück zu Hause in Deutschland. Sie haben in Afrika, Asien, Lateinamerika und im Nahen Osten gearbeitet. Sie haben sich für Frieden, für Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung stark gemacht. Und Sie haben vielen, vielen Menschen Hoffnung gebracht. Daher freue ich mich sehr, dass ich heute mit Ihnen gemeinsam auch daran denken darf, dass vor 50 Jahren das Entwicklungshelfer-Gesetz in Kraft getreten ist – ein wirklich wegweisendes rechtliches Instrument.

Entwicklungs- und Friedensfachkräfte im Einsatz müssen sich in anderen Kulturen, in anderen klimatischen Umgebungen, anderen Lebensbedingungen zurechtfinden. Sie übernehmen Aufgaben, die sich nicht einfach auf die Schnelle erledigen lassen, sondern Zeit brauchen – Aufgaben, auf die sie gut vorbereitet sein müssen, auch um unvermeidliche Rückschläge verkraften zu können.

Ihre Arbeit in aller Welt ist ein Aushängeschild für unser Land, für Deutschland. Diese Arbeit macht Sie zu Botschafterinnen und Botschaftern unseres Landes. In mehr als hundert Staaten helfen Sie, das Leben von Menschen vor Ort zu verbessern. Sie zeigen mit Ihrer Arbeit zudem, wofür Deutschland steht: für grundlegende Werte, allen voran für die Achtung der Menschenwürde, für einen respektvollen und partnerschaftlichen Umgang und auch für Verlässlichkeit. Im Gegenzug erhalten Sie oft einen tiefen Einblick in die Lebenssituation vor Ort. Das ist ja auch ein Zeichen des Vertrauens, das die Partner in Sie setzen. Ich möchte deshalb sehr gern diese Gelegenheit nutzen und Ihnen von Herzen dafür danken, dass Sie dieses Wagnis eingegangen sind, dass Sie losgezogen sind, dass Sie sich auf Unbekanntes eingelassen haben und sicherlich dabei auch viel, viel Spannendes erlebt haben, aber eben auch viel Schweres. Danke schön von ganzem Herzen dafür.

Auch auf meinen Reisen mache ich mir ja immer wieder ein Bild von praktischer deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Oft kommt Tanja Gönner als Chefin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit mit. Aber meine Besuche sind natürlich immer nur Momentaufnahmen. Ich kann manchmal nur erahnen, dass hinter dem, was mir da gezeigt wird, oft jahrelange Arbeit steckt.

Es ist beeindruckend, wie vielfältig die Aufgaben sind, die sich Ihnen während Ihres Aufenthaltes oder Einsatzes gestellt haben – ob es die Ernährungssicherheit ist, ob es Kinder sind, die unterrichtet werden, ob es Aufklärung im Gesundheitsbereich ist, ob es Arbeiten im Zusammenhang mit Umwelt- und Klimaschutz und mit Landwirtschaft sind oder Projekte, in denen es um Frieden und Versöhnung geht. Und jeder von Ihnen hat unter schwierigen Bedingungen gearbeitet – viele auch in Regionen mit besonders hohen Risiken, und zwar nicht nur für den Erfolg des Projekts, sondern auch für die eigene Sicherheit, wenn ich nur an Länder wie den Südsudan, den Irak oder Afghanistan denke. Da sind oft Flexibilität und zugleich nachhaltiges Handeln gefordert. Da braucht man Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, die Erwartungen, die man selber hat und die andere haben, mit dem tatsächlich Machbaren zusammenzubringen.

Jede Mitgliedsorganisation der Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste hat natürlich ihre eigene Handschrift, ihre eigene Herangehensweise. Aber der zentrale Leitgedanke deutscher Entwicklungszusammenarbeit ist und bleibt, dass wir einen Beitrag zu wirtschaftlichem, sozialem und politischem Fortschritt in Entwicklungs- und Schwellenländern leisten wollen. Das ist in einer eng vernetzten Welt immer auch in unserem eigenen Interesse. Hilfe für andere ist in unserem eigenen Interesse, da partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit allen dient. Sie dient einem globalen Gemeinwohl und damit einem guten Leben und Zusammenleben auch hier bei uns.

