Gastbeitrag: Ein Bericht von den #b2104 Demos gegen den Bundeslockdown

Gastbeitrag von Manaf Hassan

Ich war heute auf der #b2104-Demo. Ich wollte mir als unabhängiger Mensch ein eigenes Bild machen. Das ist meine Pflicht als Bürger, der über diese Demonstration urteilen möchte. In Zeiten, in denen viele Interessengruppen
Wahrheiten außer Acht lassen, um ihre Meinung durchzudrücken. Ja, es gab wirklich vereinzelt Verirrte und Rechtsextremisten, aber beileibe waren sie nicht annähernd die Mehrheit oder eine Großzahl, wie es ständig dargestellt wird.

Die deutlich überwiegende Mehrheit hat friedlich demonstriert. Gegen das Infektionsschutzgesetz.

Vorweg: Ich lehne jeden Angriff auf Polizisten ab. Ich lehne aber auch übermäßige Härte und willkürliche Angriffe der Polizei ab, um die Auflösung einer Demonstration zu forcieren.

So viele Menschen standen oder saßen einfach nur, haben ihr mitgebrachtes Essen gegessen und hatten wirklich vernünftige Plakate dabei. Oft riefen sie ihre Parolen. Diese Bewegung kommt aus der Mitte des Volkes. Viele Wähler der Linken, Grünen, FDP und Union, aber eben auch aus der AfD. Sie zieht daher auch wenige Extremisten und Verirrte an, die gern mehr Aufmerksamkeit haben und evtl. mehr Menschen für sich gewinnen wollen. Und hier liegt die Verantwortung und Pflicht der Bundesregierung. Sich mit den Sorgen der Menschen auseinanderzusetzen. Sie zu verstehen. Wenn man ihnen nämlich kein Gehör schenkt, dann könnten sie extremer werden, weil sie sich sonst nicht mehr verstanden oder beachtet fühlen.

Aber die Extremisten wirkten wie Fremdkörper. Waren nicht von Massen-Anhängern umgeben, sondern waren einfach als kleine Personengruppe unter den Massen.

Menschen haben das Recht gegen ein solches Infektionsschutzgesetz zu demonstrieren, das verfassungswidrig ist, Grundrechte massiv einschränkt und jegliche Freiheiten nimmt. Es ist aus meiner Sicht überhaupt nicht verhältnismäßig und kaschiert die fehlende Kompetenz der Bundesregierung, die nach 1 Jahr noch immer keine andere Lösungen als Lockdown und Autokratie präsentiert hat. In so vielen Ländern öffnet man. Nur in Deutschland tut sich nichts. Nur negativ.

Wenn ich sehe wie Journalisten verzweifelt abwarten, bis sie das perfekte Bild für ihr vorgeschriebenes Urteil über diese Demonstrationen schießen, und wie Menschen all das blind teilen, dann wird mir schlecht. Das ist kein differenzierter Journalismus. Es werden Szenen einzelner Menschen oder Menschengruppen genommen, ohne Kenntnisse über Hintergründe, und diese werden verallgemeinernd für die gesamte Demonstration beschrieben. Das ist Populismus. Das ist Propaganda. Und das wird diesem Land nur noch mehr schaden.

Die vierte Gewalt dieses Landes ist in vielen Teilen nur noch kritisch gegenüber dem Staat gegenüberstehenden Kritikern und Andersdenkenden.

Das kann nicht Sinn und Zweck in einer Demokratie sein.

M.H.

Der Journalist, Autor, Publizist und angehende Jurist Manaf Hassan kommt aus Berlin. Der Deutsch-Syrer ist u.a. auf twitter aktiv.

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Gastbeitrag: Wer die Wahl hat …

1978 hatte ich zwar noch nicht die Wahl, aber schon das Bedürfnis, mich in den politischen Prozeß einzubringen. Damals fand die Wahl zur Hamburger Bürgerschaft statt und bereits in 1977 – ich war damals zarte 15 Jahre alt – fanden sich tausende zusammen, um eine Wahlalternative auf die Beine zu stellen.

Es war das erste Mal, daß die alternative Wahlbewegung landesweit auftrat und dementsprechend hektisch und unübersichtlich ging sich die Sache an. Die verschiedensten Bürgerinitiativen, Schwulen- und Lesbengruppen, aber auch politische Kleingruppen, versuchten, ein Bein ins Boot zu bekommen. Dankenswerterweise spielte hinter den Kulissen der Kommunistische Bund (KB) eine entscheidende Rolle, der erfreulicherweise die Zeit für eine Revolution noch nicht gekommen sah und zuerst einmal eine demokratische Opposition zu schaffen gedachte. Zu einem solchen Prozeß braucht es vor allem eins: Eine Führung, die verhindert, daß der gärige Teig zerläuft oder Blasen wirft. Wie nun aber macht man aus einem Sammelsurium von Kleinstgruppen eine schlagkräftige, politische Formation? Während die politischen Forderungen in einem Plenum, formal einer Delegiertenkonferenz mit nach Mitgliederzahl gestaffelten Stimmrechten, verhandelt und bestimmt wurden, ebenso die Kandidaten, die letztlich in die Bürgerschaft geschickt werden sollten (nur den Fairness halber seit erwähnt, das gewiß viel hinter den Kulissen entschieden wurde), mußte die formale Struktur dem strengen Wahlrecht nachempfunden werden. Und dies kennt keine Plena sondern nur sehr klare Strukturen, denen schwer nachzukommen ist. Dieses Problem wurde damals kongenial gelöst: Die Wählerinitiative bestand de jure nur aus den etwa 30 Kandidaten, der gesamte Unterbau fand einfach nicht statt. Die Kandidaten erklärten sich als dem demokratischen Prozeß unterworfen und anerkannten die Beschlüsse der Basis. Einfach so.

Was lehrt uns das für die heutige Zeit? Wer mit Blick auf die Bundestagswahl ein Bündnis kleiner, liberaler Gruppen schmieden möchte, der kommt formal an einer Parteistruktur und einem echten Wahlprogramm nicht vorbei, da Listenverbindungen in Deutschland nicht zulässig sind. Daraus folgt nun aber eben nicht, daß jede Kleingruppe verdammt ist, unter der 5%-Hürde zu verrecken. Es liesse sich durchaus ein Weg finden, Voltianer, Humanisten, Piraten oder Tierschützer zusammenzubringen.

Es wäre vielleicht sogar leichter, da es heute viel weniger zusammenzuführende Kräfte gab, als in meiner Jugend. Nur auf die ordnende Hand einer kommunistischen Kadergruppe wird man heute verzichten müssen.

Wenn das keine Chance ist, dann habt ihr es nicht verdient.

Dieser Gastbeitrag wurde von Alexander Virchow verfasst. Auf twitter diskutierte ich mit ihm darüber, wie Kleinstparteien ihre Chancen auf den Einzug in den Bundestag verbessern können; dies ist sein Vorschlag dazu. Er bloggt auch unter alexander.virchow.de; Auf twitter findet man ihn unter @virchow_de.

Was bedeutet der Hashtag #HaltdieFresseBild?

Mit dem Hashtag #HaltdieFresseBild wird auf twitter Unmut über die Bild Zeitung ausgedrückt.

Er trendet immer wieder, wenn kontroverse Artikel der Zeitung veröffentlicht werden, so z.B. am 22. April 2021. Die Bild hat die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes kritisch kommentiert, was vielen twitter Nutzern missfällt.

Zum ersten mal wurde #HaltDieFresseBild übrigens nicht wie oft behauptet von Jasmina Kuhnke, sondern am 10. Oktober 2019 von Dick Assmann verwendet: