Dokumentiert: Verfassungsbeschwerde Neubauer und andere, unterstützt durch Greenpeace e.V. und Germanwatch e.V.

Hier dokumentieren wir die Zusammenfassung der sog. Klimaklage durch Luisa Neubauer und andere, unterstützt durch Greenpeace e.V. und Germanwatch e.V.

Zusammenfassung:

Unzureichendes Schutzniveau des Bundesklimaschutzgesetz und Unterlassender Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass einzelne Regelungen des Bundesklimaschutzgesetzes, insbesondere das mit konkreten Emissionsmengen pro Sektor unterlegte Reduktionsziel bis 2030 (55% gegenüber 1990) und die Möglichkeit, sogar selbst diese (unzureichenden) Reduktionen im Ausland erfüllen zu können, sowie das tatsächliche gesetzgeberische Unterlassen (Maßnahmen, die ein ausreichendes Schutzniveau erreichen) mit der herausragenden Schutzfunktion, die insbesondere das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) gegenüber zivilisatorischen Risiken lebensbedrohender Art und zahlenmäßig nicht abschätzbaren Umfangs gewährleistet, nicht vereinbar und deshalb verfassungswidrig ist. Auch die Menschenwürdegarantie aus Art 1 GG ist tangiert weil der Generation der Beschwerdeführer jegliche Handlungsoptionen genommen werden, um sich zu schützen.

Dabei sind die Grundrechte des Grundgesetzes im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention auszulegen – und aus dieser (insbesondere Art 2 und 8 EMRK) folgt ein Anspruch auf Klimaschutz und zwar gegenüber jedem Staat im Umfang „seines“ Anteils zur Verhinderung eines gefährlichen Klimawandels, wie in drei Instanzen die niederländischen Gerichte bereits festgestellt haben (Fall Urgenda). Am 20. Dezember 2019 hat das oberste Gericht der Niederlande die Berufung der niederländischen Regierung abschließend zurückgewiesen. In den Niederlanden müssen nun kurzfristig erhebliche Maßnahmen ergriffen werden, um bis Ende 2020 die niederländischen Treibhausgasemissionen um 25 % gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren.

Die Beschwerdeführer möchten erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht letztlich dieselbe Wissenschaft, dieselben rechtlichen Maßstäbe, nämlich Menschenrechte, und dieselben Handlungspflichten anwendet, wie die Gerichte in Niederlanden, lediglich nicht auf den Zeitraum bis 2020 beschränkt.

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Das Bundesverfassungsgericht über die Folgen des Todes eines Verfassungsbeschwerdeführers

Was passiert eigentlich mit einer Verfassungsbeschwerde, wenn der Beschwerdeführer während des laufenden Verfahrens verstirbt? Das Bundesverfassungsgericht führt dazu im Beschluss vom 24. Oktober 2017 (1 BvR 1312/16) aus:

Über die Folgen des Todes des Beschwerdeführers für ein anhängiges Verfassungsbeschwerdeverfahren lässt sich mangels einer gesetzlichen Regelung nur für den einzelnen Fall unter Berücksichtigung der Art des angegriffenen Hoheitsaktes und des Standes des Verfassungsbeschwerdeverfahrens entscheiden (vgl. BVerfGE 124, 300 <318> m.w.N.).

Eine Rechtsnachfolge im Verfassungsbeschwerdeverfahren kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil diese Verfahrensart regelmäßig der Durchsetzung höchstpersönlicher Rechte dient. Ausnahmen sind lediglich im Hinblick auf solche Rügen zugelassen worden, die ein Rechtsnachfolger im eigenen Interesse geltend machen kann (vgl. BVerfGE 109, 279 <304>; BVerfGK 9, 62 <70>, jeweils m.w.N.). Ein solches zur Fortführung der Verfassungsbeschwerde berechtigendes eigenes Interesse der Erben des Beschwerdeführers – für deren Vertretung im Übrigen aber auch keine Vollmacht vorgelegt worden ist – ist hier nicht gegeben, da die Verfassungsbeschwerde die Durchsetzung höchstpersönlicher, an seinen Status als Rechtsanwalt anknüpfender Rechte des Verstorbenen verfolgt.

Unter diesen Umständen ist lediglich auszusprechen, dass sich das Verfahren durch den Tod des Beschwerdeführers erledigt hat.