Dieser Gedanke ist nicht neu. An ihm hat sich in den 50 Jahren Entwicklungshelfer-Gesetz im Grunde nichts geändert, wenngleich er vielleicht nicht allen immer hinreichend klar ist. Dieser Gedanke des Zusammenlebens auf der Welt muss ja gerade auch in diesen Jahren immer wieder betont und vertreten werden. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie nach Ihrem Einsatz Ihre vielen neuen Erfahrungen mit uns teilen. Berichten Sie davon – Ihren Familien, Ihren Freunden, in der Arbeit, an Universitäten, in den Vereinen, in den verschiedensten Veranstaltungen. Schreiben Sie Blogs, lassen Sie andere an Ihren Erfahrungen teilhaben. Das ist wichtig. Damit vertiefen Sie bei uns das Verständnis für Entwicklungszusammenarbeit, und zwar nicht nur allgemein für Entwicklungszusammenarbeit, sondern konkret, indem Sie am eigenen Beispiel zeigen, wie ein gutes Zusammenleben in der Welt gestaltet werden kann und dass jeder und jede – unabhängig davon, ob man selbst im Ausland und im Einsatz ist oder eben nicht – auch ein Stück weit dazu beitragen kann.

Ursachen, die eine gute Entwicklung behindern oder gar rückgängig machen, sind ja leider vielfältig: Klimawandel, Wirtschaftskrisen, militärische Konflikte, Terrorismus, Flucht und Migration – diese und viele andere große Herausforderungen betreffen ja unser aller Wohlergehen auf der Welt. Nun können wir darauf auf zweierlei Weise reagieren: Entweder tun wir so, als ginge uns das alles nichts an – wir ziehen uns auf uns selbst und unser Land zurück, schotten uns ab und begnügen uns damit, vermeintlich einfache Antworten auf das zu finden, was so kompliziert erscheint –, oder aber wir verstehen, dass wir die großen Herausforderungen unserer Zeit nur bewältigen können, wenn wir multilateral statt unilateral, weltoffen statt isolationistisch, global statt national, gemeinsam statt allein denken und handeln. Entwicklungen an einem Ende der Welt können sich auch immer auf das Leben der Menschen am anderen Ende der Welt auswirken. Wir tragen also gemeinsam Verantwortung für diese Welt. Und deshalb ist auch Ihr Motto so schön: „Die Welt im Gepäck.“

Das ist ja genau das Bewusstsein, das uns geleitet hat, als die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen vor vier Jahren verabschiedet wurde. Im September dieses Jahres werden die Staats- und Regierungschefs zu einem UN-Nachhaltigkeitsgipfel zusammenkommen, um dann Bilanz zu ziehen und hoffentlich auch ein deutliches Signal zu setzen, dass die Agenda 2030 auch wirklich umgesetzt werden muss. Wir kommen zwar voran, aber deutlich zu langsam. Es gibt bei einigen Nachhaltigkeitszielen sogar Rückschritte. So ist zum Beispiel die Zahl der Menschen, die Hunger leiden, wieder angewachsen. Und wir müssten doppelt so schnell wie bisher vorankommen, um allen Menschen bis 2030 den Zugang zu sanitärer Grundversorgung zu sichern. Auch die CO2-Emissionen sind ebenso wie der Rohstoffverbrauch weiter angestiegen. In einem Wort: Wir müssen unsere Bemühungen verstärken, um die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen. „Wir“ – das sind wir alle; natürlich auch die Regierungen, natürlich auch die Wirtschaft, die Wissenschaft und jeder und jede Einzelne. Und Sie können in besonderer Weise dazu beitragen, den Gedanken der Nachhaltigkeit im täglichen Leben und Arbeiten stärker ins Bewusstsein zu rücken, wenn Sie über Ihre Erfahrungen sprechen.

