Die Verfassungsfrage
Immer wieder wird behauptet, das Grundgesetz sei keine Verfassung.
Besonders beliebt ist dies in den Kreisen der Reichsbürger, z.B. von den Anhängern des Königreichs Deutschland. Aber auch in anderen Kreisen bis tief ins konservative Lager hinein ist diese Annahme verbreitet:
Begründet wird dies mit verschiedenen Argumenten:
- allein schon der Name Grundgesetz solle deutlich machen, dass es eben keine Verfassung sei
- über eine Verfassung habe immer eine Volksabstimmung, ein Referendum aller Bürger etc. stattzufinden, was beim Grundgesetz nicht der Fall gewesen sei
Und es ist doch eine Verfassung
Zum letztgenannten Punkt kann schnell erwidert werden, dass eine Volksabstimmung keine Voraussetzung für eine Verfassung ist und auch nicht der deutschen Verfassungstradition entspricht. So sind schon die Paulskirchenverfassung und die Weimarer Reichsverfassung durch Nationalversammlungen erarbeitet und verabschiedet worden – ohne Volksabstimmung. In dieser Tradition steht auch das Grundgesetz, das durch den Parlamentarischen Rat verabschiedet wurde, der sich aus gewählten Abgeordneten der westdeutschen Landesparlamente rekrutierte und im Bonner Museum König tagte. Auch wenn das Grundgesetz ursprünglich nicht von allen als Verfassung bezeichnet und gesehen werden sollte und wollte, hat es die Funktion einer Verfassung – das zentrale Rechtsdokument eines Staates zu sein – von Anfang an erfüllt.