Gedicht: Kaiser Wilhelms Helm

Anlässlich des missglückten Attentats von Karl Eduard Nobiling auf Wilhelm I. am 2. Juni 1878 dichtete Theodor Fontane:

Das war nicht nobel, Nobiling!
Du nahmst die Sache zu gering.
Man schießt mit ein paar Körnern Schrot
Nicht einen deutschen Kaiser tot!
Du warst kein Held, du warst ein Schelm,
Der Held, der war des Kaisers Helm,
Der stellte sich vor den Doppellauf
Und fing die dreißig Körner auf,
Ihn feiert mein Sang, ihn feiert mein Lied, –
Es lebe der Schroten-Winkelried.

Gedicht: Die Brück‘ am Tay (28. Dezember 1879)

When shall we three meet again?
– Macbeth

„Wann treffen wir drei wieder zusamm?“
„Um die siebente Stund‘, am Brückendamm.“
„Am Mittelpfeiler.“

„Ich lösche die Flamm.“
„Ich mit.“

„Ich komme vom Norden her.“
„Und ich vom Süden.“
„Und ich vom Meer.“

„Hei, das gibt einen Ringelreihn,
Und die Brücke muß in den Grund hinein.“

„Und der Zug, der in die Brücke tritt
Um die siebente Stund‘?“
„Ei, der muß mit.“
„Muß mit.“

„Tand, Tand
Ist das Gebilde von Menschenhand!“

Auf der Norderseite, das Brückenhaus –
Alle Fenster sehen nach Süden aus,
Und die Brücknersleut‘ ohne Rast und Ruh
Und in Bangen sehen nach Süden zu,
Sehen und warten, ob nicht ein Licht
Übers Wasser hin „Ich komme“ spricht,
„Ich komme, trotz Nacht und Sturmesflug,
Ich, der Edinburger Zug.“[165]

Und der Brückner jetzt: „Ich seh‘ einen Schein
Am anderen Ufer. Das muß er sein.
Nun, Mutter, weg mit dem bangen Traum,
Unser Johnie kommt und will seinen Baum,
Und was noch am Baume von Lichtern ist,
Zünd‘ alles an wie zum heiligen Christ,
Der will heuer zweimal mit uns sein, –
Und in elf Minuten ist er herein.“

Und es war der Zug. Am Süderturm
Keucht er vorbei jetzt gegen den Sturm,
Und Johnie spricht: „Die Brücke noch!
Aber was tut es, wir zwingen es doch.
Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,
Die bleiben Sieger in solchem Kampf.
Und wie’s auch rast und ringt und rennt,
Wir kriegen es unter, das Element.

Und unser Stolz ist unsre Brück‘;
Ich lache, denk‘ ich an früher zurück,
An all den Jammer und all die Not
Mit dem elend alten Schifferboot;
Wie manche liebe Christfestnacht
Hab‘ ich im Fährhaus zugebracht
Und sah unsrer Fenster lichten Schein
Und zählte und konnte nicht drüben sein.“

Auf der Norderseite, das Brückenhaus –
Alle Fenster sehen nach Süden aus,
Und die Brücknersleut‘ ohne Rast und Ruh
Und in Bangen sehen nach Süden zu;
Denn wütender wurde der Winde Spiel,
Und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel‘,
Erglüht es in niederschießender Pracht
Überm Wasser unten … Und wieder ist Nacht.

„Wann treffen wir drei wieder zusamm?“
„Um Mitternacht, am Bergeskamm.“
„Auf dem hohen Moor, am Erlenstamm.“

„Ich komme.“
„Ich mit.“
„Ich nenn‘ euch die Zahl.“
„Und ich die Namen.“
„Und ich die Qual.“
„Hei!
Wie Splitter brach das Gebälk entzwei.“

„Tand, Tand
Ist das Gebilde von Menschenhand.“

Theodor Fontane in Hinblick auf das Brückenunglück am Tay am 28. Dezember 1879.

