Dokumentiert: Eingangsstatement von Bundeskanzlerin Merkel vor dem Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der bei der Flüchtlingsaufnahme engagierten Verbände und gesellschaftlichen Gruppen

Meine Damen und Herren, ich habe schon gemerkt: Das Vorgespräch ist mindestens so wichtig wie das Gespräch am Tisch. Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserem heutigen erneuten Zusammentreffen der bei der Flüchtlingsaufnahme engagierten Verbände und gesellschaftlichen Gruppen. Diese Begrüßung erfolgt im Namen der ganzen Bundesregierung, die hier auch ziemlich gut repräsentiert am Tisch sitzt.

Dies ist das sechste Treffen dieser Art, und ich glaube, das zeigt auch, dass wir alle wissen, dass die Hilfe für Flüchtlinge ein langfristiges Engagement erfordert. Die Turnhallen sind im Grunde wieder für ihre ursprüngliche Nutzung frei; das heißt aber nicht, dass die Aufgabe abgeschlossen ist. Es ist, glaube ich, gut und richtig, dass wir uns immer wieder Zeit nehmen zu fragen: Was läuft einigermaßen gut und was wiederum ‑ ‑ Ihr seht euch doch morgen schon wieder zur MPK Ost, insofern bitte ich ‑

(Zuruf: Wir freuen uns so sehr!)

‑ Ja, ja, das freut mich ‑ die Ministerpräsidenten, die ich natürlich auch sehr herzlich begrüße, freuen sich schon auf morgen. Gerade war ich nämlich dabei, den Absatz vorzulesen, wo Sie, Herr Sellering und Herr Haseloff, als Kovorsitzende der Vertreter der 16 Bundesländer erwähnt werden; denn wir haben ja versucht, die Dinge auch möglichst in Gemeinsamkeit zu machen.

Wir wollen heute noch einmal kurz über die aktuelle Situation sprechen. Dazu wird der Bundesinnenminister berichten, und wir haben gerade abgemacht, dass er dann gleich im Zusammenhang auch über das Thema Integration spricht. Es können dann aber im ersten Teil auch noch Fragen zu der Flüchtlingssituation insgesamt gestellt werden.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat über knapp 700 000 Asylanträge entschieden. Ich glaube, wir dürfen Herrn Weise stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch einmal herzlich danken. Diesen Dank können wir auch sofort an Frau Kort weitergeben, für die natürlich auch noch etwas zu tun übrig gelassen wurde. Insofern wünschen wir auch Ihnen alles Gute in Ihrer neuen Aufgabe.

Wir haben uns mit dem Thema zu beschäftigen, wie das mit denen ist, die keinen Aufenthaltsstatus in Deutschland bekommen. Im vergangenen Jahr mussten 80 000 Personen das Land wieder verlassen; das ist gegenüber 2015 eine Steigerung von 40 Prozent. Es gibt zunehmend auch freiwillige Ausreisen, die auch durch die Internationale Organisation für Migration begleitet werden. Das ist natürlich sehr viel einfacher, als wenn es verpflichtende Ausreisen gibt. Dennoch wissen wir, dass freiwillige Ausreisen nur dann klappen, wenn klar ist, dass das keine wahlweise Entscheidung ist, sondern dass in einigen Fällen die harte Entscheidung zu einer verpflichtenden Ausreise gefällt werden muss.

Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit der Bekämpfung von Fluchtursachen ‑ auch darüber können wir, wenn es gewünscht wird, noch einmal sprechen ‑ und sind natürlich, was den Haushalt anbelangt, in allen Punkten sehr engagiert, was die Bekämpfung der Fluchtursachen anbelangt. Ich verweise hier auf den Etat des Bundesministers für Entwicklung, aber auch auf den des Außenministers. Wir haben in diesen Tagen wieder die schrecklichen Bilder aus Afrika in Bezug auf die Hungersnöte gesehen. Wir werden diesbezüglich unser Engagement wahrscheinlich noch einmal verstärken.

