Meinung: Ein paar Gedanken und Hintergründe zur Wahl von Javier Miliei zum argentinischen Präsidenten

Wenn wir in Deutschland an Argentinien denken, haben wir vor allem Klischees im Kopf: Tango, Steaks, Fußball und Wein gehören sicherlich dazu. Politisch ist das Land für uns weit weg, auch weil es aktuell keine große Rolle auf der Weltbühne spielt.

Die Wahl von Javier Milei zum neuen Präsidenten im November 2023 sorgt aber dafür, dass wir derzeit auch in der deutschen Presse etwas mehr über das südamerikanische Land lesen.


Bis in die frühen 20er Jahre des 20. Jahrhunderts galt Argentinien übrigens als eines der reichsten Länder der Welt, insbesondere aufgrund seines hohen Pro-Kopf-Einkommens, es zählte zu den Top 10 der weltweiten Wirtschaftsmächte. Diese Position verdankte das Land vor allem seinem boomenden Agrarsektor und dem Export von Rindfleisch und Getreide.

Die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre traf die argentinische Exportwirtschaft jedoch hart. Viele Länder, darunter Großbritannien, Argentiniens wichtigster Handelspartner, führten im Zuge Importbeschränkungen ein, was die Exporteinnahmen Argentiniens erheblich verringerte.

Argentinien stand allerdings zunächst wegen seiner starken Landwirtschaft nicht unter dem Reformdruck wie andere Staaten und war auch nicht unmittelbar der Katastrophe des zweiten Weltkriegs ausgesetzt, so dass es im Gegensatz zu anderen Industrienationen seine Industrialisierung vernachlässigte. Als später versucht wurde, diese voranzutreiben, geschah dies oft durch protektionistische Maßnahmen, die ineffiziente Industrien schützten und zu langfristigen strukturellen Problemen führten. Zudem erlebte das Land zahlreiche Perioden politischer Instabilität, einschließlich mehrerer Militärdiktaturen. Diese politischen Umwälzungen führten zu einer unsteten Wirtschaftspolitik und mangelnder Kontinuität in der Regierungsführung, was das Wirtschaftswachstum beeinträchtigte.

Aus dieser Misere kam das Land nie mehr heraus: Die frühen 2000er waren durch einen Staatsbankrott, eine Abwertung der Währung und hohe Inflation gekennzeichnet, was zu weit verbreiteter Armut und politischer Instabilität führte, die im Grunde bis jetzt anhält.

Über den Weg aus der Krise bestand politisch keine Einigkeit, was sich auch bei den zunächst bei den drei aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten bei der Wahl 2023 wieder spiegelte:

Als eigentlicher Favorit galt zunächst der bisherige Wirtschaftsminister und Kandidat der Regierungsallianz „Unión por la Patria, Sergio Massa. Seine Strategie zur Bewältigung der Wirtschaftskrise wurde als Fortsetzung des aktuellen Status quo angesehen, was von einigen Kritikern als unzureichend betrachtet wurde. Da es jedoch Gruppen gibt – z.B. Rentner – die von einem „weiter so“ profitieren könnten, war er im ersten Wahlgang mit rund 36% der Stimmen erwartet stark​​.

Die rechtsliberale Oppositionskandidatin Patricia Bullrich steht auch für eine traditionellere politische Linie, präsentierte sich aber deutlich reformfreudiger. Sie plante, die differenzierten, künstlich festgesetzten Wechselkurse abzuschaffen, um den Peso zu stärken und die Wirtschaft zu stabilisieren​​. Bullrich war die Drittplatzierte im ersten Wahlgang und sprach sich dann für die Wahl von Javier Milei aus.

Dieser ist sicher der schillerndste Kandidat in der Runde, der von einigen als libertär, anderen als Minarchist  oder – auch von sich selbst – als Anarcho-Kapitalist bezeichnet wird. Deutsche Medien bezeichnen ihn oft als Rechtspopulisten, was einem Libertären wie ihm aber absolut nicht gerecht wird. Er plädiert für radikale Wirtschaftsreformen, darunter die Einführung des US-Dollars als offizielle Währung, die Abschaffung der Zentralbank und die Privatisierung von Unternehmen im öffentlichen Bildungs- und Gesundheitswesen.

So gesehen war die Stichwahl um das Präsidentenamt eine Richtungswahl: Radikale Reformen oder „Weiter So“. Solche Wahlen sind immer Sternstunden der Demokratie und die Argentinier haben sich klar für für die Reformen entschieden: Milei holte fast 56% der Stimmen, für Massa stimmten etwas über 44%.

Durchregieren kann Milei freilich nicht, denn er ist auch auf die beiden Parlamentskammern angewiesen, in denen er keine Mehrheit hat. Und so wird er Kompromisse schließen müssen, was angesichts der Radikalität einiger seiner Ideen nicht das schlechteste sein dürfte.

So könnte es möglich sein, das unbestrittene Potential des Landes zu nutzen:

Argentinien verfügt nach wie vor über reiche landwirtschaftliche Ressourcen, einen bedeutenden Industriesektor und hat große Potentiale für die Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere in den Bereichen Wind- und Solarenergie. Zudem hat Argentinien ein traditionell starkes Bildungssystem mit einer hohen Alphabetisierungsrate und guten Universitäten. Die zusätzlich touristische Attraktivität Argentiniens und eine gerade in diesen Zeiten günstige strategische Lage tun ihr Übrigens.

Auf jeden Fall wünsche ich Milei, aber besonders Argentinien und den Argentiniern, viel Erfolg auf dem gemeinsamen Weg! 

Das Bild oben wurde mit der Midjourney AI erstellt.

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