Sehr geehrter Frau Präsidentin Scherb,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Kollegen aus dem Kabinett,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin,
Frau Bentele,
sehr geehrte Vertreter der Parlamente, der Landesregierung,
liebe Landfrauen,
hier in diese Messehalle zu kommen, ist schon ein Erlebnis von geballter Power. Ich freue mich, heute bei Ihnen zu sein. Als Erstes möchte ich Frau Geilert, stellvertretend für alle Thüringer Landfrauen, die heute den 25. Geburtstag Ihres Verbands feiern, einen herzlichen Geburtstagsglückwunsch sagen. Ich möchte meinerseits auch herzliche Grüße von Ministerin Schwesig ausrichten; Herr Staatssekretär Kleindiek wird das nachher auch noch tun. Im Parlament wird heute nicht über die Mütterrente geredet – die haben wir, hoffentlich zu Ihrer Zufriedenheit, schon beschlossen –, sondern über den Mutterschutz. Auch das ist etwas Wichtiges.
Meine Damen und Herren, liebe Landfrauen, ich bin sehr gerne hier, um danke für Ihre Arbeit in über 12.000 Ortsvereinen zu sagen. Mit einer halben Million Mitglieder setzen Sie sich für ein gutes Leben und Arbeiten im ländlichen Raum ein. Herzlichen Dank, Frau Scherb, auch für die Mitwirkung der Landfrauen bei unserem Bürgerdialog, für den Einsatz für soziale und wirtschaftliche Teilhabe von Frauen auf dem Land, für eine gute Bildung und vieles andere mehr.
Sich für etwas einzusetzen, heißt für Sie als Landfrauen – das zeichnet Sie aus –, nicht nur zu fordern. Das gehört zwar auch dazu; und das ist richtig. Der Verband ist eine wichtige Stimme für die Anliegen der Frauen, er macht ihre Interessen sichtbar, er vertritt diese Interessen auch mit Nachdruck. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Denn sich einzusetzen, heißt für Sie als Landfrauen eben auch, mit anzupacken, selbst etwas auf die Beine zu stellen und das Lebensumfeld mitzugestalten. Ihr diesjähriges Motto lautet – typisch für Sie – „LandFrauen tragen Verantwortung“. Das ist nichts Neues, sondern das gilt seit Jahrzehnten. Deshalb möchte ich hier noch einmal sagen: Landfrauen fördern den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft, sie fördern Integration, sie vermitteln Erfahrung und Wissen. Kurzum: Sie sind für das gesellschaftliche Leben auf dem Lande unverzichtbar.
Was mich schon immer beeindruckt hat, auch schon in meiner Zeit als Frauenministerin – gestern haben wir „30 Jahre Frauenministerium“ gefeiert –, ist, dass sich Landfrauen als Vertreterinnen aller Berufe und aller Altersklassen engagieren. Mit unterschiedlichen persönlichen Hintergründen und vielfältigen Qualifikationen machen sie eine starke Gemeinschaft aus. Natürlich gehören viele Frauen dazu, die in der Landwirtschaft arbeiten oder einen sehr engen Bezug zur Landwirtschaft haben. Was wären die ländlichen Räume ohne bäuerliche Betriebe? Bäuerliche Betriebe sind und bleiben das Markenzeichen. Dafür kämpft ja auch unser Minister Schmidt. Wenn er etwas will, ist er immer leidenschaftlich. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
Der diesjährige Bauerntag fand in einer schwierigen Zeit für die Landwirtschaft statt. Wir sprechen sehr häufig darüber: Gerade auch niedrige Milchpreise und entsprechend geringe Ertragsaussichten gefährden die Existenz landwirtschaftlicher Betriebe elementar. Deshalb will ich Ihnen ganz deutlich sagen: Der Bundesregierung ist das bewusst; und der Bundesminister arbeitet buchstäblich auf allen Ebenen – von Brüssel bis zu unserem Finanzminister – und auch mit Blick auf die Lieferkette derer, die die Milch verarbeiten. Denn – das muss man sagen – auch hier muss noch mehr Fairness gegenüber der Leistung der Landwirte einkehren. Bundesminister Schmidt hat dabei meine ganze Unterstützung.
