THE REMAINS OF THE SWAY – oder: Was von Harvey hängen blieb… III

Gastbeitrag von Michael Simon de Normier. Teil 3. Hier geht es zur Artikelübersicht.

SONDER- ODER SÜNDENFALL? KATE , PETRA & ich , oder: Wie ich mich einmal buchstäblich an Kate Winslet vergriffen habe und mir eine führende Filmförderin an den Kragen ging – um nicht zu sagen: an die (Ober-)Wäsche!

Vorweg: Ich bin kein Kind von Traurigkeit! Das gilt allerdings nur im übertragenen Sinne.

Tatsächlich habe ich mich im Kampf gegen Depressionen, die eigenen Dämonen, Verlust und Trauer durchaus behaupten müssen. Ich bin nachdenklich. Das sei mir nachgesehen.

Meine Stärken sind meine Schwächen und meine Schwächen sind meine Stärken.

Ich bin also kein Vorbild!

Aber ich frage mich, wie sich eines Verhalten würde…

Ein Vorbild von mir, ganz anschaulich, ist Kate Winslet. Eine tolle Frau! So liebreizend wie pfundskerlig. Stark und schlau und sanftmütig und voller positiver Energie – sogar dann, wenn sie soeben ein menschliches Monster vor der Kamera verkörpert hat…

Am 4. Juli des Jahres 2008, war ihr Spielpartner, der Deutsche David Kross, dem sie immer auf kollegialer Augenhöhe begegnet ist, endlich volljährig. Damit war uns weniger mulmig, wenn wir diejenigen Szenen drehten, die Hanna Schmitz (alias Kate) mit Michael Berg (David) in aller Offenheit im Bett zeigen. Ein paar Tage später war mein 35. Geburtstag. Gleichzeitig hatte ich vor Augen, dass an diesem besonderen Tag Nicole Kidman, die als Besetzung dadurch ausgefallen war, ihr erstes Kind zur Welt gebracht hatte.

Die Stimmung war umso ausgelassener, als ich gegen Mitternacht vor der Studiohalle ein Buffet mit Cremant de Loire aufgestellt hatte. Rotlicht illuminierte noch längere Zeit die kleine Feier dieser launig lauen Nacht, die unter dem Vordach zusammenrückte, als ein sanfter Sommerregen einsetzte. Denn drinnen wurden Nacktszenen gedreht. Und jeder, der nicht unmittelbar dabei sein musste, wartete respektvoll vor der mehr oder weniger undurchlässigen Tür.

Nach Drehschluss fiel noch die letzte Anspannung dieser, immer pikanten, Settings, in denen sich jeder im allgemeinen streng auf seine Aufgabe konzentriert und ansonsten – wie in einem überfüllten Aufzug – diskret auf den Boden oder die Decke starrt. Kate kam raus und drehte sich tanzend mit ausgebreiteten Armen im Regen. Ein Bild zum Verlieben… Ich mach´s kurz und, was geschah, steht ja auch im folgenden BRIEF AN KATE WINSLET, den ich nun endlich, zu Papier zu bringen, mich getraut habe…

Bei dieser unrühmlichen Verzögerung spielen sicherlich drei Faktoren eine Rolle:

  1. Ich habe weder Kate´s Email-Adresse noch ihre Telefonnummer – und das ist auch richtig so! (Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht möglicherweise den nachfolgenden Schritt längst mit ihrem Management abgeklärt hätte…)
  2. Ich hatte ein Nondisclosure Agreement, das ich sehr ernst nahm, bis Kate Winslet und Bob Weinstein sowieso in aller Offenheit geredet haben. Zudem werden meine Zeilen nun bestimmt keinen messbaren Einfluss mehr haben auf Erfolg oder Nachruhm des Filmes. Immerhin haben mein cleverer Anwalt und die 1,5 Mio, die ich zu dem Film beisteuern konnte, verhindert, dass eine automatische Vertragsstrafe für mich fällig wäre. Aber wäre ich – sagen wir mal – eine Schauspielerin, die sexuelle Belästigung oder Schlimmeres anzeigen wollte, wären zigtausende Dollar sofort fällig! Meines Erachtens müssten solche Fälle in NDA´s zukünftig von der Verpflichtung zur
    (gegenseitigen!) Loyalität ausdrücklich ausgenommen sein. Ansonsten sollten solche Verträge als sittenwidrig geächtet werden!!
  3. Ich hatte ich auch ein bisschen Schiss, Kate könnte mich verklagen. Könnte sie?! Aber so ist sie nicht!! Kate ist cool. Was aber nicht bedeutet, dass coole Frauen klaglos alles erdulden sollten, müss(t)en oder in Zukunft werden…

