Ist das Stockholm Syndrom eine frauendiskriminierende Erfindung eines misogynen Polizisten?

Florian Hackes Video zum Stockholm Syndrom

Mehr durch Zufall wurde ich auf twitter auf ein Video von Florian Hacke aufmerksam, bei dem dieser das Thema Stockholm Syndrom behandelt. Eingeleitet ist es dort mit den Worten: „Stockholm Syndrom, der misogyne Mythos, den alle glauben“. Da er schon einmal ein sehr gutes Video zum Thema Homöopathie im gleichen Stil veröffentlicht hat, sah ich es mir an und hatte ein komisches Gefühl, ob die Geschichte so stimmt, wie Hacke sie darstellt. Wie ich schon verschiedentlich ausgeführt habe, hinterfrage ich ja alles, was mir seltsam vorkommt, was ich generell im Umgang mit Medien raten kann.

Hackes zentrale Aussage in dem Video ist, dass der Begriff ‚Stockholm Syndrom‘ die Erfindung eines Polizisten sei, um eine Frau zu diskreditieren, die ihn öffentlich kritisiert hatte. „Ist das Stockholm Syndrom eine frauendiskriminierende Erfindung eines misogynen Polizisten?“ weiterlesen

Köpfe: Nils Johan Artur Bejerot

Nils Johan Artur Bejerot (21. September 1921 – 29. November 1988) war ein schwedischer Psychiater und Kriminologe, der vor allem für seine Arbeiten über Drogenmissbrauch und die Prägung des Begriffs Stockholm-Syndrom bekannt ist.

Bejerot war einer der führenden Drogenforscher in Schweden. Seine Auffassung, dass Drogenmissbrauch eine kriminelle Angelegenheit sei und dass Drogenkonsum streng bestraft werden sollte, war in Schweden und in anderen Ländern sehr einflussreich. Er war der Meinung, dass das Heilmittel gegen die Drogensucht darin besteht, die Drogen unzugänglich und gesellschaftlich inakzeptabel zu machen. Er vertrat auch die Auffassung, dass Drogenmissbrauch von einem Symptom zu einer eigenständigen Krankheit werden könnte.

Mehr über ihn finden Sie auf der englischsprachigen Wikipedia.

Bildquelle: By Unknown author – Seriewikin, originally from the tabloid Expressen, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46228612

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Liebes Politik-Tagebuch I: Das merkwürdige Verhalten regierungswilliger Politiker nach der Sondierungszeit

Ich werde jetzt in den nächsten Wochen – bis wir eine Regierung haben – ein Politik-Tagebuch schreiben. Das ist der erste Teil.

Liebes Tagebuch,

die Jamaika Sondierungen sind gescheitert. Und auch wenn Bundespräsident Steinmeier Neuwahlen verhindern will und die Parteien aufgefordert hat, noch einmal miteinander zu sprechen, wird es auf Neuwahlen hinauslaufen, da Merkel eine Minderheitsregierung ablehnt.

Aber wie stehen die Parteien jetzt da? Wie positionieren sie sich? Mit welchem tendenziellen Ergebnis ist nach dem Stand der Dinge zu rechnen?

Die CDU – haben wir schon immer so gemacht

Die CDU/CSU Fraktion hat die Ankündigung der Parteivorsitzenden, dass sie im Falle einer Neuwahl erneut als Kanzlerkandidatin antreten wird, mit tosendem Beifall begrüßt!
(Volker Kauder)

Einmal abgesehen davon, dass sich dieser Satz fast schon anhört wie aus dem Pilotbüro der DDR zeigt er das gesamte Dilemma der CDU/CSU

  • eine Alternative zu Angela Merkel hat die Union nicht
  • eine kritische Aufarbeitung der Wahlniederlage – und das war es mit einem 8,6%-Punkten Minus – wird es in der Union nicht geben
  • dass Merkel mit ihrem Mangel an Gestaltungskraft und Standpunkten das Scheitern der Jamaika Sondierung zu großen Teilen zu verantworten hat, wird ausgeblendet.

Es mag sogar sein, dass die geschäftsführende Kanzlerin und mit ihr die Unionsparteien kämpferischer und geschlossener in den wohl kommenden Wahlkampf ziehen werden, als bei der Wahl im September. Fraglich bleibt, ob und inwieweit sie damit aber die Wähler überzeugen kann, insbesondere, da sie einen Schwarz/Grünen Kurs fahren wird. Im Westen Deutschlands könnte dies gelingen, im Osten wird es für die Union nicht einfacher.

Prognose: Die CDU hält das Ergebnis mit kleinen Gewinnen oder Verlusten.

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Dokumentiert: The six day war in Stockholm von Dr. Nils Bejerot

Hier dokumentieren wir den Beitrag des Psychologen Dr. Nils Bejerot zu seinem Einsatz bei der Geiselnahme am Norrmalmstorg in Stockholm vom 23. bis 28. August 1973. In der Folge gab der Psychiater Nils Bejerot einer Überlebensstrategie der Geiseln den Namen „Stockholm-Syndrom“.