Wir wissen auf der einen Seite, dass Politik den Markt nicht ersetzen kann und wird. Aber wir haben eine Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft. Dementsprechend müssen wir Leitplanken setzen. Wenn wir davon überzeugt sind – das sind wir –, dass das Markenzeichen der ländlichen Räume eben auch bäuerliche Betriebe sind, dann müssen wir uns auch um deren Erhalt kümmern und ihnen Existenzmöglichkeiten auch angesichts der harten Arbeit, die dort geleistet wird, schaffen. Es geht im wahrsten Sinne des Wortes um unser tägliches Brot, um es einmal platt zu sagen.
Die Landwirtschaft erzeugt Nahrungsmittel. Sie sorgt für nachwachsende Rohstoffe – sei es zur Gewinnung von Energie oder auch für die industrielle Produktion. Sie betreibt Landschafts- und Kulturpflege, bietet hunderttausenden Menschen Arbeit. Sie prägt die Sozialstruktur auf dem Land. Und sie bringt Menschen natürliche Kreisläufe nahe, was ich in unserer Zeit für ausgesprochen wichtig halte. Wir reden viel von Nachhaltigkeit, wir reden auch viel von natürlichen Lebensgrundlagen, aber sie zu erleben, auch die Gewalt der Natur zu erleben, den Lauf der Natur zu erleben und in ihm etwas zu schaffen, ist und bleibt etwas ganz Besonderes und ist für das Leben einer Gesellschaft aus meiner Sicht unverzichtbar – ganz gleich, ob man die meiste Zeit in der Stadt oder auf dem Land verbringt.
Das heißt, die Landwirtschaft ist ein wesentlicher Faktor für die Anziehungskraft des ländlichen Raums. Davon hängt wiederum ab, ob Familien für sich eine Zukunft auf dem Lande sehen oder ob sie doch in die Städte ziehen. Gerade der demografische Wandel, dem unsere Gesellschaft ausgesetzt ist, bringt noch eine besondere Problematik mit sich. Wir werden weniger in Deutschland und im Durchschnitt auch älter. Deshalb ist zu fragen: Wie schaffen wir es, die Lebensbedingungen in Deutschland, in Stadt und Land, so zu gestalten, dass alle Lebensräume attraktiv sind? Das ist eine der zentralen Fragen nicht nur der Gegenwart, sondern auch der nächsten Jahre.
In vielen Gemeinden geht es um elementare Fragen der Daseinsvorsorge: Welche Einkaufsmöglichkeiten gibt es in der Nähe? Wie weit ist die nächste Feuerwehr, die nächste Arztpraxis entfernt? Findet sich ein Kindergarten, eine Schule, eine Apotheke in der Nähe, ohne eine halbe Weltreise machen zu müssen? Diese und viele andere Fragen, die mit der Entwicklung der Einwohnerzahl und der Altersstruktur verbunden sind, beschäftigen Sie natürlich auch als Landfrauen. Ich kann Ihnen versichern, dass dies Fragen sind, die sich auch die Bundesregierung nicht nur stellt, sondern denen wir uns auch widmen.
Ich weiß sehr wohl um die Bedenken, dass ländliche Sorgen in der Politik zu wenig präsent sein könnten, weil sie sich vielleicht eher auf große Städte konzentriert. Aber ich darf Ihnen versichern: Viele von uns – auch ich – kommen aus Wahlkreisen, die ländliche Strukturen aufweisen. Im nördlichen Vorpommern ist die Besiedelungsdichte auch sehr gering. Deshalb ist das Thema Stadt-Land-Unterschiede eines, das mich auch persönlich immer wieder über die Wählerinnen und Wähler erreicht.
Stadt-Land-Unterschiede waren für Landfrauen von Anfang an ein Thema. Die Gründerin und erste Vorsitzende Ihres Verbands nach dem Krieg, Gräfin Leutrum von Ertingen, äußerte damals folgende Kritik – ich zitiere: „Für Arbeiter, Angestellte und Beamte werden moderne Wohnungen gebaut, aber die armen Bauernbuben können ihre Kameraden im Winter nicht mit heimbringen, weil nur die Küche geheizt ist, aber der Rest kalt bleibt.“ Ich weiß nicht, warum sie sich als Vorsitzende der Landfrauen so sehr auf die Buben kapriziert hat. Wir nehmen die Mädchen mit hinein, weil sie damals wahrscheinlich auch schon zur Schule gegangen sind.