Bild: Von Unbekannt – http://digital.nls.uk/74585172, PD-alt-100, Link

10 Fakten zum 28. Dezember

  1. Heute ist der „Tag der Unschuldigen Kinder“, an dem der – historisch nicht belegten – durch Herodes angeordneten Tötung aller Kinder unter 2 Jahren in Betlehem gedacht wird. Der Tag wurde früher oft groß gefeiert und die Kinder durften den Erwachsenen Streiche spielen. Vereinzelte Bräuche gibt es noch in Bayern und Teilen Österreichs, wo die Kinder die  Erwachsenen mit Ruten „schlagen“ und ihnen Glück und Gesundheit für das kommende Jahr wünschen; dies wird Schappen oder Fetzeln genannt, so dass der Tag in einigen Gegenden Bayerns auch Fetzeltag genannt wird. In Spanien und Lateinamerika wird der „Día de los Santos Inocentes“ noch groß begangen; hier spielt man sich u.a. Streiche wie hierzulande am ersten April.
  2. Im Jahre 856 plündern die Wikinger auf einem ihrer Raubzüge Paris.
  3. Galileo Galilei entdeckt 1612 mit seinem Teleskop den Planeten Neptun, hält diesen aber fälschlich für einen Stern.
  4. Die Brücke über die Firth-of-Tay in Schottland bricht 1879 zusammen, als ein Zug sie überquert. 75 Menschen sterben. Theodor Fontane schreibt später dazu die Ballade „Die Brück‘ am Tay„.
  5. Am 28. Dezember 1895 findet im „Salon Indien du Grand Café“ in Paris die erste Filmvorführung vor zahlendem Publikum statt; dieses Ereignis gilt als die Geburtsstunde des Kinos.
  6. Wilhelm Conrad Röntgen reicht 1895 das erste Papier über die Entdeckung der später nach ihm benannten Röntgen-Strahlen zur Veröffentlichung ein. Das Bild zeigt die am 22. Dezember aufgenommene Hand seiner Frau.
  7. Der FC Hansa Rostock wird 1965 gegründet.
  8. Der Archipel GULAG“ von Alexander Solschenizyn erscheint heute im Jahre 1973 im Pariser Verlag YMCA-Press. Solschenizyn hatte das Manuskript, an dem er von 1958 bis vermutlich 1968 gearbeitet hatte, geheim gehalten. Nachdem es aber vom KGB entdeckt wurde, wies er den Emigranten-Verlag, der über eine Kopie verfügte, an, das Werk zu veröffentlichen. Das Buch erscheint zunächst im russischen Original, wenig später aber auch in vielen anderen westlichen Sprachen.
  9. Carl Remigius Fresenius kommt 1818 auf die Welt.
  10. Woodrow Wilson wird 1856 geboren.

Hier sind mehr Infos rund um den 28. Dezember.

Gedicht: Der 6. November 1632 (Theodor Fontane)

Schwedische Haide, Novembertag,
Der Nebel grau am Boden lag,
Hin über das Steinfeld von Dalarn
Holpert, stolpert ein Räderkarrn.

Ein Räderkarrn, beladen mit Korn;
Lorns Atterdag zieht an der Deichsel vorn,
Niels Rudbeck schiebt. Sie zwingen’s nicht,
Das Gestrüpp wird dichter, Niels aber spricht:

„Busch-Ginster wächst hier über den Steg,
Wir gehn in die Irr’, wir missen den Weg,
Wir haben links und rechts vertauscht, –
Hörst Du wie der Dal-Elf rauscht?“

„Das ist nicht der Dal-Elf, der Dal-Elf ist weit,
Es rauscht nicht vor uns und nicht zur Seit’,
Es lärmt in Lüften, es klingt wie Trab,
Wie Reiter wogt es auf und ab.

„Es ist wie Schlacht, die herwärts dringt,
Wie Kirchenlied es dazwischen klingt,
Ich hör’ in der Rosse wieherndem Trott:
Eine feste Burg ist unser Gott!““

Und kaum gesprochen, da Lärmen und Schrein,
In tiefen Geschwadern bricht es herein,
Es brausen und dröhnen Luft und Erd’,
Voraus ein Reiter auf weißem Pferd.

Signale, Schüsse, Rossegestampf,
Der Nebel wird schwarz wie Pulverdampf,
Wie wilde Jagd so fliegt es vorbei; –
Zitternd ducken sich die Zwei.

Nun ist es vorüber … da wieder mit Macht
Rückwärts wogt die Reiterschlacht,
Und wieder dröhnt und donnert die Erd’
Und wieder voraus das weiße Pferd.

Wie ein Lichtstreif durch den Nebel es blitzt,
Kein Reiter mehr im Sattel sitzt,
Das fliehende Thier es dampft und raucht,
Sein Weiß ist tief in Roth getaucht.

Der Sattel blutig, blutig die Mähn’,
Ganz Schweden hat das Roß gesehn; –
Auf dem Felde von Lützen am selben Tag
Gustav Adolf in seinem Blute lag.

(Theodor Fontane)