Gastbeitrag: Demokratisch-Liberal, Illoyal, Egal – Freiheit und Verfassungstreue nur unter besonderen Umständen.

Gastbeitrag von Manaf Hassan

Der Mietendeckel in Berlin wurde gekippt. CDU und FDP reichten Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein. Der umstrittene Berliner Mietendeckel verstoße laut BVerfG gegen das Grundgesetz und sei daher nichtig. Begründung: Nach Auffassung der Verfassungsrichter hatte das Land Berlin keine Gesetzgebungskompetenz für eigene Regelungen zur Miethöhe, weil der Bund insoweit abschließend von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht habe.

Im Umkehrschluss heißt das nicht – das muss man ehrlich sagen – dass er auf Bundesebene für verfassungsmäßig erklärt werden würde, so wie Grüne und SPD das Urteil nun für Wahlwerbung für die Bundestagswahl 2021 versuchen zu missbrauchen. Denn die Prüfung des Mietendeckels endete bei der Zuständigkeit. Wie es danach weitergegangen wäre, wissen wir nicht.

Ich selbst sehe den Mietendeckel deutlich zwiegespaltener als die Sozialismus vs Kapitalismus-Fraktionen. Die leeren ideologischen Floskeln kann man sich sparen. Sie sind fernab von der Realität, die Bürger dieses Landes mittlerweile durchleben müssen. Es ist doch so, dass man es in Berlin – als Mittelstandsbürger – wirklich sehr schwer hat. Niedrige Löhne, immer höhere Mieten und Wohnungsmangel. Ich mag kein schwarz oder weiß. Die Wahrheit und die Lösungen liegen wie so oft in der Mitte.

Man hätte den Mietendeckel für große Immobilienunternehmen und -Mogule wirklich mal so anpassen können, dass Menschen es wieder deutlich leichter haben, über die Runden zu kommen. Berlin ist seit Jahren im Wachstum. Menschen aus aller Welt, aber auch aus anderen deutschen Städten, strömen nach Berlin. Die Stadt platzt aus allen Nähten. Hohe Mieten sind für neu-zugezogene Menschen oftmals kein Problem, weil sie bspw. in Stuttgart oder in München deutlich mehr verdienen als die Ur-Berliner in Berlin und mit ihrem Umzug sich nicht sonderlich viel ändert. Wenn, dann zum Besseren. Der Berliner wird nach außen gedrängt. Fast schon nach Brandenburg. Gentrifizierung. „Der Markt regelt“ ist Blödsinn. Denn er regelt in diesem Sinne nichts. Er macht die Reichen nur Reicher. Und ärmere bzw. arme Menschen müssen weichen. Warum sollte ein Berliner kein Recht darauf haben in seiner Geburtsstadt aufzuwachsen. Über soziale Mobilität – vom Tellerwäscher zum Millionär – brauchen wir in Deutschland nicht sprechen. Der Aufstieg ist Utopie. Das belegen die Zahlen und Fakten. Die Politiker der CDU und FDP haben damit nur bewiesen, dass sie sich nicht für das Wohl ihrer Bürger einsetzen. Sondern für Lobbyismus und Korruption. Und das ist nun wirklich nichts Neues in diesem Land.

Ich bin aber natürlich auch ein Freund der Freiheit. In diesem Falle Eigentumsfreiheit.

Die Lösung sollte also aus meiner Sicht sein, dass ein angemessener und vorläufiger Mietendeckel eingesetzt wird. Niemand wird dadurch verhungern müssen. Weder Mieter. Schon gar nicht Vermieter. Und unabhängig davon sollte dieser Mietendeckel, wie bereits erwähnt, eher große Immobilienunternehmen und -Mogule treffen, nicht Personen, die ein oder zwei Häuser und/oder Wohnungen vermieten. Die Vorläufigkeit dieses Mietendeckels sollte mit einer angemessenen Frist behaftet sein, bis neue Wohnungen gebaut werden können. Sollte dies nicht passieren, wird der Mietendeckel eben wieder eingepackt. Und dann kann man sagen „der Markt regelt“. Sollte der Markt dann immer noch nicht regeln, also nach dem Bau vieler neuer Wohnungen, dann wäre ich für einen einheitlichen Mietendeckel, auf den sich alle einigen. Mit weiterer Unterscheidung von einzelnen Personen und großen Immobilienunternehmen und -Mogulen.

Das wäre nur fair. Nicht nur für Berlin. Sondern für ganz Deutschland. Dieses Problem gibt es nämlich nicht nur in Berlin. Argumente wie „dann zieh in eine andere Stadt oder auf das Land“ sind naive bzw. ignorante Gedanken, die ich nicht ernst nehmen kann.

Was ich aber sehr amüsant finde, ist die Tatsache, wie FDP und CDU sich verhalten, wenn es um Geld, Lobbyismus bzw. Korruption geht. Wenn es um den Mietendeckel geht, ist Verfassungsmäßigkeit ganz wichtig und wird ganz groß geschrieben. Wenn es aber um unsere Grundrechte während der Corona-Krise geht, dann sind die Grenzen dehnbar und Gerichte umgehbar. Grundrechte werden dann gerne als Privilegien verkauft.

Unabhängig davon hat Merkel mit Harbarth ihren Mann als Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts.

Christian Lindner ist auch das beste Beispiel, wie begrenzt und populistisch einige Liberale ihren Liberalismus verkaufen. Er werde nach Karlsruhe gehen, wenn Ausgangssperren sich durchsetzen. So als wären nicht noch viele andere Dinge seit einem Jahr zu hinterfragen gewesen. Gleichzeitig sprach er sich aber schon mehrfach dafür aus, Geimpften ihre Grundrechte zurückzugeben. Zweiklassengesellschaft. Leute, die sich nicht impfen lassen wollen, sollen also keine Grundrechte haben dürfen. Ist das der Liberalismus den alle feiern ? Mein Grundgedanke von Liberalismus sieht anders aus. Vielleicht sollte Lindner weniger Populismus machen und mehr Liberalismus wagen.

Von der CDU brauchen wir hier gar nicht reden. Diese Partei regierte dieses Land Jahrzehnte. Merkel hat dieses Land während der Pandemie auf den Kopf gestellt. Sie setzt sich ständig über die Demokratie des Landes. Auch jetzt, bei der Durchsetzung ihres Infektionsschutzgesetzes, das kein Zustimmungsgesetz werden soll. Obwohl es sich hier um krasseste Einschränkungen handelt, will sie den Bundesrat außen vor lassen. Weil sie weiß, sie hätte die Mehrheit nicht hinter sich.

Die Menschen, die sich ständig nur an ihre Parteien und Ideologien klammern, wie peinliche Fans, ohne ihren Kopf eigenständig zu nutzen, sollten sich vielleicht mal mehr mit all diesen Themen beschäftigen und Unterschiede und Gemeinsamkeiten sehen. Dann würde es unserem Land deutlich besser gehen.

Aber hey, Hauptsache der Mietendeckel ist verfassungswidrig, nicht wahr ?

M.H.

Der Journalist, Autor, Publizist und angehende Jurist Manaf Hassan kommt aus Berlin. Der Deutsch-Syrer ist u.a. auf twitter aktiv.

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Mein Abendessen: Carpaccio mit Kapern und Parmesan

Carpaccio zählt zu den beliebtesten Vorspeisen überhaupt. Und es gibt unzählige, wie man es zubereiten kann. Diese hier gefällt mir besonders gut:

Dünnst aufgeschnittenes Rinderfilet, Kapern, Parmesan, Pfeffer und etwas Olivenöl. Sehr Basic, sehr wenig Arbeit, sehr gut.