Nun sind in der Tat die Wiederaufbauprogramme der Anfangsjahre der Bundesrepublik Geschichte, aber um gleichwertige Lebensbedingungen geht es nach wie vor. Es macht für die Daseinsvorsorge einen Unterschied, wie dicht eine Region besiedelt ist, also wie viele Menschen auf Angebote zurückgreifen können. Denken wir etwa an den Einzelhandel oder den öffentlichen Personennahverkehr. Wenn es an solchen Angeboten mangelt, weil sie sich für mögliche Betreiber eben nicht rentieren, dann ist Kreativität gefragt, um solche Defizite auszugleichen. Umso wichtiger sind Hilfsnetzwerke vor Ort, um sich gegenseitig zu unterstützen – zum Beispiel auch, was Fahrgemeinschaften angeht.
Hilfreich sind natürlich auch digitale Netzwerke. Über das Internet einzukaufen, Behördengänge per Mausklick zu Hause zu erledigen oder über Telemedizin Rat vom Facharzt einzuholen – all das wird immer selbstverständlicher. Aber auch dafür müssen wir gute Bedingungen schaffen. Deshalb ist der Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur einer unserer Schwerpunkte. Die Bundesregierung fördert den weiteren Breitbandausbau. Wir stellen 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung, um unser nächstes Etappenziel zu erreichen. Das heißt: Bis 2018 flächendeckend, also für jeden Haushalt, schnelles Internet mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde. Das wird für die Telemedizin nicht ausreichen, aber das reicht erst einmal für das Hantieren mit bewegten Bildern recht gut. Der Breitbandausbau ist zwar eigentlich Aufgabe der Telekommunikationsunternehmen, aber in manchen ländlichen Regionen rechnet sich dieser Ausbau wirtschaftlich nicht. Genau da setzt unsere staatliche Förderung an, um Investitionsanreize zu setzen.
Die Anbindung an das schnelle Internet, das immer wieder neue Anwendungen und Geschäftsmodelle ermöglicht, ist längst ein wichtiger Standortfaktor geworden. Deshalb brauchen wir eben auch in dieser Hinsicht gleichwertige Lebensbedingungen für Stadt und Land. Daher ist der Netzausbau in ländlichen Regionen auch Teil der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Im April hat Bundesminister Schmidt im Kabinett vorgestellt, wie er diese Aufgabe ausweiten möchte. Künftig wollen wir auch Investitionen in nicht-landwirtschaftlichen Kleinstbetrieben fördern – also für den Handwerksbetrieb, die Sozialstation oder andere Dienstleister. Wir wollen damit die Nahversorgung mit Alltagsprodukten und Dienstleistungen vor Ort verbessern. Ich denke, das ist eine sehr gute Erweiterung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Mit dieser Gesetzesinitiative bauen wir die Gemeinschaftsaufgabe zu einem wirklich starken Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum aus – ganz besonders auch mit dem Ziel, jungen Menschen die ländlichen Räume attraktiver zu machen und ihnen dort Zukunft zu bieten. – Einsamer Beifall von der Landjugend; sehr gut.
Das ist oft leichter gesagt, als getan, auch weil ländliche Regionen in Deutschland sehr unterschiedlich aussehen. Es gibt welche, die haben besonders mit dem demografischen Wandel zu kämpfen, mit einer Abwanderung aus Mangel an Arbeitsplätzen. Andere Regionen wiederum stehen wirtschaftlich sehr stark da – mit kleinen und mittelständischen Unternehmen bis hin zu Weltmarktführern. Dieser Unterschiedlichkeit müssen Sie in Ihrer Arbeit und müssen wir in unserer Politik natürlich auch gerecht werden.
