Gastbeitrag: Zwischen Dyslexie und Gendern: Inklusion, die die Betroffenen vergisst?

Gastbeitrag von Linzgaurider, der selbst von Dyslexie und ADHS betroffen ist und aus seiner Sicht über das Gendern berichtet.

Gendern hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und wird vielerorts als notwendiger Schritt zur Sprachinklusion gesehen. Es soll sicherstellen, dass niemand aufgrund seines Geschlechts übersehen oder überhört wird.

Doch während dieser Bewegung für mehr Geschlechtergerechtigkeit gibt es eine Gruppe, die oft übersehen wird: Menschen mit Dyslexie.

Für sie bringt das Gendern unerwartete und oft herausfordernde Hürden mit sich.

Dieser Artikel beleuchtet den Spagat zwischen Geschlechterinklusion und den Anforderungen, die das Gendern an Menschen mit Lese- und Schreibschwächen stellt.

Wo bleibt die Inklusion für diese Gruppe in der Debatte um gendergerechte Sprache?

Gendern soll eine Brücke schlagen – zwischen Geschlechtern, Identitäten und Diversität. Dabei geht es nicht nur um Worte, sondern um Anerkennung, Sichtbarkeit und Gleichberechtigung. Die Absicht dahinter mag für einige nachvollziehbar sein, insbesondere in einer Gesellschaft, die Inklusion und Gerechtigkeit anstrebt. Doch ist es wirklich gerecht, Anpassungen an der deutschen Sprache vorzunehmen, die nur einen kleinen Teil der Gesellschaft berücksichtigen?

Vor allem, wenn diese Anpassungen Menschen benachteiligen könnten, die bereits mit Lese- und Schreibschwierigkeiten kämpfen?

Es wirkt unverhältnismäßig, wenn diejenigen, die keine Einschränkungen beim Lesen und Erstellen von Texten haben, sozusagen die „Regeln“ ändern, während andere, die bereits mit der bestehenden Sprachstruktur kämpfen, weiter ins Abseits gedrängt werden.

Menschen mit Dyslexie haben oft schon in ihrer Kindheit erfahren, wie es sich anfühlt, nicht richtig in das vorgegebene System zu passen. Ein System, das in vielen Fällen nicht flexibel genug ist, um ihre besonderen Bedürfnisse zu berücksichtigen. Die Einführung des Genderns, mit all seinen zusätzlichen Zeichen und Strukturen, kann für sie eine weitere Ebene der Komplexität hinzufügen, die das Lesen und Schreiben noch herausfordernder macht.

Es ist paradox: Eine Bewegung, die darauf abzielt, inklusiver zu sein, wirkt für eine bestimmte Gruppe nicht nur exklusiv, sondern benachteiligt sie direkt.

Es gibt sicherlich einige Menschen mit Dyslexie, die aus ideologischen Gründen das Gendern unterstützen, doch möglicherweise haben diese Personen die konkreten Auswirkungen und Schwierigkeiten, die es mit sich bringt, noch nicht vollständig realisiert oder erlebt. Für viele Betroffene ist die aktuelle Umsetzung des Genderns eine direkte Benachteiligung.

In der Debatte um das Gendern müssen diejenigen gehört werden, die tatsächliche Benachteiligungen und Schwierigkeiten im Alltag erleben. Die Priorität sollte nicht darauf liegen, Sprache für kurzfristige, subjektive Empfindungen anzupassen, sondern vielmehr darauf, Menschen zu unterstützen, die durch solche Anpassungen weiter benachteiligt werden. Worte wie ‚Lehrer‘ haben eine neutrale Herkunft und Bedeutung, und wer dies als problematisch empfindet, sollte sich eher hinterfragen, anstatt die gesamte Gesellschaft zu drängen, sich anzupassen.

Es ist an der Zeit, die wirklichen Bedürfnisse und Herausforderungen in den Vordergrund zu stellen und nicht vorübergehende Trends oder Ideologien.

Gendern: Zusätzliche Hürde für Menschen mit Dyslexie und Rechtschreibschwächen?