10 Fakten zum 30. Mai

  1. Ferdinand, Jennifer und Johanna haben heute Namenstag.
  2. Jeanne d’Arc wird 1431 auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
  3. Das Hambacher Fest endet 1832 auf dem Hambacher Schloss.
  4. 1949 nimmt der „Deutsche Volkskongress“ die „Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“ an, die aber erst zum 7. Oktober 1949 in Kraft tritt.
  5. Die Notstandsgesetze werden 1968 verabschiedet, die maßgebliche Änderungen des Grundgesetzes umfassen. Sie führen den gemeinsamen Ausschuss aus Bundestag und Bundesrat im Verteidigungsfall ein, ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen die weitergehende Einschränkung von Postgeheimnis, Fernmeldegeheimnis und Freizügigkeit und erlauben den Einsatz der Bundeswehr im Inland bei Katastrophen und massiven Unruhen. Auf der anderen Seite wird die Verfassungsbeschwerde, die vorher nur einfachrechtlich normiert war, ins Grundgesetz aufgenommen und ein Widerstandrecht gegen einen „Staatsstreich von Oben“ verfassungsrechtlich verankert – Art. 20 Abs. 4 GG. Sie wurden – siehe Bild – vorher stark bekämpft.
  6. 1975 wird die ESA, die Europäische Weltraumorganisation, gegründet.
  7. Die Allianz-Arena, das Münchener Fußball-Stadion, wird 2005 offiziell eröffnet.
  8. Ebenfalls 2005 benennt die CDU Angela Merkel als Kanzlerkandidatin, hier die entsprechende Karikatur aus unserer Merkel-Serie.
  9. Karl Wilhelm Feuerbach kommt 1800 auf die Welt.
  10. Carl Peter Fabergé wird 1846 geboren. Seine Eier sind noch heute berühmt.

Mehr rund um den 30. Mai finden Sie hier.

Lesenswertes 5

 

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Die aktuellen „lesenswertes“ Links:

  1. New Horizons auf neuem Kurs
    Die NASA Sonde New Horizons ist jetzt auf dem Weg zu 2014 MU69, einem Trans-Neptun Objekt.
  2. Previous ShareBeyond the airstrikes: Russia’s activities on the ground in Syria
    Belege, dass russische Milizionäre in Syrien im Bodenkampf aktiv sind.
  3. Hallo, ich bin ein Weckmann
    Das Bonner Münster erklärt interessantes zum Weckmann und zu St. Martin. (Ich weiß, St. Martin ist vorbei, aber es hat diesmal etwas länger gedauert, bis 10 lesenswerte Links zusammengekommen sind…)
  4. Verfassungsbeschwerde von Peter Gauweiler (PDF)
    Gauweiler gegen QE-Anleihenkäufe der EZB und gegen Befangenheit Draghis. Long Read. Kompliziert. Aber lohnend.
  5. EU-Kommission: Das Ende der kostenlosen Internet-Links?
    Achtung – will die EU Kommission ein LSR durch die Hintertür einführen? Hier sollte man frühzeitig wachsam sein!
  6. Das iPad Pro ist nicht das Ende der PC Ära
    Kommentar von Carsten Drees zu Tim Cooks Aussage, das iPad Pro ersetze den PC. Walt Mossberg ist übrigens der gleichen Meinung (und damit wären wir diesmal streng genommen bei 11 Linktipps…)
  7. Midori
    Stimmt – da war mal was. Das Betriebssystem Projekt von Microsoft scheint in Windows 10 aufgegangen zu sein.
  8. Gebt uns eine Strategie
    Zum 60. Geburtstag der Bundeswehr.
  9. Your Xbox One is getting a lot faster today
    Die wichtigsten Infos zum Xbox ONE Update, das heute erscheint.
  10. 21 Dinge, die in jeden Rucksack gehören
    Must Read für alle Backpacker

Bild: Hausnummer der Buchhandlung Behrendt in Bonn.

Bundesverfassungsgericht lehnt Gauweilers Eilantrag ab. Nicht.

Wie berichtet wird, wird das Bundesverfassungsgericht seine Urteilsverkündung in Sachen „ESM/Fiskalpakt – Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung“ nicht wie von Peter Gauweiler ebenfalls im Eilverfahren beantragt, verschieben. Die Entscheidung wird also wie geplant am 12. September 2012 verkündet werden. Hier geht es zur entsprechenden Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.