Jahr für Jahr wächst die Gesamtzahl derjenigen, die ihr Wissen und Können in den Dienst der Entwicklungszusammenarbeit gestellt haben. Rund 30.000 sind es bereits seit Inkrafttreten des Entwicklungshelfer-Gesetzes vor 50 Jahren, darunter auch viele Entwicklungshelferinnen. Das Verhältnis von weiblichen zu männlichen Fachkräften war Ende 2018 mit 48 zu 52 Prozent fast ausgeglichen – Glückwunsch dazu. Das Gesetz sorgt für eine rechtliche und soziale Absicherung der Arbeit im Ausland. Angesichts der oft schwierigen und teilweise auch gefährlichen Arbeitsbedingungen ist das auch absolut notwendig.

Vieles hat sich seit 1969 verändert. Die Weltbevölkerung hat sich seitdem verdoppelt. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist weiter gestiegen. Der Kalte Krieg und die Blockkonfrontation gehören der Vergangenheit an. Und die Globalisierung mit all ihren Facetten ist rasant vorangekommen. Die damit verbundenen Chancen konnten auch frühere Schwellenländer für sich nutzen – allen voran China, heute eine der größten Handels-, Technologie- und Wirtschaftsnationen der Welt. Indien, Brasilien oder Mexiko sind weitere Beispiele und wichtige Akteure der Weltpolitik geworden. Wenn man sich überlegt, dass ein Land wie China es geschafft hat, in wenigen Jahrzehnten die allermeisten Bewohner aus absoluter Armut zu befreien, und dass das wahrscheinlich bis Ende 2020 auch bei den übrigen rund 80 Millionen Menschen gelingen wird – so viele, wie wir hierzulande sind, dann sieht man auch, dass das eine unglaubliche Leistung ist.

Die aufsteigenden Wirtschaftsnationen verändern natürlich die gesamten Strukturen der Weltwirtschaft. Sie sind heute starke Partner, sie sind Wettbewerber und sie sind auch Antreiber der Globalisierung und spielen heute zum Beispiel in der Gruppe der G20-Länder eine wichtige Rolle. Sie werden selbst immer mehr zu Anbietern entwicklungspolitischer Zusammenarbeit. Oft diskutieren wir darüber, welche Rahmenbedingungen da gesetzt werden. Ich glaube, wir können ihnen einiges von unseren Ansätzen vermitteln. Aber was zum Beispiel die Geschwindigkeit mancher Projekte anbelangt, können wir auch von anderen etwas lernen, wie ich sagen muss.

Zugleich prägen immer noch große soziale Unterschiede und Armut das Leben in diesen Ländern. Deshalb brauchen wir für die Zusammenarbeit mit diesen Ländern innovative Ansätze. Auf der einen Seite haben wir dort eben teils sehr schwierige soziale Bedingungen, wenn ich zum Beispiel an Brasilien, an Indien denke, und auf der anderen Seite aber auch Hightech-Angebote, wobei wir zum Teil gar nicht mithalten können. Das Erfordernis innovativer Ansätze wird uns auch in den nächsten Jahren wirklich fordern.

Angesichts der Veränderungen in den letzten Jahrzehnten und der unterschiedlichen Problemlagen weltweit ist klar, dass sich Entwicklungspolitik nicht auf Entwicklungshilfe reduzieren lässt. Natürlich ist und bleibt die humanitäre Hilfe immer wichtig, um Menschen in Not zu unterstützen. Leider ist sie in den letzten Jahren wieder noch wichtiger geworden angesichts der vielen Flüchtlinge und Migranten auf der Welt. Und sie ist ja auch eine ethische Verpflichtung. Doch was die Zusammenarbeit insgesamt anbelangt, so ist an die Stelle des Geben-Nehmen-Prinzips doch sehr viel stärker eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe getreten. Aus der Arbeit für Menschen wurde mehr und mehr eine Arbeit mit den Menschen in unseren Partnerländern.

