Dokumentiert: Der erste Klimaklage tweet von Luisa Neubauer

Hier dokumentieren wir den tweet, mit dem Luisa Neubauer ihre Klimaklage angekündigt hat:

Wir klagen: Gemeinsam mit einigen anderen jungen Menschen werde ich vor dem Bundesverfassungsgericht eine #Klimaklage einreichen.

Morgen um 10 Uhr erklären wir uns zusammen mit @greenpeace_de, @Germanwatch & der @Umwelthilfe bei der Bundespressekonferenz. Bis morgen!✊

Dokumentiert: Verfassungsbeschwerde Neubauer und andere, unterstützt durch Greenpeace e.V. und Germanwatch e.V.

Hier dokumentieren wir die Zusammenfassung der sog. Klimaklage durch Luisa Neubauer und andere, unterstützt durch Greenpeace e.V. und Germanwatch e.V.

Zusammenfassung:

Unzureichendes Schutzniveau des Bundesklimaschutzgesetz und Unterlassender Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar

Die Beschwerdeführer machen geltend, dass einzelne Regelungen des Bundesklimaschutzgesetzes, insbesondere das mit konkreten Emissionsmengen pro Sektor unterlegte Reduktionsziel bis 2030 (55% gegenüber 1990) und die Möglichkeit, sogar selbst diese (unzureichenden) Reduktionen im Ausland erfüllen zu können, sowie das tatsächliche gesetzgeberische Unterlassen (Maßnahmen, die ein ausreichendes Schutzniveau erreichen) mit der herausragenden Schutzfunktion, die insbesondere das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) gegenüber zivilisatorischen Risiken lebensbedrohender Art und zahlenmäßig nicht abschätzbaren Umfangs gewährleistet, nicht vereinbar und deshalb verfassungswidrig ist. Auch die Menschenwürdegarantie aus Art 1 GG ist tangiert weil der Generation der Beschwerdeführer jegliche Handlungsoptionen genommen werden, um sich zu schützen.

Dabei sind die Grundrechte des Grundgesetzes im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention auszulegen – und aus dieser (insbesondere Art 2 und 8 EMRK) folgt ein Anspruch auf Klimaschutz und zwar gegenüber jedem Staat im Umfang „seines“ Anteils zur Verhinderung eines gefährlichen Klimawandels, wie in drei Instanzen die niederländischen Gerichte bereits festgestellt haben (Fall Urgenda). Am 20. Dezember 2019 hat das oberste Gericht der Niederlande die Berufung der niederländischen Regierung abschließend zurückgewiesen. In den Niederlanden müssen nun kurzfristig erhebliche Maßnahmen ergriffen werden, um bis Ende 2020 die niederländischen Treibhausgasemissionen um 25 % gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren.

Die Beschwerdeführer möchten erreichen, dass das Bundesverfassungsgericht letztlich dieselbe Wissenschaft, dieselben rechtlichen Maßstäbe, nämlich Menschenrechte, und dieselben Handlungspflichten anwendet, wie die Gerichte in Niederlanden, lediglich nicht auf den Zeitraum bis 2020 beschränkt.

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10 Fakten zu Artikel 20a Grundgesetz – Staatsziel Schutz der Lebensgrundlagen und Tiere