Wenn jetzt aber behauptet wird, dies sei eine Ablehnung und dementsprechend Niederlage Gauweilers, so ist das nicht korrekt. Das Gericht hat nämlich inzwischen klargestellt, dass die Entscheidung am 12. September nicht verschoben wird und im Zuge dieser dann auch über Gauweilers neuen Hilfsantrag entscheiden wird.

Kann man daraus dennoch etwas für das morgige Urteil interpretieren? Ja – ein bisschen schon.

Das Bundesverfassungsgericht wird den ESM und den Fiskalpakt wahrscheinlich nicht komplett stoppen, sonst wäre die überraschende Beratung am 10. September so nicht notwendig geworden. Man kann also davon ausgehen, dass der ESM und der Fiskalpakt vom BVerfG zunächst „durchgewunken“ werden, freilich möglicherweise mit Auflagen.

 

Meinung: Einige Gedanken über den Euro

Es war der späte Abend des 2. Mai 1998, als ich ein altmodisches Telefax ans Bundesverfassungsgericht schickte, das einen Antrag enthielt, dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, der Einführung des Euro zuzustimmen.

Ich begründete dies mit zwei wesentlichen Punkten, die ich hier nur kurz wiedergeben möchte: Zunächst argumentierte ich, dass Art 88 GG es erlaubt, Kompetenzen der Bundesbank an die Europäische Zentralbank abzutreten, die unabhängig ist. Leider zeichnete sich schon an diesem Abend an, dass es eine unabhängige Zentralbank nicht geben würde, wurde doch von den Staats- und Regierungschefs ein informeller Kompromiss über die Dauer der Amtszeit des ersten Präsidenten Wim Duisenberg geschlossen. Zum anderen war schon damals evident, dass einzelne angehende Euro Staaten die Stabilitätskriterien bei objektiver Betrachtung eben nicht erfüllten. Auch aus diesem Grund sah ich eine Kompetenzübertragung in Währungsfragen als problematisch an (vgl. Art 23 GG). Für mich war damit die verfassungsgemäße Zustimmung zur Währungsunion ausgeschlossen. Mein Recht zur Verfassungsbeschwerde begründete ich mit Art. 20 Abs. 4 GG – „Staatsstreich von oben“. Erwartungsgemäß wurde mein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenige Tage später abgewiesen – mit der Begründung, ich wäre durch den Beschluss noch nicht unmittelbar betroffen. Der Rest ist Geschichte.

Immerhin kann ich sagen, dass ich habe etwas versucht habe. Den folgenden kurzzeitigen Gedanken, in den bewaffneten Widerstand zu gehen, habe ich damals nach wenigen Sekunden verworfen.

So oder so – der Euro wurde mit systemimmanenten Fehlern geboren. Selbst die Kanzlerin spricht inzwischen von „Konstruktionsmängeln„.

mE gibt es nun drei Möglichkeiten:

  1. Es kommt der wirklich große Wurf – mit Europäischer Finanzregierung, Eurobonds und vielen weiteren Milliarden. Das könnte den Euro retten, wäre aber wohl mit einer so weitgehende Aufgabe der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland verbunden, dass diese Maßnahmen nur schwer mit dem Grundgesetz vereinbar sein dürften. Und auch wenn dies vielleicht überwunden werden könnte – durch den ganz großen Wurf einer neuen deutschen Verfassung (Art. 146 GG) – bleibe noch das riesige Problem der riesigen ökonomischen Unterschiede der Staaten innerhalb der derzeitigen Euro Zone, die für eine lange Zeit immer wieder für Krisen und Konflikte sorgen wurden.
  2. Man wurschtelt weiter wie bisher und gibt dem Euro damit noch eine gewisse Zeit – entweder bis die nächste große Krise kommt und es dann um so schlimmer wird – oder aber bis die Zeit wirklich reif ist für die Aufgabe des Nationalstaats und die Volkswirtschaften sich angeglichen haben.
  3. Das „Aus“ für diesen Euro und entweder ein neuer Kern-Euro (oder gar mehrere, aber mit welchen Ländern?) oder gleich die generelle Rückkehr zu den nationalen Währungen.

Man darf gespannt sein.