Wir wissen oder haben inzwischen verstanden, dass sich Entwicklung nicht von außen verordnen lässt, sondern sie muss aus dem Inneren heraus getragen werden. Man nennt das heute so schön Ownership. Entwicklung muss eben auch von innen kommen. Und ich glaube, wir müssen manchmal auch noch geduldiger sein – ich sage das jetzt mal für die Politik; Sie sind es wahrscheinlich –, um die Ansätze herauszufinden, von denen die Partnerländer glauben, damit ihre Entwicklung am besten gestalten zu können. Ähnlich wie bei der Kindererziehung muss man manchmal auch kleine Erfahrungen zulassen und nicht immer sagen „Ich weiß schon, wie es ausgeht“ und „Da macht ihr diesen Fehler“ und „Das haben wir auch alles so gemacht“, sondern einfach noch mal neu herangehen und sagen „Wir gucken mal, wie es geht; und vielleicht haben ja auch nur wir die Fehler gemacht auf dem Entwicklungsweg; andere haben vielleicht ganz andere Ideen“.

Gute Entwicklung lässt sich also nicht verordnen. Maßnahmen und Projekte müssen angenommen werden. Das gilt für jede Form von Entwicklung. Aber wir haben oft noch ein sehr kompliziertes Verhältnis von Regierungen und Zivilgesellschaft. Wir haben Länder, die Fortschritte und Reformen abblocken; und wir haben – auch weil Sie in wundersamer Weise eingebunden sind; zumeist auf der Seite der Zivilgesellschaft – solche Länder, die aufgeschlossen sind. Ich denke, unsere Entwicklungspolitik sollte auch deutlich machen, dass die, die aufgeschlossen sind, die reformbereit sind, auch spüren, dass das dann auch Erfolge und weitere Partnerschaften mit sich bringen kann.

Entwicklungszusammenarbeit muss mit anderen Politikbereichen kompatibel sein, da Erfolge in der Außen-, Sicherheits-, Klimaschutz- und Wirtschaftspolitik und Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit einander bedingen. Ich glaube, hierbei hat sich in den letzten Jahren viel getan. Als ich Bundeskanzlerin wurde, war es manchmal noch sehr schwierig, dass sich da, wo ein deutscher Soldat war, überhaupt jemand aus dem Entwicklungsbereich zeigen wollte. Das wird heute immer noch, glaube ich, diskutiert, aber man kommt sich näher, würde ich mal sagen. Und daran zeigt sich, dass wir auch wissen: Ohne Sicherheit keine Entwicklung, ohne Entwicklung keine Sicherheit. Das hängt ja aufs Engste zusammen.

In den letzten Jahren ist der Fokus wieder sehr stark auf Afrika gelenkt worden. Ich freue mich sehr, dass die Afrikanische Union die Afrikanische Agenda 2063 entwickelt hat, um auch selbst zu sagen, welche Richtung die Entwicklung auf ihrem Kontinent nehmen sollte. Wir haben während der deutschen G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 einen sogenannten Compact with Africa ins Leben gerufen. Die Kernidee ist, den betreffenden afrikanischen Partnerländern, die selber die Voraussetzungen für private Investitionen, Handel und Beschäftigung verbessern, bessere Konditionen einzuräumen und ihnen zu sagen: Wir helfen euch besser bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Das schlägt sich zum Beispiel in Kreditbedingungen nieder. Und das fördert dann auch deutsche Investitionen in diesen Ländern.

