Das DoppelEinhorn und die Meinungsfreiheit

Der Kampf gegen Hatespeech

Der Kampf gegen Hatespeech in sozialen Netzen ist eines der großen Anliegen der Bundesregierung. Dagegen ist ja grundsätzlich auch nichts einzuwenden, ganz im Gegenteil.

Leider wird dabei immer wieder übers Ziel hinausgeschossen. Verwiesen sei z.B. auf das unausgegorene Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Doch wenn man denkt, es könne nicht mehr schlimmer werden, kommt das Doppeleinhorn:

Fragwürdiges Verständnis von Meinungsfreiheit

Ruft man den twitter Account des DoppelEinhorn auf, begegnet einem im Header der schöne Spruch:

Es heißt Grundrecht auf Meinungsfreiheit und nicht Grundrecht auf Scheißelabern.

Über den Begriff „Scheißelabern“ will ich mich jetzt hier gar nicht aufregen, auch wenn ich diesen bei einer staatlich geförderten Initiative, die sich ausweislich des sonstigen sprachlichen Duktus an kleine Kinder richtet, für nicht angebracht halte.

Der Satz ist aber schlichtweg falsch. So ist folgendes ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – hier z.B. 1 BvR 917/09 – dass es ein Grundrecht auf „Scheißelabern“ gibt:

Vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst sind zum einen Meinungen, das heißt durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägte Äußerungen. Sie fallen stets in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es dabei darauf ankäme, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational sind, oder ob sie als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt werden. Sie verlieren diesen Schutz auch dann nicht, wenn sie scharf und überzogen geäußert werden. Der Meinungsäußernde ist insbesondere auch nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen zu teilen, da das Grundgesetz zwar auf die Werteloyalität baut, diese aber nicht erzwingt.

Das ist das worauf es ankommt – unsere Demokratie muss ein breites Spektrum an Meinungen aushalten. Die Grenzen dessen, was grundsätzlich öffentlich geäußert werden darf, setzen die Strafgesetze.

„Scheißelabern“ dürfen also alle – die Mitte, die Rechte und die Linke.

So oder so – das Einhorn vermittelt ein fragwürdiges Verständnis des Grundrechts auf Meinungsfreiheit.

Das eigentliche Ärgernis – die staatliche Förderung

Schaut man sich das DoppelEinhorn weiter an, findet man nicht viel. Eine recht inhaltsleere Website (Bild unten).

Und auf dem twitter Account mit derzeit (7.6.2017) rund 115 Followern gibt es ein paar tweets wie

Es ist wichtig, schon den ganz jungen Mitmenschen die Werte eurer #Demokratie zu vermitteln. Alles Gute zum #Kindertag. Euer #DoppelEinhorn.

#Meinungsfreiheit ist unser Lebenselixier, das wir immer verteidigen müssen. Euer #DoppelEinhorn. #fuerdemokratie #gegenhass

Soweit, so gut. dann aber eben wieder:

„Es heißt Grundrecht auf #Meinungsfreiheit und nicht Grundrecht auf #Scheißelabern“. Euer #DoppelEinhorn. #mondaymotivation

Daneben gibt es noch ein Youtube Video, über das sich jeder selbst eine Meinung bilden darf – daher habe ich es ganz unten eingebunden.

Zusammengefasst kann man sagen: Gut gemeint, manches wie Meinungsfreiheit nicht verstanden, alles eher schlecht umgesetzt. Man fragt sich, wen man mit der Aktion erreichen will.

Um so unverständlicher ist, dass das DoppelEinhorn vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziell unterstützt wird – angeblich mit 60.000 Euro. Auch dazu mag sich jeder selbst ein Urteil bilden.

Mein Fazit

Ich halte es für wichtig, dass gegen rechtswidrige, beleidigende und verleumdende Inhalte in sozialen Netzen und anderswo konsequent vorgegangen wird. Ich halte aber nichts davon, Meinungen zu unterdrücken, nur weil sie einem nicht gefallen oder nicht in den vermeintlichen Zeitgeist passen. Das gilt wie gesagt für alle Äußerungen, die vom Grundgesetz gedeckt sind. Das DoppelEinhorn vermittelt hier ein anderes Bild – staatlich gefördert.

Wichtig ist es auch, Kindern und Jugendlichen in Sachen Medienkompetenz zu schulen. Das funktioniert aber nur auf Augenhöhe.

Und so ist zu hoffen, dass sich das DoppelEinhorn ganz schnell neu erfindet – oder besser von der Bildfläche verschwindet.

Nachtrag

Meine Ausführungen sollen für Meinungsfreiheit im allgemeinen gelten, auch wenn ich einen Schwerpunkt im Bereich der sozialen Netze gelegt habe.

Hier muss ich noch ergänzen, dass twitter, facebook und Co. natürlich noch ein Hausrecht der Anbieter besteht; diese können über AGB / Nutzungsbedingungen regeln, was bei Ihnen erlaubt ist und was nicht. Dies kann freilich auch strenger sein als das, was das deutsche Strafrecht hergibt – siehe das „Nippel Thema“ bei facebook.

Grundsätzlich waren die Netze bislang – im Sinne des amerikanischen Free Speech Verständnis – diesbezüglich bisher auch in Deutschland sehr liberal. Doch angesichts des sich verändernden Klimas durch NetzDG und Initiativen wie das Doppeleinhorn werden diese bereits vorauseilend restriktiver.

Zum Abschluss – das DoppelEinhorn Video

 

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.