Dokumentiert: Der Remigrationsplan für Türken von Helmut Kohl

In einem vertraulichen Gespräch mit Margaret Thatcher erläuterte Helmut Kohl am 28. Oktober 1982 seinen Plan, 50% der in Deutschland lebenden Türken zu remigrieren. Anwesend sind neben Kohl und Thatcher noch deren Vertraute Horst Teltschik und John Coles.

Im wesentlichen führt Kohl aus, dass die türkischen Gastarbeiter große Probleme bei der Integration verursachten und er daher plane, 50% in die Türkei zurückzuschicken. Einmalzahlungen an die Betroffenen und Entwicklungshilfe für die türkische Regierung sollten dies ermöglichen.

Wir dokumentieren hier den entsprechenden Abschnitt aus dem 2013 freigegebenen Dokument PREM19/1036, darin zu finden ab Seite 135.

Englischer Text:

(Die deutsche Übersetzung finden Sie weiter unten)


In three districts of Berlin there were large numbers of Turkish workers. In some of the elementary schools there were many more Turkish than German children. This created enormous problems.

Over the next four years, it would be necessary to reduce the number of Turks in Germany by 50% – but he could not say this publicly yet. He had recently discussed the problem with the Mayor of Frankfurt, a city of 500,000 people who included 160,000 foreigners of whom 140,000 were Turks. There were 16 mosques in Frankfurt. The Prime Minister asked whether Turks had the right of citizenship in Germany and whether most of them had their families in the country or not. Chancellor Kohl said that those questions illustrated the problem. It was not that the Turks were foreigners. Germany had no problems with the Portuguese, the Italians, even the South-East Asians, because these communities integrated well. But the Turks came from a very distinctive culture and did not integrate easily. He instanced the recent case of a 16-year old Turkish girl who was studying at a German school. Her father had arranged her marriage to someone in Turkey. The whole school had protested. This was a clash of two different cultures. Some of the problems arose not with the Turkish workers themselves but with their families. When their children reached school leaving age they oten failed to find employment and took work on the black market.

The Prime Minister asked how the Chancellor proposed to reduce the numbers. Did the Turks have a vote? Chancellor Kohl replied that they did not, though left wing politicians wanted them to have this right. His intention was to seek an agreement with the Turkish Government, as part of which development aid to Turkey could be increased. Turkey was very important strategically to Nato. It was also important to try to influence the reintroduction of democracy in Turkey. The skills which Turks had acquired in Germany could be useful to the Turkish economy. He intended to capitalise the insurance payments which Turkish workers had made and give them a lump sum.

It was impossible for Germany to assimilate the Turks in their present numbers. 50% of them would be a different proposition. Special arrangements would have to be made for the schools. Those who were to be integrated must learn German. It was essential that the extreme right in German politics were not able to exploit this issue. They had tried to in the last Hamburg election but without much success except in some working class areas. The British experience was very different. Over 300 years the United Kingdom had accumulated much knowledge of how to deal with foreigners. In colonial days young Britains had gone out into the world. The German colonial experience had been very much shorter.

The Prime Minister asked whether a particular problem would not arise when the date came to implement European Community policy on the free circulation of Turkish workers. Chancellor Kohl said that this was a very big problem which would have to be discussed. He had mentioned it to President Mitterrand. The French had not yet solved the problem of Algerians living in France. Some 800,000 Algerians now lived there. Germany had integrated some 11 million Germans from East European countries. But they were European and therefore presented no problem.

The Prime Minister said that immigration problems were always more acute during a time of unemployment. When there was plenty of work available, people could more easily be assimilated. The Chancellor commented that the human problem was not solved even then. The Prime Minister agreed. There were over 2 million immigrants in Britain. There were some areas of the country where the police found it very difficult to operate.

Deutsche Übersetzung

In drei Bezirken Berlins gab es eine große Zahl türkischer Arbeiter. In einigen der Grundschulen gab es viel mehr türkische als deutsche Kinder. Dies führte zu enormen Problemen.