In diesem Zusammenhang habe ich im Übrigen die Bitte, dass wir noch stärker versuchen, die Entwicklungszusammenarbeit mit dem Übergang in die wirtschaftliche Tragfähigkeit zu verbinden. Denn wir haben oft die Erfahrung gemacht – jedenfalls habe ich es so gesehen –, dass, nachdem wunderbare Trainingsprogramme zum Beispiel für Landwirte ausgelaufen waren, die anschließende Rückkehr in die eigene Landwirtschaft oder in die eigene dörfliche Umgebung nicht das an Veränderung mit sich gebracht hat, was man von einer moderneren Landwirtschaft eigentlich erhofft hatte. Es gab oft Enttäuschungen. Wir müssen also gucken, wie wir möglichst reibungslos an solche Programme anknüpfen können.

Ich werde dieses Jahr die Präsidenten der zwölf Compact-Länder wieder nach Berlin einladen. Wir werden sowohl eine Investorenkonferenz abhalten als auch über unsere Zusammenarbeit sprechen. Ich habe in diesem Frühjahr Burkina Faso, Mali und Niger besucht und mich dabei auch mit den Staatspräsidenten der G5-Sahel-Staaten getroffen. Wir müssen leider konstatieren, dass sich in diesen Ländern – ganz wesentlich, um es mal vorsichtig auszudrücken, durch die Fragilität Libyens bestimmt – die terroristischen Bedrohungen verstärkt haben und sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert hat. Deshalb ist es ein mutiger Schritt, dass die G5 auch eine gemeinsame Terrorismusbekämpfungstruppe aufbaut. Und dabei stellt sich natürlich auch die Aufgabe, sie zu unterstützen. Das ist jetzt nicht Ihr Kernbereich, sondern Sie sind sozusagen damit betraut, im zivilen Friedensdienst Lösungen zu finden, bevor es überhaupt zu Gewalt kommt. Ich spreche aber deshalb auch von dieser zunehmenden terroristischen Bedrohung, weil zum Beispiel in einem Land wie Burkina Faso, wo es Mischehen aus Muslimen und Christen gab, wo das Zusammenleben der Religionen eingeübt war, jetzt die Religionen gegeneinander gestellt werden und ein bislang gutes Zusammenleben zu zerbrechen droht. Da ist so etwas wie Friedensdienst natürlich von größter Bedeutung. Aber wir brauchen manchmal gar nicht so weit wegzufahren. Es kann auch im Kosovo sein, wo so etwas dringend erforderlich ist.

Sie arbeiten im Libanon, in Myanmar, in Guatemala, in Kambodscha, in Kenia und vielen anderen Ländern. Gerade auch bei festgefahrenen Konflikten ist es oft wichtig, wenn man mit einem neutralen Blick von außen auf diese Konflikte schaut, auf Vertrauen zu den Partnern setzt und versucht, auch gemeinsam Lösungen zu finden. Manchmal dauert es sehr lange, manchmal haben solche Bemühungen aber auch Erfolge. Und wenn sie Erfolge haben, dann muss es ein wunderschönes Erlebnis sein, wenn man dabei war und mitgeholfen hat, ein bisschen mehr Friedfertigkeit auf die Welt zu bringen.

In den letzten 50 Jahren hat sich in der Entwicklungszusammenarbeit vieles verändert, aber nicht alles. Denn zu jeder Zeit brauchte und braucht es Menschen mit Herz und Verstand, die sich freiwillig und mutig auf den Weg machen, um in aller Welt Entwicklungs- oder Friedensdienst zu leisten. Es braucht Menschen, die um die Bedingungen vor Ort wissen – die wissen, was gebraucht und was angenommen wird, welche Unterstützung tatsächlich Entwicklung fördert. Da kann man an dieser Stelle einfach sagen: Es braucht Menschen wie Sie, die Sie hier in diesem Raum sind. Deshalb finde ich es eine sehr, sehr gute Initiative, diejenigen, die zurückkommen, die von ihren Erfahrungen berichten können, die Herausragendes geleistet haben, dann auch einzuladen und ihnen zu sagen: Wir hören euch zu, wir wollen von euch etwas erfahren, wir sagen euch danke.