Viele Menschen leben gerne auf dem Land. Sie lieben die Natur, sie hängen an ihrem Dorf oder an ihrer Kleinstadt. Und sie sind auch bereit, sich dort einzubringen, die Lebensqualität dort zu erhalten oder möglichst noch zu steigern. Dies zeigt nicht zuletzt der Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“, der in diesem Jahr schon zum 25. Mal durchgeführt wird. Morgen geht die Finalrunde zu Ende. Insgesamt haben sich mehr als 2.400 Dörfer aus ganz Deutschland beteiligt, um eine der begehrten Auszeichnungen zu erhalten. – Heute gibt es ja auch noch Auszeichnungen. Ich habe mit Interesse vernommen: Der eine Minister zeichnet aus, der andere wird ausgezeichnet. Das ist auch eine schöne Arbeitsteilung. – Jedenfalls kann man sagen, dass hinter den Auszeichnungen des Bundeswettbewerbs „Unser Dorf hat Zukunft“ tausende Bürgerinnen und Bürger stehen, die ihre Vorstellungen eines attraktiven Dorflebens gemeinsam verwirklichen. Darunter sind natürlich nicht zuletzt sehr viele Landfrauen.
Zweifellos braucht es auch ein breites bürgerschaftliches Engagement, um den ländlichen Raum als attraktiven Lebensraum zu erhalten. Das Gute daran ist: Die Bereitschaft, ehrenamtliche Verantwortung zu übernehmen, ist bei uns in Deutschland ausgesprochen ausgeprägt. Das zeigt sich an vielen Beispielen, nicht zuletzt auch am Beispiel der Aufnahme vieler Menschen, die bei uns Zuflucht und Schutz suchen. Der Zuzug dieser Menschen ist zugleich ein Beispiel dafür, wie Konflikte in anderen Weltregionen uns auch hierzulande direkt berühren. Zeitweilig kamen im vergangenen Jahr täglich Tausende über die deutsche Grenze. Sie alle brauchten ein Dach über dem Kopf, Kleidung, etwas zu essen und zu trinken. Sie mussten registriert und auf die Länder und Kommunen verteilt werden. Das hat uns alle vor große Herausforderungen gestellt. Ohne die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer hätten wir das nicht bewältigen können. Ich sage auch den Landfrauen ein ganz herzliches Dankeschön für das, was sie gemacht haben und was sie weiter tun.
Inzwischen haben wir viel gearbeitet. Herr Ramelow wird es bestätigen. Er ist immer noch nicht ganz zufrieden. Morgen gibt es wieder eine Sitzung. Auch wenn wir schon einiges auf den Weg gebracht haben, auch wenn im Augenblick weniger Menschen kommen, fängt aber in vielen Fällen die eigentliche Aufgabe, die Integration, jetzt erst an. Ich will ganz deutlich sagen: Erfolgreiche Integration ist eine Frage des gegenseitigen Gebens und Nehmens. Auf der einen Seite stehen Angebote wie etwa Integrationskurse, Praktika in Unternehmen oder auch die Einladung, beim Dorffest mitzumachen. Auf der anderen Seite muss vor allem die Bereitschaft stehen, die deutsche Sprache zu lernen sowie unsere Rechts- und Werteordnung kennenzulernen und einzuhalten. Hierbei darf es keine Toleranz geben. Das müssen wir einfach verlangen. Der Ansatz des Gebens und Nehmens, des Förderns und Forderns, liegt auch unserem Integrationsgesetz zugrunde, das in dieser Woche im Deutschen Bundestag verabschiedet und dann hoffentlich auch im Bundesrat abschließend beraten wird. Mit ihm schaffen wir verlässliche Angebote, fordern aber zugleich auch eigene Bemühungen ein.
Aber auch Integration lässt sich nicht einfach verordnen. Entscheidend ist immer, was vor Ort im direkten Lebensumfeld geschieht. Gerade ländliche Regionen bieten gute Chancen. Meistens ist hier Wohnraum etwas leichter verfügbar, sodass man schneller aus Sammelunterkünften herauskommen und mehr Privatsphäre gewinnen kann. Neuankömmlingen fällt es leichter, sich zu orientieren, einen Überblick zu bekommen. Damit wird es vielleicht auch in Bezug auf das Sicherheitsgefühl für alle Beteiligten leichter im Vergleich zum etwas anonymeren Leben in Städten.