Gendern, das explizite Einbinden geschlechtlicher Vielfalt in der Sprache, stellt aufgrund verschiedener Faktoren eine erweiterte Hürde für viele Menschen mit Dyslexie oder Rechtschreibproblemen dar:

Zusätzliche Zeichen und Strukturen

Viele gängige Formen des Genderns verwenden zusätzliche Zeichen wie Sternchen (z.B. „Student*innen“), Unterstriche („Student_innen“) oder Doppelpunkte („Student:innen“).

Diese zusätzlichen Zeichen können den Lesefluss von Menschen mit Dyslexie stören und die Wörter optisch verlängern, was die Erkennung erschwert.

Veränderte Satzstrukturen

Beim Gendern werden oft beide Geschlechtsformen eines Wortes genannt (z.B. „Studentinnen und Studenten“). Dies verlängert Sätze und kann die Verständlichkeit für Personen mit Dyslexie erschweren.

Neue Wörter und Formen

Menschen mit Rechtschreibschwächen oder Dyslexie haben oft Mühe, sich an neue Wörter oder Schreibformen zu gewöhnen (Arzty). Da das Gendern regelmäßig neue und alternative Schreibweisen einführt, kann dies eine zusätzliche Hürde darstellen.

Komplexität in der Schreibweise

Das korrekte Gendern erfordert eine hohe Aufmerksamkeit für Details und eine konsequente Anwendung bestimmter Schreibweisen.
Für Menschen mit Rechtschreibschwächen kann dies eine zusätzliche Schwierigkeit darstellen, da sie sich bereits mit den grundlegenden Rechtschreibregeln auseinandersetzen müssen.

Kognitive Belastung

Dyslexie betrifft nicht nur das Lesen, sondern kann auch das Schreiben und die Sprachverarbeitung beeinflussen. Das Hinzufügen weiterer grammatischer und stilistischer Anforderungen durch das Gendern kann die kognitive Belastung erhöhen.

ADHS und Gendern: Unbeabsichtigte Hürden in der Sprachverarbeitung?

ADHS, kurz für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung, ist eine neurobiologische Störung, die hauptsächlich durch Symptome wie Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität gekennzeichnet ist.
Bezogen auf das Gendern und Sprachverständnis kann ADHS indirekt Auswirkungen haben, allerdings nicht in dem gleichen Maße oder auf die gleiche Weise wie bei Dyslexie.

Beispiele des Autors, der von beidem betroffen ist:

Konzentration

Menschen mit ADHS können Schwierigkeiten haben, sich auf komplexe oder langwierige Texte zu konzentrieren.

Wenn Texte durch das Gendern komplizierter oder weniger fließend werden, könnte dies ihre Fähigkeit, den Inhalt zu erfassen, zusätzlich beeinträchtigen.

Verarbeitung von Informationen

Das schnelle und häufige Wechseln zwischen Geschlechtsformen oder das ständige Erkennen von Geschlechtsneutrale Formen kann für Menschen mit ADHS, die bereits Probleme mit der Informationsverarbeitung haben, eine zusätzliche kognitive Belastung darstellen.

Impulsivität

Aufgrund ihrer Impulsivität könnten Personen mit ADHS in Diskussionen über Gendern oder geschlechtsspezifische Sprache ohne gründliche Überlegung oder Reflexion reagieren.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Auswirkungen von ADHS sehr individuell sind. Während einige Menschen mit ADHS durch das Gendern beeinträchtigt sein könnten, werden andere keine bemerkenswerten Auswirkungen feststellen.

Es gibt auch keine wissenschaftlich fundierten Studien (ich habe leider keine dazu gefunden) die einen direkten Zusammenhang zwischen Gendern und den Auswirkungen auf Menschen mit ADHS belegen. Das Thema erfordert weitere Forschung und Untersuchung.

Die Frage bleibt: Warum also Rücksicht auf Geschlechtsidentität, aber nicht auf Dyslexie und ADHS?

Hier finden Sie mehr zum Thema Gendern.

Eine Antwort auf „Gastbeitrag: Zwischen Dyslexie und Gendern: Inklusion, die die Betroffenen vergisst?“

  1. Sehr spannender, informativer Artikel! Hier müsste ein Komma nach „Autors“ stehen: „Beispiele des Autors der von beidem betroffen ist“.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.