Im Anschluß an seine Proklamation Nr. 3 an das Deutsche Volk vom 20. Oktober 1945, die anordnet, daß das deutsche Gerichtswesen auf der Grundlage des demokratischen Prinzips, der Gesetzmäßigkeit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied von Rasse, Staatsangehörigkeit oder Religion umgestaltet werden muß, erläßt der Kontrollrat folgendes Gesetz:
Artikel I.
Die Umgestaltung der deutschen Gerichte soll grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Januar 1877 in der Fassung vom 22. März 1924 (RGBI. I S. 299) erfolgen. Folgende Gliederung der ordentlichen Gerichte wird wiederhergestellt:
Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte.
Artikel II.
Die Zuständigkeit der Amtsgerichte und Landgerichte in Zivil- und Strafsachen richtet sich im allgemeinen nach dem Recht, das am 30. Januar 1933 in Kraft war. Die Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wird jedoch auf Ansprüche ausgedehnt, deren Gegenstand den Wert von 2.000 RM nicht übersteigt.
Die Landgerichte sind zuständig für Berufung gegen Entscheidungen der Amtsgerichte.
Die Oberlandesgerichte entscheiden nicht in erster Instanz, sondern sind endgültige Berufungsinstanz gegen Entscheidungen der Landgerichte in Zivilsachen; sie sind, soweit gesetzlich vorgesehen, für das Rechtsmittel der Revision gegen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Strafsachen zuständig.
Artikel III.
Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte erstreckt sich auf alle Zivil- und Strafsachen mit folgenden Ausnahmen:
a) Strafbare Handlungen, die sich gegen die Alliierten Besatzungsstreitkräfte richten;
b) Strafbare Handlungen, die von Nazis oder von anderen Personen begangen wurden, und die sich gegen Staatsangehörige Alliierter Nationen oder deren Eigentum richten, sowie Versuche zur Wiederherstellung des Naziregimes oder zur Wiederaufnahme der Tätigkeit der Naziorganisationen;
c) Strafbare Handlungen, in die Militärpersonen der Alliierten Streitkräfte oder Alliierte Staatsangehörige verwickelt sind;
d) Andere Zivil- oder Strafsachen, die der Zuständigkeit der deutscher Gerichte nach den Anordnungen des Alliierten Militärbefehlshabers entzogen werden;
e) Wenn eine strafbare Handlung ihrem Wesen nach die Sicherheit der Alliierten Streitkräfte nicht gefährdet, kann der Militärbefehlshaber sie den deutschen Gerichten zur Aburteilung überlassen.
Artikel IV.
Zwecks Durchführung der Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens müssen alle früheren Mitglieder der Nazipartei, die sich aktiv für deren Tätigkeit eingesetzt haben, und alle anderen Personen, die an den Strafmethoden des Hitlerregimes direkten Anteil hatten, ihres Amtes als Richter und Staatsanwälte enthoben werden und dürfen nicht zu solchen Ämtern zugelassen werden.
Artikel V.
Es wird dem Ermessen des Militärbefehlshabers überlassen, in Ausführung dieses Gesetzes die Zuständigkeitsabgrenzung der deutschen Gerichte schrittweise mit diesem Gesetz in Einklang zu bringen.
Artikel VI.
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Die Militärbefehlshaber der Zonen. sind mit seiner Durchführung beauftragt.
Ausgefertigt in Berlin, den 30. Oktober 1945.
P. Koenig, Armeekorps-General, G. Schukow, Marschall der Sowjetunion, Dwight D. Eisenhower, General der Armee, und Montgomery, Feldmarschall