Allerdings will ich auch ganz deutlich sagen: Wir müssen immer wieder für die ländlichen Räume werben, weil Flüchtlinge oft nicht davon überzeugt sind, dass sie mehr Chancen im ländlichen Bereich haben. Aber in funktionierenden Dorfgemeinschaften hat man natürlich auch einen guten Blick dafür, wo Not am Mann und an der Frau ist. Gerade auch das ausgeprägte Vereinsleben bietet gute Anknüpfungspunkte für persönliche Kontakte. Alle, die sich dafür einsetzen, sollen noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön bekommen.
Es gibt auch eine Menge Probleme. Darum wollen wir gar nicht herumreden. Aber ich stelle mir manchmal vor: Man kommt aus einem fernen Land, aus einem anderen Lebensumfeld, man kann die Sprache nicht und trifft auf die deutsche Bürokratie, darauf, wie wir uns alles geordnet haben. Sich da zurechtzufinden, ist, glaube ich, nicht ganz einfach. Da müssen wir manchmal auch ein bisschen Nachsicht üben.
Wenn ich das kurz einflechten darf, weil wir heute auch 25 Jahre Landfrauenverband in Thüringen feiern: Ich war im Zuge der deutschen Wiedervereinigung der Auffassung, dass ich nunmehr in den Teil Deutschlands komme, in dem alles nach gesundem Menschenverstand geregelt ist. Ich habe dann versucht, mir alles Mögliche zu erklären: Warum ist das Gesundheitssystem so und das Rentensystem so? Aber wenn man anfängt, sich einzuarbeiten, merkt man, dass die Ausnahme doch ein markantes Wesensmerkmal auch systemischer Regelungen ist. Insofern ist es gar nicht so einfach, alles zu begreifen.
Herzlichen Dank für Ihre Offenheit, die Sie zeigen, für Ihre Bildungsarbeit, die Sie leisten, für Ihre Orientierungsarbeit. Das ist ein wertvolles Bauen von Brücken in eine neue Zukunft. Sie vermitteln Wissen, Sie vermitteln Erfahrung – auch in Alltags- und Lebensfragen. Das Spektrum der Themen reicht von Frauen und Familie über Landwirtschaft und Hauswirtschaft bis hin zu neuen Medien. Ich kann mir vorstellen, dass dabei vieles erlebt wird.
Aber noch einmal: Wir brauchen einen langen Atem, wir brauchen klare Richtlinien. Es muss die Bereitschaft bestehen, Deutsch zu lernen. Es muss die Bereitschaft bestehen, sich auf die Gesellschaft einzulassen. Das ist eben eine Gesellschaft, in der es Religionsfreiheit gibt, in der es Meinungsfreiheit gibt, in der es ein Gewaltmonopol des Staates gibt und in der man seine Konflikte friedlich miteinander löst.
Ein wichtiges Entscheidungskriterium für Familien mit Kindern, auf dem Land zu bleiben, ist die Antwort auf die Frage: Wie steht es mit der Kinderbetreuung, wie steht es mit der Schule? Wir haben viel Geld in die Hand genommen, um Länder und Kommunen beim Ausbau der Kinderbetreuung zu unterstützen. Zahlreiche Angebote sind ausgeweitet worden oder neu entstanden. Auf verlässliche Kinderbetreuung kommt es ganz besonders dann an, wenn beide Elternteile Familie und Beruf miteinander vereinbaren wollen. Immer mehr Väter und Mütter wünschen sich das.
Ich will ganz deutlich sagen: Es ist nicht Aufgabe der Politik, Menschen ein Lebensmodell vorzuschreiben. Aber das schöne Wort „Wahlfreiheit“ muss natürlich auch eine wirkliche Freiheit zur Wahl beinhalten. Da ist die Wahl, zu Hause zu bleiben, die Kinder zu erziehen, sich ehrenamtlich zu engagieren, relativ einfach zu treffen. Aber die Wahl, Erwerbstätigkeit und Familie zusammenzubringen, bedarf eben bestimmter Voraussetzungen. Dazu gehören auch Angebote zur Kinderbetreuung. Deshalb gibt es Wahlfreiheit nur dort, wo es eben Wahlmöglichkeiten gibt, wo es eine gute Infrastruktur für Familien gibt.
