Am 8. November 2019 – dem 80. Jahrestag des Attentats von Georg Elser auf Hitler – stellte ich auf twitter folgende These auf
These:
Hätte Elser #AndiesemTag 1939 Erfolg gehabt, hätte dies die NAZI Herrschaft nicht beendet. Judenverfolgung wäre weiter gegangen, WK2 wäre später gekommen und anders verlaufen, wir würden heute in einem anderen Europa leben mit Verehrung von Hitler als Märtyrer.
Meinungen?
Zwei kritische Antworten auf den tweet veranlassen mich aber dazu, hier kurz Stellung zu beziehen.
Zunächst aber noch zu meiner These:
Die Stimmung im Reich 1939 – und was wäre nach einem erfolgreichen Attentat auf Hitler passiert?
1939 war die Nazi-Diktatur obenauf, der gerade begonnene Krieg konnte dies nicht trüben, auch wenn es – anders als 1914 – zunächst keine Euphorie über den Kriegsbeginn gab. Diese sollte sich erst 1940 nach dem Sieg über Frankreich einstellen. „Man soll nicht vergessen und sich nicht ausreden lassen, daß der Nationalsozialismus eine enthusiastische, funkensprühende Revolution, eine deutsche Volksbewegung mit einer ungeheuren seelischen Investierung von Glauben und Begeisterung war.“ wie Thomas Mann feststellte.
Das Regime jedenfalls war gefestigt, eine Opposition gab es nicht mehr.
Rudolf Heß hatte den Titel „Stellvertreter des Führers“, ob er es nach dessen Ermordung tatsächlich geworden oder wenn ja lange geblieben wäre, ist allerdings fraglich. Wahrscheinlich wäre Göring Hitlers Nachfolger geworden. Hitler wäre nach einem erfolgreichen Attentat von der NS-Propaganda verklärt und mystifiziert worden.
Ansonsten: die Unterdrückung der Juden wäre geblieben, ob es den Holocaust aber in dieser Form und Radikalität gegeben hätte darf angezweifelt werden; es hätte aber auf jeden Fall eine Form der „Endlösung der Judenfrage“ gegeben.
Ebenso fraglich ist auch, ob sich der begonnene Krieg zum zweiten Weltkrieg entwickelt hätte oder nicht doch eher auf Europa begrenzt geblieben wäre und nach überschaubarer Zeit mit einer Neuordnung geendet hätte: ein starkes Deutsches Reich im Zentrum mit Vasallenstaaten im Westen und Süden sowie im Norden ein finnlandisiertes Königreich und ein sowjetisch beherrschter Osten. Eine neue europäische Ordnung, die wahrscheinlich lange gehalten hätte.
So spekulativ dies alles im Detail ist, ist eine Sache klar: zusammengebrochen wäre das NS-Regime bei Erfolg Elsers nicht, wahrscheinlich ganz im Gegenteil. Sein Plan war, anders als der der Verschwörer rund um Stauffenberg, von Vornherein zum Scheitern verurteilt. Allerdings: vielleicht hätte Elser – wenn auch nicht das Große und Ganze – das ein oder andere persönliche Leid verhindert.
Die Kritik an meiner These
Hätte…
Spekulation.
Schlimmster Sorte.
Hitler als Märtyrer? Das tut schon in der Kombination in der Substanz weh.
Niemals.
Wir kennen seit Hilter die Definition des Tyrannenmords. Wenigstens das.
Elser war ein Held.
Möge er in Frieden ruhen.
Dies wurde mir auf diesen tweet geantwortet. Ebenso wie
My 5 Cent: die These & Frage hilft uns nicht in irgendeiner relevanten Form unsere Geschichte besser verstehen, noch hilft sie das Phänomen, des wiederstarken der radikalen Rechte & Faschismus zu erklären. Wenn ich ehrlich bin, Frage ich mich wie man auf die These & Fragte kommt?
Zunächst einmal – mir geht und ging es nicht darum, das Andenken Elsers in irgendeiner Form zu beschädigen. Ganz im Gegenteil. Er gemahnt uns daran, dass man sich gegen das Regime stellen konnte und hätten vorher schon mehr so gedacht wie er, wäre es vielleicht gar nicht zum Dritten Reich gekommen.
Ganz entschieden entgegentreten möchte ich aber der Annahme, dass solche Gedankenexperimente einen nicht weiterbringen. Ganz im Gegenteil: Sie bringen einen dazu, genauer über Geschichte nachzudenken, sich mit den Hintergründen zu beschäftigen.
Und viele Wendepunkte der Geschichte können zu solchen Gedankenspielen anregen – würden wir jetzt noch in der Weimarer Republik leben, wenn Hitler an der Wiener Kunstakademie angenommen worden wäre? Gäbe es die USA, wenn die späteren Gründerväter lieber Wein und Bier als Tee getrunken hätten? Würde das römische Reich noch existieren, wenn die Römer ein einfacheres Zahlensystem gehabt hätten?
Und konkret auf die heutige Zeit bezogen: Die Erkenntnis, dass der Tyrannenmord das Dritte Reich wohl nicht beendet hätte, sollte uns eine weitere Warnung sein, ein solches System nie wieder entstehen zu lassen.
Wer sich für alternative Geschichtsverläufe rund um Nazi-Deutschland interessiert, dem empfehle ich neben „Vaterland“ von Harris und „Wenn das der Führer wüsste“ von Basil insbesondere der „Der 21. Juli“ (von Ditfurth).