Wieso ich nun dennoch – „ausgerechnet jetzt!?“ – mit der ganzen Wahrheit, -meiner eigenen Erinnerung, -der zum Teil nicht unsubjektiven Wahrnehmung mir bekannter Fakten -und meinen unverschleierten Ansichten, nach vorne gehe?

Aus dem gleichen Grund, aus dem eine Mogul wie Harvey, einen Mini-Konkurrenten wie mich, um 1,5 Mio neppt: Weil ers kann! Weil ich kann.

Ich fühle mich nun frei (siehe NDA), unabhängig und nicht erpressbar* (was nicht gleichbedeutend ist mit der Lebenslüge, ganz und gar unbestechlich zu sein!).

*Wer wäre ist nicht so frei..?

Diejenigen Förderchefinnen (tut mir Leid, es sind lauter Damen), die nun sicherlich betreten schweigen, damit sie ja nicht in die „Rosa Elefanten“-Falle tappen: Würde beispielsweise die oberste Kulturförderin Deutschlands, Staatsministerin für Kultur, Frau Prof. Monika Grütters, doch dem guten Beispiel von Staatspräsident Macron folgen und sich deutlich von Harvey Weinstein distanzieren – ihm, stellvertretend für alle, zurufen, er brauche hierzulande keine Hoffnung mehr zu haben, sein schmutziges Treiben fortzusetzen!

Was geschähe? Sie würde überhaupt erst öffentlich mit ihm assoziiert und möglicherweise als solches in Erinnerung bleiben! Dabei haben weder Macron noch Grütters je mit Harvey paktiert. Aber Deutschland war
sein wichtigster Partner, sein Sponsor – mit rund 10 Mio. € Subventionen (für tolle Filme, wohlgemerkt!) aus dem Etat, den heute Monika Grütters verantwortet. Plus knapp 3 Mio. Darlehen, die seiner-, Ihrer- und ihrer Aufmerksamkeit irgendwie zwischendurch entglitten zu sein scheinen. Ich finde Deutschland sollte da Haltung zeigen.

Aber Politik funktioniert offenbar anders. Und keiner traut sich… Was spräche noch dagegen, nun in diese Kerbe zu hauen…?

Freunde mahnen mich: Mit jedem Satz, den ich nicht mehr unter den Roten Teppich gekehrt wissen will, trete ich zwangsläufig – wenn auch nebenbei – nochmal auf jemanden, der schon am Boden liegt. „Kein feiner Zug!“ Bei Harvey habe ich hingegen kaum das Gefühl, dass er tatsächlich down ist. Ich habe eher die Sorge, dass ein System, das nicht nur ihn schamlos sponsert, unreformiert bleibt und all die Harvey´s dieser Welt werden weiter machen – auf unsere Kosten. Unser aller, -nicht nur der Frauen!

Und dann ekele mich mittlerweile regelrecht vor meinem eigenen rückgratsschwachen Appeasement der Vergangenheit. Je weiter ich mich löse von dieser Erfahrung, der Jahre zwischen Hoffnungslosigkeit und aussichtslosem Wird-alles-wieder-werden- Opportunismus, desto weniger kann ich mir persönlich vorstellen, jemals zurück zu finden in eine weniger integre- dafür um so geschmeidiger integrable Haltung.

Nun, zur Offenheit gehört auch Selbstkritik – nicht schamlose Selbstgerechtigkeit!

Jede Medaille hat sogar drei Seiten: Die eine sieht man, die Kehrseite verbirgt sich, die Dritte spiegelt sich im Auge des Betrachters. Insofern ist es einerseits ein konsequenter Schritt, nun wahrhaftig reinen Tisch zu machen. Andererseits mag jede(r) für sich beurteilen und befinden, ob es nicht längst Zeit war, zu eigenen Fehlern, Unsicherheiten und Fährnissen eine Sprache zu finden, die ruhig auch gehört werden darf…

Hier ist meine aufrichtige und aufrichtig verunsicherte Bitte um Entschuldigung:

Reading about the way you sensed coworking on THE READER I felt both: highly grateful for your courage to speak out what we all went through but at the same time I am sorry for probably being a part of a system that hurt you.

