Dokumentiert: Hallstein Doktrin

Die sog. Hallstein Doktrin verfestigte den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik für Deutschland. Sie besagte, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik (DDR) durch Drittstaaten als „unfreundlicher Akt“ gegenüber der Bundesrepublik betrachtet werden müssen. Ziel war es, die DDR außenpolitisch zu isolieren. Die Hallstein-Doktrin wurde von 1955 bis 1969 angewandt.

Benannt war die Doktrin zwar nach Walter Hallstein (CDU), der Staatssekretär im Auswärtigen Amt von 1951 bis 1958 war, doch Hallstein selbst war nicht deren Urheber. Sie geht vielmehr auf eine Formulierung Wilhelm Grewes vom 23. September 1955 zurück, der Völkerrechtler und Leiter der Politischen Abteilung im Außenministerium war. Öffentlich wurde die Doktrin am 11. Dezember 1955 durch ein Interview Grewes mit dem NDR, das wir hier dokumentieren.

Frage:
Ist es richtig, daß auf dieser Botschafter-Konferenz die Politik der Bundesregierung dahingehend definiert worden ist, daß sie die diplomatischen Beziehungen mit jedem Staat abbrechen würde, der etwa Pankow anerkennt?

Antwort:
Man wird zunächst sagen müssen, daß man nicht ganz generell festlegen kann, in welchem Augenblick eine Anerkennung im völkerrechtlichen Sinne vorliegt. Es gibt da eine Reihe von Zwischenstufen, die sowohl in der Staats-Praxis wie im Völkerrecht umstritten sind. Klar ist – und das haben wir oft genug deutlich gemacht -, daß die Intensivierung der Beziehungen mit Pankow von uns als eine unfreundliche Handlung empfunden wird. Auf unfreundliche Akte anderer Staaten kann man mit verschieden gestuften Maßnahmen reagieren, kann entweder seinen Botschafter zunächst einmal zur Berichterstattung zurückberufen, oder man kann auch einen weiteren Abbau einer solchen Mission vornehmen. Kurz, es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die noch vor dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen liegen. Und es ist klar, daß man einen so schwerwiegenden Schritt wie den Abbruch diplomatischer Beziehungen immer nur nach sehr reiflicher Überlegung und in einer sehr ernsten Situation tun wird. Aber soviel ist klar, Daß diese ganze Frage für uns in der Tat eine äußerst ernste Frage ist und daß in dem Augenblick, in dem das Problem der Doppelvertretung Deutschlands bei dritten Staaten auftaucht, wir wahrscheinlich gar nicht anders können, als sehr ernste Konsequenzen daraus zu ziehen.

Frage:
Daß wir jede Anerkennung Pankows als unfreundlichen Akt betrachten würden, haben wir ja auch schon vorher gesagt?

Antwort:
Das ist bereits im Bundestag und bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich genug gesagt worden

Frage:
Nun könnte natürlich jemand einwenden: Warum stellt ihr keine diplomatischen Beziehungen zu Polen, der CSR oder den südosteuropäischen Staaten her, nachdem ihr ja solche mit Moskau eingegangen seid?

Antwort:
Ich begrüße es sehr, daß Sie gerade diese Frage stellen, denn diese nach meinem Gefühl falsche Analogie wird in der Tat immer wieder gezogen. Wenn wir in Moskau die Tatsache hinnehmen, daß in Zukunft dort neben unserem Botschafter auch ein Botschafter des Pankow-Regimes sein wird, so nur deswegen, weil die Sowjetunion in ihren Beziehungen zu uns eben eine ganz besondere Stellung einnimmt. Sie gehört zu den ehemaligen vier Besatzungsmächten. Sie gehört zu denjenigen vier Mächten, die die Spaltung Deutschlands durch die Einteilung Deutschlands in militärische Besatzungszonen herbeigeführt haben und die daher auch allein im Zusammenwirken die Einheit Deutschlands wiederherstellen können. Wenn wir die Beziehungen mit Moskau aufgenommen haben, obgleich solche Beziehungen zur „DDR“ bestehen, so doch nur mit der Maßgabe, die ja auch in dem Notenwechsel mit Moskau ihren Ausdruck gefunden hat, daß diese diplomatischen Beziehungen ein Mittel sein sollen auf dem Wege zur Überwindung der Spaltung und zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands. Dazu können uns aber diplomatische Beziehungen mit Polen, Ungarn, Rumänien und anderen kommunistischen Staaten nicht verhelfen. Das ist der große Unterschied.“

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