Deshalb noch einmal – und das kommt wirklich von Herzen –: Danke für das, was Sie unternommen haben. Das sage ich auch für die ganze Bundesregierung. Ich werde jetzt vielleicht noch die Chance haben, in der Diskussion etwas mehr zu erfahren. Danke dafür, dass Sie mich zu einem solchen Tag eingeladen haben.

Köpfe: Gabriel J. Martín

Gabriel José Martín wurde am 12. Juli 1971 in San Fernando, Cádiz geboren und ist ein spanischer Psychologe, Schriftsteller, Schwulen- und Intersexaktivist.

Bei der Geburt wurde Martín wegen des Aussehens seiner Genitalien dem weiblichem Geschlecht zugewiesen. Er hieß Patricia und wurde als Mädchen erzogen, obwohl er sich nie wie ein Mädchen fühlte. In der Pubertät setzte dann eine stärkere Testosteronproduktion ein, da sich im Körper ausgebildete Hoden befanden.

Nachdem er sein Leben als Mann fortführte, fing er eine Beziehung mit einer Frau an. Er erkannte aber, dass er nicht heterosexuell war und beendete die Beziehung und zog nach Barcelona, wo er bis heute lebt.

Im Jahr 1996 erlangte er den Titel des Psychologen an der „Universitat de Girona“ und widmete sich den Problemen von homosexuellen Männern, die -wie ihm nach einiger Berufserfahrung deutlich wurde – sich von denen heterosexueller Männer unterschieden.

Zusätzlich engagierte er sich freiwillig bei Coordinadora Gay-Lesbiana de Catalunya. [3] Heute arbeitet er als Diplom-Psychologe bei UNED.

Er ist ein Experte in der schwulen affirmativen Psychologie und hilft anderen homosexuellen Männern, ihre verinnerlichte Homophobie, die Folgen der lebenslang erlittenen Homophobie zu überwinden, oder sie auf ihrem Weg zum Coming-out zu begleiten. Die affirmative Psychologie, die er anwendet, ist in angelsächsischen Bereichen sehr bekannt aber wurde bisher im spanischen Raum kaum betrieben. Die guten Erfolge mit dieser Methode bestätigten ihn einen spanischen Artikel darüber zu verfassen, welcher dann im Jahr 2011 veröffentlicht wurde.

Er befasst sich mit vielen Bereichen, die mit dem Hauptthema Homosexuellität verbunden sind, wie innere Homophobie, Trauma und Angst, Akzeptanz der eigenen Person und Identität sowie HIV.

Seine Bücher wurden in spanischen Medien wie El País oder El Correo besprochen.

Neben der Beratung von homosexuellen Männern ist er als Vertreter des Consell Español de Psicologia im LGTB Büro der American Psychological Association (APA) tätig, ist Präsident des Verbandes LGTB Affirma’t, Koordinator der Arbeitsgruppe Affirmative Psychology LGTB des Col-legi Oficial de Psicologia de Catalunya und arbeitet mit verschiedenen Fernseh- und radiosendern zusammen.

Was bedeutet die Abkürzung HST im angelsächsischen Mediziner Slang?

Die Abkürzung HST steht im englischsprachigen Mediziner-Slang meist für ‚High Slug Titre – Lazy Patient (slug) That Won’t Get Out Of Bed‘.

Mehr Abkürzungen mit den Anfangsbuchstaben HS finden Sie hier.

Dokumentiert: Trump auf twitter – 12. Juli 2019

Der 12. Juli 2019 war ein Freitag und der 3722. Tag von Donald Trump auf twitter. Er schrieb an diesem Tag 52 Tweets, die zusammen insgesamt 1.146.969 Likes sowie 461.528 Retweets erhielten. Die tweets finden Sie hier bald.