Der Einstein-Szilard-Brief ist ein von Leo Szilard geschriebener und von Albert Einstein unterzeichneter Brief, der am 2. August 1939 an US-Präsident Franklin D. Roosevelt geschickt wurde.
In dem von Szilard in Absprache mit den ungarischen Physikerkollegen Edward Teller und Eugene Wigner verfassten Brief wurde davor gewarnt, dass Deutschland Atombomben entwickeln könnte, und vorgeschlagen, dass die Vereinigten Staaten ihr eigenes Atomprogramm starten sollten.
Der Brief veranlasste Roosevelt – mit einiger Verzögerung – zum Handeln, was schließlich zum Manhattan-Projekt, zur Entwicklung der ersten Atombomben und zum Einsatz dieser Bomben auf die Städte Hiroshima und Nagasaki führte.
Sir:
Einige neuere Arbeiten von E. Fermi und L. Szilard, die mir in Manuskriptform mitgeteilt wurden, lassen mich erwarten, dass das Element Uran in unmittelbarer Zukunft zu einer neuen und wichtigen Energiequelle werden kann. Bestimmte Aspekte der dadurch entstandenen Situation scheinen Wachsamkeit und, falls nötig, schnelles Handeln seitens der Regierung zu erfordern. Ich halte es daher für meine Pflicht, Ihnen die folgenden Fakten und Empfehlungen zur Kenntnis zu bringen.
Im Laufe der letzten vier Monate wurde durch die Arbeiten von Joliot in Frankreich sowie von Fermi und Szilard in Amerika wahrscheinlich gemacht, dass es möglich sein könnte, in einer großen Masse Uran eine nukleare Kettenreaktion in Gang zu setzen, durch die gewaltige Mengen an Energie und große Mengen an neuen radiumähnlichen Elementen erzeugt würden. Mittlerweile scheint es fast sicher zu sein, dass dies in naher Zukunft erreicht werden könnte.
Dieses neue Phänomen würde auch zum Bau von Bomben führen, und es ist denkbar – wenn auch weit weniger sicher -, dass auf diese Weise extrem starke Bomben gebaut werden können. Eine einzige Bombe dieser Art, die auf einem Schiff transportiert und in einem Hafen zur Explosion gebracht würde, könnte sehr wohl den gesamten Hafen und einen Teil des umliegenden Gebiets zerstören. Für den Transport auf dem Luftweg könnten sich solche Bomben jedoch als zu schwer erweisen.
Die Vereinigten Staaten verfügen nur über sehr schlechte Uranerze in mäßigen Mengen. Es gibt einige gute Erze in Kanada und in der ehemaligen Tschechoslowakei, während sich die wichtigste Uranquelle in Belgisch-Kongo befindet.
Angesichts dieser Situation halten Sie es vielleicht für wünschenswert, dass ein ständiger Kontakt zwischen der Regierung und der Gruppe von Physikern, die in Amerika an Kettenreaktionen arbeiten, aufrechterhalten wird. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, könnte darin bestehen, dass Sie diese Aufgabe einer Person übertragen, die Ihr Vertrauen genießt und die vielleicht inoffiziell tätig sein könnte. Ihre Aufgabe könnte Folgendes umfassen:
a) an die Regierungsstellen heranzutreten, sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden zu halten und Empfehlungen für das Handeln der Regierung auszusprechen, wobei sie dem Problem, die Versorgung der Vereinigten Staaten mit Uranerz sicherzustellen, besondere Aufmerksamkeit widmet.
b) die experimentellen Arbeiten zu beschleunigen, die derzeit im Rahmen der Budgets der Universitätslaboratorien durchgeführt werden, indem sie durch ihre Kontakte zu Privatpersonen, die bereit sind, für diesen Zweck zu spenden, und vielleicht auch durch die Zusammenarbeit mit Industrielaboratorien, die über die erforderliche Ausrüstung verfügen, Geldmittel bereitstellt, falls solche Mittel erforderlich sind.
Soweit ich weiß, hat Deutschland den Verkauf von Uran aus den tschechoslowakischen Minen, die es übernommen hat, bereits gestoppt. Dass es so frühzeitig gehandelt hat, ist vielleicht dadurch zu erklären, dass der Sohn des deutschen Staatssekretärs von Weizsäcker, dem Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin angehört, wo einige der amerikanischen Arbeiten über Uran derzeit wiederholt werden.
Hochachtungsvoll
A. Einstein