The six day war in Stockholm

by Dr Nils Bejerot, professor of social medicine, Karolinska Institute, Stockholm

The use of gas in the Swedish bank drama last August was widely criticised. Here a consultant psychiatrist to the police, who was in the bank throughout the affair, gives his explanation of the strategy adopted.

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Die Aktion Spindy, Klaus Pflieger – und noch einiges mehr

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„Die Aktion Spindy“ – was sich vom Titel her wie ein Kinderabenteuer anhört, ist viel mehr: es geht um die Schleyer Entführung. Dieser wurde von seinen Entführern mit dem Spitznamen „Spindy“ bedacht, da er oft in einem Spind eingesperrt war.

Ich darf zu dem Buch aus dem Klappentext zitieren:

Die Darstellung der Schleyer-Entführung ist das Ergebnis jahrelanger Ermittlungen des Autors. Klaus Pflieger war als Oberstaatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft. U.a. Anklageverfasser gegen Peter-Jürgen Boock, Koordinator der Anklage gegen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar, vernahm 1990 den ersten aussagewilligen Aussteiger der RAF (Werner Lotze) und war dann auch Vernehmender bei der „Lebensbeichte“ von Boock vom März bis Mai 1992. Seine Darstellung der Aktion „Spindy“ (wie Schleyer von seinen Entführern genannt wurde) basiert in erster Linie auf den Angaben und Erläuterungen von Tatbeteiligten und den polizeilichen Fahndungsergebnissen.

Für jeden, den die Geschichte der RAF interessiert, ist dieses Buch hochspannende Lektüre. Leider ist derzeit keine aktuelle Auflage verfügbar, hin und wieder findet man aber noch gebrauchte Exemplare:

Die Aktion ‚Spindy‘alt

In manchen Punkten ist das 1996 erschienene Buch daher auch nicht mehr aktuell (so hat sich die RAF 1998 aufgelöst) – die tiefen Einblicke und die Schilderung des ambivalenten Verhältnisses zwischen Schleyer und seinen Entführern, Stichwort Stockholm Syndrom, machen das aber mehr als wett.

Zur Schleyer Entführung habe ich ein ambivalentes Verhältnis, da man durchaus sagen könnte, dass es „den richtigen“ getroffen hat. Denn Schleyer war schon früh überzeugter Nazi: 1931 Hitlerjugend, 1933 SS. 1935 trat er unter viel Gewese aus seiner Studentenverbindung aus, als dieses sich weigerte, jüdische Altherren auszuschließen – er warf ihr „mangelnde nationalsozialistische Gesinnung“ vor. Später machte er im Dritten Reich Karriere: Im „Zentralverband der Industrie für Böhmen und Mähren“ war er Leiter des Präsidialbüros und persönlicher Sekretär des Präsidenten. Der Verband war für die „Arisierung“ der tschechischen Wirtschaft und die Beschaffung von Zwangsarbeitern für das Deutsche Reich zuständig. Nach dem Krieg machte Schleyer rasch Karriere in der Bundesrepublik. Zum Zeitpunkt seiner Entführung war er Vorstand der Daimler Benz AG und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Als Schleyer anlässlich seiner Ernennung zum BDI-Präsidenten gefragt wurde, wie er zu seiner SS-Vergangenheit stehe, sagte er öffentlich im Fernsehen, dass er stolz darauf sei. So war er aus RAF Sicht das perfekte Opfer. Doch bei aller Kritik an der Person Schleyer will und kann ich seine Entführung und Ermordung durch die RAF freilich nicht gutheißen.

Mit der Schleyer Entführung und der Familie verbinde ich zudem noch drei recht persönliche Erlebnisse:

Zum einen ist das Bild von Schleyer als „Gefangener der RAF“ eine meiner ersten „Medien-Erinnerungen“.

Kurz darauf portraitierte meine Mutter die Kinder eines Schleyer Sohns – und bevor diese vorbei kamen, wurde uns eingebleut, ja alle Spielzeugpistolen zu verstecken, schließlich sei der Großvater gerade erst getötet worden. Die Geschichte endete so, dass die Schleyer Enkel mit ihren mitgebrachten Spielwaffen fast alle unsere Goldfische umbrachten…

Und zu Beginn des neuen Jahrtausends hatte ich mit dem Schleyer Sohn Hanns-Eberhard beruflich im Rahmen des damaligen Projekts handwerk.de zu tun… die Zusammenarbeit mit dem ZDH verlief so „gut“, dass ich eines Tages zusammen mit anderen vom ZDH geprellten Herren in der Redaktion des „Der Spiegel“ saß und mit meinen Informationen die Grundlagen zum Artikel „Handwerk: Finanzielle Grenzerfahrung“ legte. Lieber Christoph von Hammerstein, Sie müssen also nicht länger rätseln, woher „Der Spiegel“ das alles wusste – do ut des.