In den nächsten vier Jahren müsse die Zahl der Türken in Deutschland um 50 % reduziert werden – aber das könne er noch nicht öffentlich sagen. Kürzlich hatte er das Problem mit dem Bürgermeister von Frankfurt besprochen, einer Stadt mit 500.000 Einwohnern, darunter 160.000 Ausländer, von denen 140.000 Türken waren. In Frankfurt gebe es 16 Moscheen. Der Ministerpräsident fragte, ob die Türken in Deutschland das Recht auf Staatsbürgerschaft hätten und ob die meisten von ihnen ihre Familien im Land hätten oder nicht. Bundeskanzler Kohl sagte, diese Fragen machten das Problem deutlich. Es gehe nicht darum, dass die Türken Ausländer seien. Deutschland habe keine Probleme mit den Portugiesen, den Italienern, sogar mit den Südostasiaten, denn diese Gemeinschaften seien gut integriert. Aber die Türken stammten aus einer ganz eigenen Kultur und ließen sich nicht so leicht integrieren. Er verwies auf den jüngsten Fall eines 16-jährigen türkischen Mädchens, das auf eine deutsche Schule ging. Ihr Vater hatte ihre Heirat mit einem Türken arrangiert. Die ganze Schule hatte protestiert. Hier prallten zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander. Einige Probleme traten nicht bei den türkischen Arbeitnehmern selbst auf, sondern bei ihren Familien. Wenn ihre Kinder das schulpflichtige Alter erreicht hätten, fänden sie oft keine Arbeit und würden auf dem Schwarzmarkt arbeiten.

Der Ministerpräsident fragte, wie der Bundeskanzler die Zahl der Flüchtlinge reduzieren wolle. Hatten die Türken ein Stimmrecht? Bundeskanzler Kohl antwortete, dass sie kein Stimmrecht hätten, auch wenn linke Politiker dieses Recht einfordern würden. Er wolle ein Abkommen mit der türkischen Regierung anstreben, in dessen Rahmen die Entwicklungshilfe für die Türkei erhöht werden könne. Die Türkei sei strategisch sehr wichtig für die Nato. Außerdem sollte versucht werden, die Wiedereinführung der Demokratie in der Türkei zu beeinflussen. Die Fähigkeiten, die Türken in Deutschland erworben hätten, könnten für die türkische Wirtschaft nützlich sein. Er beabsichtige, die von den türkischen Arbeitnehmern geleisteten Versicherungsbeiträge zu kapitalisieren und ihnen einen Pauschalbetrag zukommen zu lassen.

Es sei für Deutschland unmöglich, die Türken in ihrer jetzigen Zahl zu assimilieren. 50 % von ihnen wären eine andere Sache. Für die Schulen müssten besondere Vorkehrungen getroffen werden. Diejenigen, die integriert werden sollen, müssen Deutsch lernen. Es sei wichtig, dass die extreme Rechte in der deutschen Politik dieses Thema nicht ausnutzen könne. Sie hatten es bei der letzten Hamburger Wahl versucht, aber außer in einigen Arbeitervierteln ohne großen Erfolg. Die britische Erfahrung sei ganz anders. In 300 Jahren hätte das Vereinigte Königreich viel Wissen über den Umgang mit Ausländern angesammelt. In der Kolonialzeit waren junge Briten in die Welt hinausgezogen. Die deutsche Kolonialerfahrung sei sehr viel kürzer gewesen.

Der Premierminister fragte, ob sich nicht ein besonderes Problem ergeben werde, wenn die Politik der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf die Freizügigkeit der türkischen Arbeitnehmer umgesetzt werde. Bundeskanzler Kohl sagte, dies sei ein sehr großes Problem, über das man reden müsse. Er habe es gegenüber Präsident Mitterrand angesprochen. Die Franzosen haben das Problem der in Frankreich lebenden Algerier noch nicht gelöst. Derzeit lebten etwa 800.000 Algerier in Frankreich. Deutschland habe etwa 11 Millionen Deutsche aus osteuropäischen Ländern integriert. Aber sie seien Europäer und stellten daher kein Problem dar.

Der Premierminister wies darauf hin, dass die Einwanderungsprobleme in Zeiten der Arbeitslosigkeit immer akuter seien. Wenn es viel Arbeit gebe, könne man die Menschen leichter integrieren. Der Bundeskanzler merkte an, dass das Menschenproblem auch dann nicht gelöst sei. Der Premierminister stimmte dem zu. Es gebe über 2 Millionen Einwanderer in Großbritannien. In einigen Gegenden des Landes sei es für die Polizei sehr schwierig, zu arbeiten.

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