Dokumentiert: Lippische Punktation

Richtlinien für die Aufnahme des Landes Lippe in das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen (Vereinbart zwischen Ministerpräsident Dr. Amelunxen und Landespräsident Drake. Bestätigt sowohl von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wie von der Lippischen Landesregierung)

  1. Von Seiten des Landes Nordrhein-Westfalen wird bei der Übernahme und Eingliederung des Landes Lippe in jeder Hinsicht großzügig und entgegenkommend verfahren werden. Auf die 800 jährige Geschichte des Landes Lippe, seine geschlossene Verwaltungseinheit soll im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen jede erdenkliche Rücksicht genommen werden.

  2. Die Landeshoheit geht, sobald die Landeshoheit von der Militärregierung auf deutsche Stellen übertragen wird, auf das Land Nordrhein-Westfalen über.

  3. Lippe wird Teil des Regierungsbezirks Ost-Westfalen.

  4. Als Sitz der Verwaltung dieses Regierungsbezirks wird Detmold in Aussicht genommen.

  5. Vor der Berufung des Regierungspräsidenten für den neuen, Lippe einschließenden Regierungsbezirk wird die Landesregierung Nordrhein-Westfalen auch Verhandlungen mit den Exponenten des Volkswillens in Lippe führen.

  6. Lippe erhält zur Durchführung der ihm verbleibenden Aufgaben der Selbstverwaltung, zur Erhaltung von Landeseinrichtungen usw. das Recht zur Bildung eines Zweckverbandes oder einer ähnlichen, diesem Zwecke dienenden Verwaltungsform. Ihm werden hierfür alle möglichen Erleichterungen gewährt.
    Soweit der lippische Zweckverband zur Durchführung seiner Aufgaben im Rahmen des allgemeinen Rechts besonderer Ermächtigungen bedarf, werden sie ihm durch das Land Nordrhein-Westfalen erteilt.

  7. Die kulturellen und sozialen Einrichtungen des Landes – Landestheater, Musikakademie, Landesbibliothek, Landesmuseum, Archiv, soziale Anstalten usw. – bleiben erhalten und werden gefördert.

  8. Das Landesvermögen (einschließlich das der Stiftungen) verbleibt dem lippischen Gebiet, soweit nicht in Einzelheiten auf Grund gleichartiger geschichtlicher Vorgänge und in Rücksicht auf die allgemeine Übernahme der Landeshoheit besondere Vereinbarungen sachlich geboten sind.
    Es besteht Übereinstimmung, dass Festlegungen nach Prüfung durch einen beiderseits paritätisch zu besetzenden Ausschuss durch Vereinbarungen erfolgen sollen.

  9. Auf kulturpolitischem Gebiete werden die bisherigen Entwicklung, der jetzige Zustand und der Wille der lippischen Bevölkerung Berücksichtigung finden.
    Die lippische Gemeinschaftsschule bleibt im Rahmen der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen erhalten.
    Das Land Nordrhein-Westfalen sichert zu, dass die in Lippe bestehenden Lehranstalten nach Möglichkeit gefördert werden sollen.

  10. Lippe wird keinerlei Benachteiligungen erfahren in der Teilnahme an allen Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen, die dem allgemeinen Wohl der Bevölkerung dienen. Es wird ihm gleichmäßige Behandlung zugesichert.

  11. Bei der Übernahme der Landesbeamten wird entgegenkommend verfahren werden.

  12. Für den Fall der Übernahme des lippischen Stromversorgungsnetzes des Elektrizitätswerkes Wesertal GmbH. in Hameln – Ablauf des Konzessions- und Lieferungsvertrages am 1. Januar 1950 – wird Lippe, wenn nötig, die Hilfe des Landes Nordrhein-Westfalen nach Möglichkeit gewährt.
    Das gleiche gilt für den Ausbau der Ferngasversorgung.

  13. Bei der Übernahme und in der ferneren Behandlung als Teil des Landes Nordrhein-Westfalen sollen Lippe gegenüber dieselben Grundsätze gelten, die entsprechend den Ausführungen des Vertreters der Kontrollkommission, General Robertson, das Land Niedersachsen gegenüber den in ihm aufgehenden Ländern Oldenburg und Braunschweig anwendet, vorausgesetzt, daß dadurch nicht Grundsätze der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen beeinträchtigt werden.

  14. Das Land Lippe wird in allen Teilen als Erholungsgebiet des rheinisch-westfälischen Industriereviers angesehen und genießt die sich daraus ergebende Förderung. Das gleiche gilt für die Bäder des Landes (Salzuflen, Meinberg).

  15. Nordrhein-Westfalen erkennt in den Resten der lippischen Wanderarbeiter eine unsoziale Erscheinung. Es wird dazu beitragen, dass die Wanderarbeiter sesshaft werden.
    Lippe wird Vorschläge einreichen.

16 Für die Regelung der lippischen Angelegenheiten wie für besondere Aufgaben, namentlich wirtschaftlicher Art, im Ostgebiet des Landes Nordrhein-Westfalen, wird in Aussicht genommen, als Vertrauensmann des Ministeriums einen Kommissar zu bestellen, und zwar in Person des Landespräsidenten Drake, falls dieser zur Übernahme einer solchen Stellung bereit ist. Von der Bestellung eines Kommissars wird Abstand genommen, wenn nach Ansicht des Landtags oder des vorgesehenen Zweckverbandes die fraglichen Aufgaben dem Regierungspräsidenten übertragen werden können.

Die obigen Vereinbarungen sind durch folgende Zusätze ergänzt worden:

A. Land Lippe und Regierungsbezirk Minden werden als ein Regierungsbezirk verwaltet werden.

Während der Zeit dieser vorläufigen Regelung – Entscheidung des Kontrollrats gemäß Schreiben des Regional Commissioners an Ministerpräsident Dr. Amelunxen – bleiben die kulturellen und religiösen Verhältnisse des Landes Lippe gewahrt. Es wird nichts geschehen, was der endgültigen Regelung Abbruch tun könnte.

Die kulturellen Interessen des Landes Lippe werden besonders pfleglich behandelt und tatkräftig gefördert werden. Die Besonderheiten im Schulwesen werden beachtet.

B. Sobald die in Aussicht gestellte Verordnung des Kontrollrates erlassen ist, werden die einzelnen Punkte der Vereinbarungen festgelegt werden.

C. Entsprechend den gegenwärtigen Verhältnissen zwischen Einwohner- und Abgeordnetenzahlen in Nordrhein-Westfalen werden vier lippische Vertreter in den ernannten Landtag Nordrhein-Westfalen eintreten.

Vorschläge werden der Militärregierung unterbreitet.

gez. Drake
Landespräsident

  1. Januar 1947

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