Offener Brief: Höchste Zeit für einen Kurswechsel

Wir dokumentieren hier den offenen Brief des Bürgermeisters und des Stadtrats von Schneeberg an Robert Habeck.

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

überall klettern die Preise im Eiltempo. Die Inflation begann zwar schon lange vor dem Ukraine-Krieg, aber die Auswirkungen dieses Krieges beschleunigen diese Entwicklung“, erklärte Dr. Michael Meister (CDU/CSU) in einer Debatte des Deutschen Bundestages schon am Donnerstag, 12. Mai 2022, über die Preisentwicklung.

Diese Entwicklung hat sich leider fortgesetzt. Egal ob beim Einkaufen. an der Tankstelle, in Freizeiteinrichtungen. in Restaurants. im Dienstleistungsbereich u. u. u. in nahezu allen Lebensbereichen mussten und müssen wir in den letzten Wochen und Monaten teilweise erhebliche Preissteigerungen verzeichnen.

Industrie und Handwerk belasten steigende Rohstoffpreise und zudem Lieferengpässe. Dies teilweise mit derartigen Auswirkungen, dass vor dieser Entwicklung erarbeitete Preisangebote nicht mehr gehalten werden können. Dies führt hin bis zur Stornierung von Aufträgen;
Bauherren, welche sich privates Wohneigentum schaffen wollen. müssen von ihren Vorhaben abrücken, da diese nicht mehr finanzierbar sind.

Neben der Entwicklung an den Tankstellen ist die Entwicklung der Gas- und Strompreise mehr als bedenklich. Während alle über die steigenden Gaspreise sprechen und der mediale Fokus auf diese gerichtet ist. haben wir mittlerweile eine Verzehnfachung des Strompreises.

Die gesamte Entwicklung gipfelt in der nun beschlossenen Gasumlage, Eine Umlage, die durch alle getragen werden soll.

Diese Entwicklung nimmt für Bürger und Unternehmen mittlerweile bedrohliche Ausmaße an, denn sie wird in unzähligen Fällen dazu führen, dass Privathaushalte und Unternehmen, Handwerks-, Handels- und Dienstleistungsbetriebe diese finanzielle Belastung nicht mehr tragen können. Großvermieter und Energieversorger wie Stadtwerke werden dies als erstes verspüren, wenn Rechnungen nicht beglichen werden.

Es drohen riesige Einnahmeverluste und da es sich hierbei oftmals um kommunale Unternehmen handelt. werden diese Verluste durch die Kommunen abzufedern sein. Dies wird nicht wenige Städte und in eine finanzielle Handlungsunfähigkeit führen.

Darüber hinaus werden es die kleinen und mittleren Betriebe sein, welchen sehenden Auges ebenso unter dieser Energiepreisentwicklung an den Rande Ihrer Existenz gebracht werden, denn diese Betriebe haben durch Corona zum Großteil schon erhebliche Verluste erlitten sowie auf ihre Rücklagen zurückgreifen müssen. Bei diesen Betrieben handelt es sich um den
Mittelstand, welcher schon der Motor der Wirtschaft war. Dieser Mittelstand ist Garant vieler Arbeitsplätze gerade im ländlichen Raum. und dadurch ist er auch Garant für den sozialen Frieden. Durch die Gewerbesteuer sowie das öffentliche Engagement ist er zudem auch das Rückgrat der Städte und Gemeinden.

Das Einzige was dieser Entwicklung entgegengesetzt wird, ist der Aufruf, Energie zu sparen und das Versprechen auf Entlastungspakete, aus Steuermitteln finanziert. Es ist sicherlich nicht falsch. gewohnte Abläufe hin und wieder zu hinterfragen und nach Energieeinsparpotentialen zu suchen bzw. diese auch umzusetzen. Gemessen an der Gesamtsituation sind das Abstellen von Straßenbeleuchtung, das kürzere Duschen, das
Händewaschen mit kaltem Wasser oder das Herunterregulieren der Vorlaunemperatur dort wo es überhaupt ist etc. aber doch eher nur Alibimaßnahmen. deren Effekte binnen kürzester Zeit verfliegen werden.

Das wir eine Energiewende benötigen und diese auch angehen müssen. ist unstrittig. Diese Energiewende bedarf jedoch einer akribischen Vorplanung und man muss zunächst an der Wurzel beginnen. Diese Wurzel liegt in einer Stärkung der Durchleitungs- und Aufnahmekapazitäten der Stromnetze. Aufnahmekapazitäten u. a. in Form von z. B. „power to liquid“ oder „power to gas“ bzw. in Form von weiteren Pumpspeicherkraftwerken. Das nach
bzw. aufzurüsten wird mindestens 10-15 Jahre und länger dauern. Während dieser Zeit wird der Energieverbrauch keineswegs weniger werden. im Gegenteil.

Wenn Sanktionen und Embargos nicht die Wirkung entfalten. welche man beabsichtigt hat und wenn die Auswirkungen dieser Maßnahmen lediglich noch die eigene Bevölkerung und Wirtschaft treffen. dann ist es an der Zeit, Entscheidungen zu hinterfragen und bestenfalls zu revidieren.

Deshalb brauchen wir jetzt dringend einen Kurswechsel. indem wir eingestehen. dass wir mittelfristig noch weiter von Gas und anderen fossilen Energieträgern abhängig bleiben.

Energie muss weiter zu bezahlbaren Preisen unseren Bürgern und der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Das ist notwendig. um den sozialen Frieden nicht zu gefährden und unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Wir betonen. dass dieses Schreiben in keiner Art und Weise einseitig parteipolitisch motiviert ist: es ist überparteilich. Die Stadträtinnen und Stadträte sowie der Bürgermeister bekommen durch ihre zahlreichen Kontakte nahezu täglich das Stimmungsbild aus der Bevölkerung und der heimischen Wirtschaft mit. Deshalb spiegelt der Inhalt dieses Schreibens
die mehrheitlich Stimmungslage wider: es zeigt die Ängste und
Befürchtungen von Privathaushalten sowie auf.

Insofern hoffen wir. dass unser Schreiben auch als Appell und Hilferuf wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ingo Seifert
Bürgermeister