Meinung: Einige Gedanken über den Euro

Es war der späte Abend des 2. Mai 1998, als ich ein altmodisches Telefax ans Bundesverfassungsgericht schickte, das einen Antrag enthielt, dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, der Einführung des Euro zuzustimmen.

Ich begründete dies mit zwei wesentlichen Punkten, die ich hier nur kurz wiedergeben möchte: Zunächst argumentierte ich, dass Art 88 GG es erlaubt, Kompetenzen der Bundesbank an die Europäische Zentralbank abzutreten, die unabhängig ist. Leider zeichnete sich schon an diesem Abend an, dass es eine unabhängige Zentralbank nicht geben würde, wurde doch von den Staats- und Regierungschefs ein informeller Kompromiss über die Dauer der Amtszeit des ersten Präsidenten Wim Duisenberg geschlossen. Zum anderen war schon damals evident, dass einzelne angehende Euro Staaten die Stabilitätskriterien bei objektiver Betrachtung eben nicht erfüllten. Auch aus diesem Grund sah ich eine Kompetenzübertragung in Währungsfragen als problematisch an (vgl. Art 23 GG). Für mich war damit die verfassungsgemäße Zustimmung zur Währungsunion ausgeschlossen. Mein Recht zur Verfassungsbeschwerde begründete ich mit Art. 20 Abs. 4 GG – „Staatsstreich von oben“. Erwartungsgemäß wurde mein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenige Tage später abgewiesen – mit der Begründung, ich wäre durch den Beschluss noch nicht unmittelbar betroffen. Der Rest ist Geschichte.

Immerhin kann ich sagen, dass ich habe etwas versucht habe. Den folgenden kurzzeitigen Gedanken, in den bewaffneten Widerstand zu gehen, habe ich damals nach wenigen Sekunden verworfen.

So oder so – der Euro wurde mit systemimmanenten Fehlern geboren. Selbst die Kanzlerin spricht inzwischen von „Konstruktionsmängeln„.

mE gibt es nun drei Möglichkeiten:

  1. Es kommt der wirklich große Wurf – mit Europäischer Finanzregierung, Eurobonds und vielen weiteren Milliarden. Das könnte den Euro retten, wäre aber wohl mit einer so weitgehende Aufgabe der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland verbunden, dass diese Maßnahmen nur schwer mit dem Grundgesetz vereinbar sein dürften. Und auch wenn dies vielleicht überwunden werden könnte – durch den ganz großen Wurf einer neuen deutschen Verfassung (Art. 146 GG) – bleibe noch das riesige Problem der riesigen ökonomischen Unterschiede der Staaten innerhalb der derzeitigen Euro Zone, die für eine lange Zeit immer wieder für Krisen und Konflikte sorgen wurden.
  2. Man wurschtelt weiter wie bisher und gibt dem Euro damit noch eine gewisse Zeit – entweder bis die nächste große Krise kommt und es dann um so schlimmer wird – oder aber bis die Zeit wirklich reif ist für die Aufgabe des Nationalstaats und die Volkswirtschaften sich angeglichen haben.
  3. Das „Aus“ für diesen Euro und entweder ein neuer Kern-Euro (oder gar mehrere, aber mit welchen Ländern?) oder gleich die generelle Rückkehr zu den nationalen Währungen.

Man darf gespannt sein.

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