  1. Artikel 20a Grundgesetz lautet:
    Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
  2. Die Norm wurde zum 15. November 1994 ins Grundgesetz aufgenommen. Dem ging eine lange Diskussion voraus, die schon in den 1970er Jahren begann. Zum 1. August 2002 wurde der Artikel um das Staatsziel Tierschutz ergänzt.
  3. Seit den 1970er Jahren kennen auch viele Landesverfassungen entsprechende Staatsziele. Interessanterweise kommt der Umweltschutz im weitesten Sinne aber sogar schon in der Weimarer Reichsverfassung vor, in deren Artikel 150 es u.a. heißt: „Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates.
    Im übrigen ist aber auch schon vorher durch einzelne Artikel des Grundgesetzes deutlich geworden, dass der Staat der Umwelt nicht gleichgültig gegenübersteht, insbesondere aus den Kompetenzzuordnungen des Art. 74 GG (Pflanzenschutz und Tierschutz; Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung; Naturschutz und Landschaftspflege).
  4. Artikel 20a begründet bewusst kein subjektives „Grundrecht auf Umweltschutz“ und auch keinen unmittelbaren Verfassungsauftrag, jedoch eine Leitlinie, die durch einfache Gesetze ausgestaltet werden muss. Die Ziele Umwelt- und Tierschutz können damit auch gewisse Einschränkungen auf an sich schrankenlose Grundrechte haben.
  5. Interessant ist, dass der Verfassungsgeber die Formulierung „natürliche Lebensgrundlagen“ und nicht einfach „Umwelt“ gewählt hat. Damit kann der Art. 20a so aufgefasst werden, dass damit nur die Lebensgrundlagen des Menschen gemeint sind, was sogar dem grundsätzlichen anthropozentrischen Ansatz unserer Verfassung entspricht. Es ist also durchaus umstritten ob auch die Umwelt, die eben keine Lebensgrundlage des Menschen darstellt, von Art. 20a umfasst wird. Vereinfacht gesagt: Wasser ist zu schützen, aber ist es auch das Edelweiß?
  6. „und die Tiere“ ist erst 2002 ergänzt worden. Dadurch werden keine individuelle Eigenrechte einzelner Tiere begründet. Deren besondere Stellung wird so aber nochmals hervorgehoben. Auf jeden Fall ist klargestellt, dass von der Norm alle Tierarten und nicht nur die, die auch eine Lebensgrundlage für den Menschen bilden – wie z.B. die Honigbiene im Gegensatz zur Katze.
  7. Besonders hingewiesen wird auf die Verantwortung für „künftige Generationen“. Dies unterstreicht, dass Art. 20a eben die Lebensgrundlagen des Menschen schützen soll und dass Ressourcen erhalten werden sollen.
  8. Mit der Verpflichtung zu „schützen“ ist gemeint, dass eben nicht nur „nicht geschädigt“ werden soll, sondern ganz gezielt auch aktive Schutzmaßnahmen ergriffen werden können und sollen.
  9. Verpflichtet zum Schutz wird der Staat, eine unmittelbare Drittwirkung für (nicht staatliche!) Unternehmen und Privatleute entfaltet Art. 20a nicht. Allerdings ist der Gesetzgeber durch Art. 20a gehalten, durch Gesetze Private ggf. zum Schutz der Lebensgrundlagen und Tiere zu verpflichten.
  10. Gerade bei diesem Artikel möchte ich mit einer etwas ausführlicheren kritischen Würdigung schließen. Auch wenn die Aufnahme dieses Staatsziels grundsätzlich positiv zu sehen ist, kann man Art. 20a im Detail durchaus auch negativ sehen. Nach hier vertretener Auffassung hätte das Staatsziel besser in Art. 20 selbst untergebracht werden können. Zudem ist die gesamte Formulierung unglücklich, da sie überflüssige Beschränkungen enthält. So ist es an sich selbstverständlich, dass das Staatsziel „im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“ umzusetzen ist. Diese Einschränkungen könnte man sogar so weit auslegen, dass der gesamte Art. 20a zu einer reinen floskelhaften, augenwischenden Plattitüde ohne echte Wirkung verkäme. Auf das Problem, ob wirklich die gesamte Umwelt Ziel des Schutzes ist, habe ich bereits hingewiesen (siehe oben Punkt 5). Alles in allem halte ich es für wünschenswert, dass der Verfassungsgeber Art. 20a abschafft und Art. 20 Absatz 1 ergänzt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat, der auch dem Schutz der Umwelt verpflichtet ist.