Once there was this evening, drinks for my birthday, when eventually – me being someway over enthusiastic, sozzled and guided by a scheme – I embraced you for a second in a way my Mom did not teach me.

In case you do remember this silly moment in the same way I myself realized it later, I would like to pronounce my plead you apologize my bad behaviour.

In no way I intended to disgrace you. I beg you pardon!

[btw.: Where does the abuse begin and when does it end? If we deny it. When we belittle it. In case we even brag with it. Or is it misuse to abuse this greater context as I do now, because the topic is actually about much worse offenses? Or do I belittle it now again?]

That’s why at the same moment I feel ashamed that my apology might annoy you once more. I guess many men these days feel more and more unsure about how to handle even our own embarrassment in the aftermath of delicate situations?

In any case, as gentlemen we should be ready to review our behavior over and over again. Moreover I reckon we all should intercommunicate more about these borderline cases. Please forgive me that I do!

Thanks for all you did for our movie, the arts and additionally for all women who even more shall be encouraged to speak their mind!!! Sometimes we do need your answers to find out if we are violating your individual fire break or being perceived as offending..

All the best, for a kinder future!

Yours sincerely,

#menmakemistakes #iHave

Meine Übersetzung anbei:

Hochverehrte und zutiefst bewunderte Kate,

zu lesen, wie Du unsere Zusammenarbeit bei „Der Vorleser“ erlebt hast, zerreißt mich innerlich zwischen immenser Dankbarkeit für Deinen Mut, beim Namen zu benennen, was wir da alle durchgemacht haben… Aber gleichzeitig beschämt es mich, dass ich offenbar Teil eines Systems war, das Dich verletzt hat.

Eines Abends, einem Umtrunk zu meinem Geburtstag, gab es eine Umarmung, bei der ich – in der für mich typischen überschwänglichen Begeisterung, beschwipst und dann auch noch von einem falschen Muster fehlgeleitet – Dich auf eine Weise berührte, die mir nicht zustand.

Solltest Du Dich – wider Erwarten – an diesen blöden Moment ebenso erinnern, wie ich ihn er selbst erst später und zu spät erkannt habe, möchte ich Dich bitten, mein schlechtes Benehmen zu entschuldigen. In keiner Weise war es mein Vorsatz, Dir zu nahe zu treten. Ich bitte um Verzeihung!

(Apropos: Wann fängt Missbrauch an und wo endet dieser? Wenn wir solchen in Abrede stellen? Wenn wir ihn klein reden?! Falls wir sogar damit prahlen!? Ist es missbräuchlich, den gegebenen größeren Kontext nun so zu vereinnahmen, wie ich es tue – weil das eigentliche Thema „Weinstein“ viel wesentlichere Vergehen sind? Oder banalisiere ich, mit diesen Gedanken, nun wiederum meinen eigenen Fauxpas?!)

Nun schäme ich mich im selben Zuge, Dich mit meiner Entschuldigung möglicherweise noch zusätzlich zu belästigen. Ich denke halt, dass viele Männer heutzutage mehr und mehr verunsichert sind, wie wir – selbst mit unserer Verlegenheit nach heiklen Situationen – verfahren sollen. Auf jeden Fall sollten wir als Gentlemen bereit sein, unser Verhalten immer wieder zu überprüfen. Außerdem finde ich, dass wir alle mehr über diese Grenzfälle miteinander kommunizieren sollten. Bitte vergib mir, dass ich es tue!

Danke für alles, was Du für unseren Film-, die Kunst- und für alle Frauen getan hast, die nun umso mehr ermutigt sein sollten, ihre Meinung zu äußern!!!

Manchmal brauchen wir Männer Eure Antworten, um herauszufinden, ob wir individuelle Schutzsphären verletzt haben, oder unser Verhalten kränkend war.

Alles Gute für eine freundlichere Zukunft für Dich, uns -und vor allem unsere Kinder!

Dein

Michael

#menmakemistakes #iHave

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