Nulltoleranz gegen Intoleranz – oder: warum jetzt.de manchmal so doof ist wie die NPD und die CSU auch mal Recht hat

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Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise fuhr ich mit einem Taxi.

Und wie immer frage ich den Taxi Fahrer aus. Wie sich herausstellte ist er Syrer. Seit über 10 Jahren hier. Mit Frau und zwei Kindern. In Syrien war er Arzt. Er kam damals nach Deutschland in der Hoffnung, dass seine Kinder in einer liberalen, aufgeklärten Gesellschaft aufwachsen, in der Religion Privatsache ist. Dafür hat er auch die ganze Zeit in Kauf genommen, dass er nicht als Arzt arbeiten konnte, sondern sich mit Taxifahrten und anderen Gelegenheitsjobs über Wasser halten musste. Wirtschaftlich ging es ihm in Syrien vergleichsweise besser. Das ist ihm egal, denn seine beiden Kinder sind inzwischen auf einem Gymnasium hier in Bonn und schreiben gute Noten, sind voll integriert. Inzwischen mache er sich aber Sorgen, ob diese Gesellschaft so offen bleibe. O-Ton: „Frau Merkel hat die Islamisten eingeladen.“

Einige Wochen später berichtet ein Taxifahrer – Iraner, auch schon viele Jahre hier und auch weltoffen – dass sein Sohn (14) auf einmal von neuen muslimischen Mitschülern angefeindet würde, da dieser auf dem Pausenbrot Salami habe. Die könne ja vom Schwein sein. Es gab Schläge. Er bedauert: „Ich bin genau deswegen aus dem Iran geflohen, weil ich das nicht wollte.“ Und auch er sagt: „Sie lassen die falschen herein und kuschen vor Ihnen“.

Ich könnte jetzt noch einige weitere ähnliche Begegnungen mit muslimischen Taxifahrern schildern, die aufgrund des Islam aus islamischen Ländern geflohen sind. Ich könnte jetzt über die Übergriffe muslimischer Flüchtlinge gegenüber christlichen Flüchtlingen schreiben. Über den importierten arabischen Antisemitismus. Über die Scharia Polizei. Köln-Silvester.

Wer jetzt sagt, ich sei ein platter Rassist. Nö. Bin ich nicht. Denn genau so könnte ich über Nazis schreiben, die Flüchtlingsheime in Brand setzen. Über Rentner, die pauschal gegen alle Fremden hetzen. Über deutschen Antisemitismus. Deutsche, die sich geweigert haben, sich von dunkelhäutigen Taxifahrern befördern zu lassen.

Mir ist wichtig, dass wir uns die liberale und offene Gesellschaft erhalten, die meine Eltern für uns hart erkämpft haben.

Und dass geht eben nur mit Nulltoleranz gegen Intoleranz. Egal von welcher Seite.

Meinung: Der Islam und Deutschland – mein ratloses Fazit

Meine persönliche Islam Frage

Seit kurzer Zeit beschäftige ich mich intensiver mit dem Islam und insbesondere mit dem Islam in Deutschland. Ich habe dazu viel gelesen, unter anderem auch im Koran selbst. Ich habe mit muslimischen Freunden gesprochen, mit erklärten Gegnern des Islam diskutiert, auf twitter und facebook in den einschlägigen Milieus recherchiert.

Dabei wollte ich Antworten auf einige Fragen finden. Ist der Islam ein Teil Deutschlands? Was ist der Islam eigentlich? Sind wir zu wenig tolerant? Sind wir zu blauäugig? Was hat zu Gruppierungen wie IS geführt?

Vorab sollten Sie wissen – der folgende Text ist aus dem Jahr 2014. Dementsprechend knüpft er an damals aktuelle Entwicklungen an und setzt andere Schwerpunkte, als man das heute vielleicht tun würde. Aktuelle Anmerkungen finden sich daher am Ende.

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Lieber Jakob Augstein,

…in Ihrer Kolumne erregten Sie sich über die Aufregung rund um die Wuppertaler Scharia Polizei. Eigentlich wollte ich dazu etwas kritisches schreiben, bin aber bislang nicht dazu gekommen. Muss ich an sich auch nicht mehr, denn die Journalistin Sounia Siahi, selbst Muslima, hat Ihnen geantwortet.

Sie selbst wurde von der Scharia Polizei, Sektion Düsseldorf, angesprochen: „Schwester, worauf wartest du? Warum trägst du kein Kopftuch? Du bist doch auch Muslimin. Schämst du dich nicht so herumzulaufen?“.  Zu recht fordert sie: „ich will mich hier in meinem deutschen Zuhause nicht wie in einem arabischen Land bewegen müssen.“

Sie antworten Ihr dann direkt, nachzulesen unter obigem Link. Freilich antworten sie eigentlich nicht, denn Sie möchten „nicht, dass wir alle gezwungen werden können, Seiten zu beziehen“. Letztlich geben Sie auch zu: „Was ist die Lösung? Ich weiß es nicht.“

Und Sie haben ja auch recht, wenn Sie schreiben, dass man nicht zu allem eine Meinung haben muss.

Es gibt aber Bereiche, bei denen sollte man eine Meinung haben. Jedenfalls dann, wenn es um fundamentale Werte unseres Gemeinwesens geht – hier die Freiheit.

Da gibt es die von Ihnen angesprochene Freiheit, sich „in Kirchen, Parteien, Vereinen…freiwillig irgendwelchen Regeln, für die der Staat nicht zuständig ist,… zu unterwerfen“. Genau so wichtig ist aber die Freiheit, sich solchen Regeln nicht unterwerfen zu müssen. Das ist die Freiheit, die Sounia Siahi zu Recht für sich fordert.

Sie mögen die Wuppertaler Scharia Polizei für einen Einzelfall haben. Als Mitglied der „autochthonen, hauptsächlich weißen, bürgerlichen“ Bevölkerungsgruppe sind sie mit solchen Erfahrungen sicher auch nicht konfrontiert. Aber wenn Sie sich in den einschlägigen Vierteln bewegen, treffen Sie auf ziemlich viel Scharia Polizei. Auch wenn die sich nicht so nennt und ohne Uniformen auftritt.

Ich will nicht, dass durch solche Gruppen die Freiheit derer angegriffen wird, die sich diesen Regeln nicht unterwerfen wollen.

Jeder Mensch soll sich in diesem Land ohne Angst bewegen und im Rahmen der Gesetze betätigen können. Ganz gleich, ob er Christ, Jude, Moslem, Jeside, Buddhist oder Atheist ist. Ganz gleich, ob er lange oder kurze Hosen, Mönchskutte, Kippa, Minirock, Kopftuch, Salafistenbart, Glatze oder Turban trägt. Und erst recht unabhängig davon, welche Hautfarbe er hat.

Und für dieses Recht sollte man einstehen.

Mit besten Grüßen,

Ihr Severin Tatarczyk