Es findet heute eine Konferenz zum Thema Syrien statt. Der Bundesaußenminister hat gerade heute Vormittag eine Zusage von 1,3 Milliarden Euro machen können, und wir wollen unsere Verpflichtungen nachhaltig einhalten.

Gestern war der Ministerpräsident des Libanon bei uns. Wenn man einmal sieht, was dieses Land leistet ‑ vier Millionen Einwohner, eine Million Flüchtlinge, dazu noch permanent 500 000 palästinensische Flüchtlinge ‑, dann ist das schon beeindruckend und auch für mich sehr beeindruckend; das kennen wir ja auch von uns aus Deutschland. Er hat uns gebeten, an die Flüchtlinge zu denken, aber auch die heimische Bevölkerung des Libanon nicht aus dem Blick zu nehmen. Er sagt: Wenn unsere Menschen immer hören, dass man sich um die Flüchtlinge kümmert, dann schafft das unglaubliche Spannungen. ‑ Ich glaube, das ist auch ein wichtiger Hinweis.

Wir wollen natürlich unsere G20-Präsidentschaft auch dazu nutzen, um in punkto Afrika eine Vielzahl von Aktivitäten ‑ das Wirtschaftsministerium, das Auswärtige Amt, das Finanz- und natürlich auch das Entwicklungsministerium ‑ zu entwickeln. Wir werden im Juni im Vorfeld des G20-Gipfels eine Afrika-Konferenz abhalten, um sozusagen den Sprung von der Entwicklungshilfe hin zu mehr wirtschaftlicher Dynamik zu schaffen. Es gab eine ganze Reihe von Tagungen in Afrika, und es wird noch weitere geben. Ich glaube, wir sollten hier ganz besonders auf die eigenen Vorstellungen der afrikanischen Länder hören, die selber ihre Agenda 2063 entwickelt haben. Die Afrikanische Union wird beständig selbstbewusster. Ich finde, je mehr eigenes Engagement dahintersteckt, umso besser ist das, als dass wir immer kommen und erklären, was man nun bitte schön zu tun hat.

Es gibt die Migrationspartnerschaften in Niger und Mali. Nach wie vor läuft das EU-Türkei-Abkommen einigermaßen so, wie wir es geschaffen haben. Leider ist Griechenland noch immer im Verzug, was die Frage der Rückführung von syrischen Asylbewerbern anbelangt, weil es eine ganze Kaskade von Gerichtsverfahren gibt. Dadurch ist die Lage auf den griechischen Inseln sehr kompliziert. Wir versuchen bei der Abarbeitung dieser Asylverfahren zu helfen, wo wir können. Wir helfen auch anderen Ländern bei der Relocation, so zum Beispiel Italien bei den Umsiedlungen von Italien nach Deutschland. Diesbezüglich kann sich Deutschland, glaube ich, sehen lassen.

Wir werden darüber sprechen, wie Sie im Lande die Lage sehen. Das rechtliche Rahmenwerk ist da, aber es ist natürlich sehr viel zu tun, insbesondere was die Integration in den Arbeitsmarkt und die Sprachkurse anbelangt. Ich selber war gestern Abend beim 1. FC Köln und habe mir die Projekte der dortigen Stiftung angeschaut. Man hört oft von dem, was nicht gelingt, und damit müssen wir uns natürlich beschäftigen. Wir sollten aber auch nicht vergessen, darüber zu sprechen, was gelingt. Man neigt ja als Politiker dazu, immer nach dem zu fragen, was nicht gelingt. Ich habe dort aber wenig Antworten bekommen. Dort hat man sehr viele und sehr gute Erfahrungen gemacht, und die sollte man als Ermutigung betrachten.

Danke, dass Sie alle hier sind. Ich freue mich auf das Gespräch mit Ihnen, gebe als Erstes dem Bundesinnenminister das Wort und verweise noch auf den Infobrief, den wir Ihnen hingelegt haben.

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