Wir haben zum Beispiel gestern Abend bei der Veranstaltung „30 Jahre Frauenministerium“ darüber gesprochen, dass Wahlfreiheit nicht nur Frauen zukommen sollte, sondern natürlich auch Vätern und Männern, die Teil der Familie sind. Als wir vor zehn Jahren das Elterngeld und Vätermonate eingeführt haben, gab es noch viel Hohn und Spott. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Vätermonate zum Teil sehr gerne angenommen werden. Ich würde sagen, dass seitdem die Hochachtung von Vätern für das, was Frauen bei der Kindererziehung leisten, eher gestiegen ist. Warum soll man Vätern dieses schöne Erlebnis erst bei den Enkeln zukommen lassen? Es kann ja auch bei den eigenen Kindern schon gut funktionieren.
Nun will ich hier nicht darüber sprechen, ob es in der Stadt oder auf dem Land schwieriger ist, sich die Arbeit zwischen Männern und Frauen partnerschaftlich zu teilen, sodass die Kindererziehung auch zu einer Männerdomäne wird. Darüber gibt es in manchen Familien sicherlich auch drastische Diskussionen. Aber das ist eben Teil des gesellschaftlichen Lebens. Sie als Landfrauen sind ja Manns genug, Ihre eigenen Tätigkeiten schon seit Jahren auszuüben, auch wenn die Männer vielleicht manchmal traurig darüber sind, dass sie das Essen nicht direkt auf den Tisch gestellt bekommen, wenn Sie unterwegs waren. Aber das haben die meisten Männer heute auch gelernt. – Ich sehe leichtes Schmunzeln. Das scheint doch ab und zu ein Thema zu sein.
Natürlich geht es auch um das Einkommen. Es gibt ein Projekt der Koalitionsvereinbarung, das wir noch nicht umgesetzt haben, das Frau Schwesig heute wahrscheinlich noch drastischer als Herr Kleindiek vertreten hätte. – Aber er wird es auch gut machen. – Das ist das Thema Lohngerechtigkeit; die Frage, wie wir Lohnunterschiede aufdecken können und was wir hierfür tun können. Hierbei ringen wir noch um die richtige Lösung. Aber dass dies ein Thema ist, wird in der Bundesregierung allgemein akzeptiert.
Liebe Landfrauen, wir wissen genau: Was Sie auf dem Land, was Sie in unserem Land und für unser Land leisten, das können wir gar nicht hoch genug schätzen. Sie machen sich im wahrsten Sinne des Wortes um unser Gemeinwohl verdient. Sie tun das vor Ort, nicht durch Reden, sondern durch Handeln und tatkräftiges Anpacken. Sie bewegen viel Gutes, Sie stärken den Zusammenhalt. Und Sie geben wie auf diesem LandFrauentag Anregungen, formulieren Forderungen und verschaffen Positionen weithin Gehör. Auch deshalb sind Medien so wichtig; das will ich an dieser Stelle auch erwähnen. Ich darf ganz einfach sagen: Sie tun unserem Land gut. Dafür möchte ich Ihnen von Herzen danken. Wir wissen das, was Sie tun, zu schätzen. Die Tatsache, dass wir hier in so starker Formation aufgetreten sind, zeigt das auch. Und auch die Tatsache, dass wir den ländlichen Raum als politischen Schwerpunkt haben, zeigt dies einmal mehr.
Lassen Sie uns in einem intensiven Dialog bleiben. Formulieren Sie Ihre Forderungen ruhig ziemlich scharf. Ansonsten hört keiner hin. Wissen Sie, an uns werden so viele Forderungen aus so vielen gesellschaftlichen Bereichen gestellt. Manche, die vieles von uns fordern, haben dafür eine richtig gute Startposition und werden schon jahrzehntelang gehört. Sie sind so viele; und Sie tun so viel. Deshalb sage ich aus voller Überzeugung: Sie müssen sich wirklich Gehör verschaffen. Ich kann nicht versprechen, dass alles umgesetzt wird, aber es ist allemal wert, dass man Sie hört, sodass dann auch manches umgesetzt werden kann.
Herzlichen Dank und Ihnen eine tolle Tagung hier im wunderschönen Erfurt.