Die Theorie des „Erfundenen Mittelalters“, auch bekannt als Phantomzeit-Hypothese, ist eine pseudowissenschaftliche Idee, die behauptet, dass das Frühmittelalter (614 bis 911 n. Chr.) niemals stattgefunden hat und dass diese Zeitspanne tatsächlich in die Geschichtsbücher eingefügt wurde, entweder durch Unfall oder absichtliche Fälschung. Diese kontroverse und weitgehend diskreditierte Theorie wurde 1991 von dem deutschen Historiker Heribert Illig vorgeschlagen.
Laut Illig basiert seine Theorie auf bestimmten Unstimmigkeiten und Lücken in der historischen Aufzeichnung und der Chronologie des Mittelalters. Er argumentiert, dass Ereignisse, die angeblich in diesem Zeitraum stattfanden, entweder zu anderen Zeiten gehörten oder vollständig erfunden waren. Illig behauptete, dass diese Phantomzeit von dem heiligen römischen Kaiser Otto III., Papst Silvester II. und dem byzantinischen Kaiser Konstantin VII. eingefügt wurde, um das Jahr 1000 AD herbeizuführen und Otto’s Regierungszeit in dieses scheinbar bedeutsame Jahr zu platzieren.
Illigs Theorie beruht hauptsächlich auf seiner Analyse archäologischer und kunsthistorischer Beweise, die, wie er argumentiert, einen Mangel an soliden Beweisen für das Bestehen des Frühmittelalters zeigen. Er weist auch auf die Übernahme des gregorianischen Kalenders hin, der, wie er behauptet, die Notwendigkeit einer Kalenderkorrektur von etwa 300 Jahren aufdeckt, die seiner Theorie entspricht.
Trotz der Faszination, die diese Theorie bei einigen hervorgerufen hat, wird sie von der überwiegenden Mehrheit der Historiker und Wissenschaftler als unhaltbar abgelehnt. Kritiker weisen darauf hin, dass Illigs Argumentation eine Reihe von Fehlern und Missverständnissen aufweist und dass es zahlreiche historische, archäologische und astronomische Beweise gibt, die das Bestehen des Frühmittelalters bestätigen.
Außerdem berücksichtigt Illigs Theorie nicht die umfangreichen historischen Aufzeichnungen aus anderen Teilen der Welt, wie China und der islamischen Welt, die unabhängig von Europa existierten und deren Chronologien klar mit der Existenz des Frühmittelalters übereinstimmen.
Zusammengefasst handelt es sich bei der Theorie des „Erfundenen Mittelalters“ um eine faszinierende, wenn auch sehr umstrittene Idee, die, obwohl sie weitgehend von der wissenschaftlichen Gemeinschaft abgelehnt wird, eine interessante Diskussion über die Natur der Geschichtsschreibung und das Verständnis der Vergangenheit hervorgerufen hat.
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