Meinung: twitter, Meinungsfreiheit, Wahlbeeinflussung und @RAStadler

Meinungsfreiheit und soziale Netze

Eins vorab: ich finde, dass es sozialen Netzen mit hoher Relevanz und Reichweite wie twitter oder facebook – von sehr wenigen Ausnahmen wie z.B. Kinderponographie abgesehen – grundsätzlich nicht erlaubt sein sollte, Inhalte ihrer Mitglieder zu löschen oder anderweitig zu unterdrücken (Shadowban etc.). Sieht sich jemand durch einen Post beleidigt oder anderweitig in seinen Rechten verletzt, soll er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um seine vermeintlichen Rechte durchzusetzen. Die mangelhafte und oft willkürliche Löschpraxis der Plattformen bestätigt mich in dieser Auffassung.

Die Realität sieht freilich anders aus: so verpflichten einerseits gesetzliche Vorgaben wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und andererseits selbst auferlegte Regeln – letztere oft erst auf Druck von Politik und organisierten Gruppen zustande gekommen – die Netze, bestimmte Äußerungen zurückzuhalten oder zu löschen.

Das Wahlbeeinflussung Problem

In diesem Zusammenhang gab es seit geraumer Zeit viele Diskussionen über die Beeinflussung von Wahlen, insbesondere der US-Präsidentschaftswahl 2016, über konzertierte Aktionen auf den besagten Plattformen. twitter hat sich daraufhin entschlossen, diesbezüglich eine neue Meldefunktion einzuführen, wenn ein tweet irreführende Informationen in Bezug auf Wahlen enthält (siehe Bild). Damit sollen tweets verhindert werden, die „falsche Informationen zu Wahlen oder zur Wahlregistrierung“ enthalten.

Und eben wegen eines solchen tweets wurde nun der Account des auf twitter recht populären RA Stadler eingeschränkt. Dieser lautete:

Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)

Stadler hat übrigens den gesamten Sachverhalt in seinem Blog zusammengefasst.

Die Geister, die ich rief

Man mag über den tweet sicherlich streiten. Ausweislich des „Zwinker Smilies“ ist er ironisch gemeint. Und zu Stadlers Followern zählen sicherlich kaum AfD Wähler, die darauf hereinfallen und damit ihre Stimme bei einer Wahl ungültig machen könnten. Einmal ganz abgesehen davon, dass der tweet rund drei Jahre alt ist.

Und vielleicht hebt twitter die Maßnahmen gegen den Account von Stadler von sich aus auf oder auch auf gerichtliche Anordnung. Man wird sehen.

Persönlich halte ich allerdings die Sperre des Accounts für gerechtfertigt. Sicher, der tweet ist ironisch gemeint. Doch es ist nicht jedermanns Sache, Ironie zu erkennen. Und objektiv gesehen enthält der tweet eine falsche Information über Wahlen und fällt damit unter die neue twitter Regelung.

Der gesamte Vorgang zeigt aber, wie absurd solche Regelungen in der Praxis eben sind und bestärkt mich aber in meiner eingangs geäußerten Ansicht, dass die Plattformen eben inhaltlich eingreifen sollten.

Einer klammheimlichen Freude kann ich mich aber nicht entziehen: denn viele, die sich jetzt über die Sperre von Stadler echauffieren, haben ursprünglich ebensolche Regelungen gefordert und begrüßt.

Die Geister, die ich rief.

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