Meinung: Glassholes

Es gehört inzwischen schon so sehr zum guten Ton, Google Glass Nutzer als Glassholes zu bezeichnen, dass man schon fast gar nicht mehr weiß, wie man sie anders nennen soll. Kein Wunder, geistern doch die wildesten Gerüchte über die Google Datenbrille durchs Netz:

Sie erlaubt es ihrem Träger, Dich heimlich zu fotografieren und seine Umgebung dauernd zu filmen. Die ganzen gesammelten Informationen werden dann gleich heimlich an Google und/oder die NSA weitergegeben, wo dann… Alles Quatsch.

Mal ganz abgesehen davon, dass die Bildqualität der Glass-Kamera ziemlich bescheiden ist – wenn man damit fotografiert, leuchten die Gläser auf, so dass das Gegenüber das Fotografieren auch direkt mitbekommt. Heimlich ist also nicht, da greift man besser zur Minikamera im Knopfloch. Und auch fürs Dauerfilmen ist Glass nicht geeignet, allein schon wegen des Akkus. So viele Daten können also gar nicht in die Hände von wem auch immer fallen – jedenfalls deutlich weniger, als man mit einem normalen Smartphone heutzutage produzieren kann und in der Regel jeder normale User auch produziert.

Soweit die Fakten, sachlich gesehen also alles kein Problem. Sascha Pallenberg regt sich dann auch ziemlich über die Glass Kritiker auf, die er als apokalyptische Traumtaenzer abtut. Soweit deren Kritik auf falschen Grundannahmen beruht, hat er damit ja auch Recht. Sachlicher geht Ricarda Riechert an das Thema heran und stellt treffend fest, dass Überwachung nicht durch Google Glass kommt, sondern schon lange da ist. Stimmt alles.

Allerdings – würde mein Gegenüber Google Glass tragen, würde ich es bitten, die Brille abzunehmen. Obwohl ich weiß, dass unbemerkt keine Bilder von mir gemacht werden können. Interessanterweise hätte ich kein so großes Problem damit, wenn mein Gesprächspartner eine Helmkamera tragen würde – obwohl ich mit der viel besser und länger gefilmt werden könnte. Völlig normal ist, dass viele Mitmenschen inzwischen ihre Smartphones fast jederzeit in der Hand halten und sofort ein Foto von mir machen könnten.

Das Problem, das ich mit Google Glass habe, ist ein ganz anderes.

Wenn ich mich mit jemanden unterhalte, schaue ich ihm in die Augen. Beim Glasshole ist unmittelbar neben seinen Augen ein drittes Auge. Ein technisches Auge, das mich permanent anzustarren scheint. Und das Gefühl mag ich nicht. Das Glass Problem ist also irgendwo ein psychologisches. Vielleicht bin ich mit diesem Gefühl zu altmodisch oder zu empfindlich, aber sicher nicht der einzige, dem es so geht. Ich glaube sogar, dass dieses diffuse Gefühl der Hauptgrund ist, der vorerst verhindern wird, dass wir im Alltag viele Datenbrillen sehen werden. Google hat das glaube ich auch schon erkannt.

Das soll aber nicht heißen, dass sich Glass und seine Nachfolger und Wettbewerber nicht in anderen Bereichen durchsetzen werden. Bei Polizei, Militär und Bodyguards – eben Personen, die in vielen Situationen gar keine Zeit oder Hand frei haben, um Informationen von einem herkömmlichen Gadget abrufen zu können. Bei Chirurgen, die beide Hände zum operieren brauchen. Bombenentschärfer. Chemiker. Feinmechaniker. Uhrmacher. Menschen mit Handicapp.

Vielleicht gewöhnen wir uns über darüber langsam an Glass und finden es nicht ungewöhnlich, wenn uns Jogger oder Radfahrer damit entgegenkommen, die es zur Navigation und zur Kontrolle ihres Tempos und Pulsschlags nutzen.

Und wenn dann noch die Kamera unauffälliger wird, muss mein Gegenüber sein Glass auch nicht mehr abnehmen.

Meine 10 Technikprognosen für 2014

1. Die „unter 100 Euro“ Smartphones kommen

See the FutureKlar, es gab schon immer Smartphones, deren Straßenpreis ohne Vertrag weniger als 100 Euro beträgt. Nur waren diese von wenigen Ausnahmen – wie z.B. dem Nokia Lumia 520 – nicht wirklich brauchbar, zu schlecht waren Displays und Performance. 2014 werden wir Android-Smartphones für weniger als 100 Euro sehen, die im Alltagseinsatz überzeugen. Asus prescht hier mit dem ZenFone 4 vor.

2. Smartphones werden auch wieder kleiner

Wer 2013 ein High-End Smartphone mit Android oder Windows Phone kaufen wollte, kam an der >4,5″ Klasse eigentlich nicht vorbei. Kleinere Display Größen hießen auch gleich weniger Leistung. Das wird sich 2014 ändern. Sony machte es jetzt mit dem Xperia Z1 Compact vor, das die gleiche Leistung wie das große Z1 im 4,3″ Formfaktor bietet. Die meisten anderen Hersteller werden gleichziehen und ebenfalls kleinere Varianten Ihrer Flaggschiffe auf den Markt bringen.

3. Smartphone Kameras leisten immer mehr

Ja, dass Smartphones Kameras immer besser werden, ist an sich ein alter Hut. Die meisten Hersteller haben bisher aber nur die Pixelzahlen hochgeschraubt, was aber nicht unbedingt zu besseren Bildern führt. Nokia ist hier Vorreiter: Das Lumia 920 brachte optische Bildstabilisierung (OIS) und das Lumia 1020 ermöglicht dank 41 Megapixel verlustfreien Zoom. HTC setzt beim HTC One auf „Ultrapixel“, die besonders rauscharme Bilder liefern soll. 2014 werden wir OIS als Standard bei High-End Smartphones sehen – und viele weitere Kameratechnologien, z.B. das nachträgliche Fokussieren (Refokus) von Bildern.

4. Der Auflösungsirrsin geht weiter

Nicht alle technischen Entwicklungen sind sinnvoll – dazu zähle ich den Auflösungsirrsin bei Smartphones. Bei den gängigen Display Größen braucht an sich kein Mensch mehr als 720p (z.B. 1280*720). Inzwischen ist bei den Topmodellen Full HD 1080p Standard – zu Lasten der Akkulebensdauer und der Perfomance. Mehr bringt (derzeit) keine Vorteile. Wetten, dass Samsung das Galaxy S5 im Frühjahr mit 2560*1440 Pixeln bringen wird? Was bei großen Screens, Notebooks und Tablets noch Sinn macht, bringt nichts auf dem 5″ Display.

5. Windows Phone etabliert sich endgültiges als drittes mobiles Ökosystem

Lag Windows Phone vor einem Jahr nur knapp über der Wahrnehmungsgrenze, konnte es 2013 in vielen wichtigen Märkten Erfolge erzielen. Besonders in Italien und Großbritannien, aber auch in Mittel- und Südamerika sowie einigen asiatischen Staaten ist es ein echter Faktor. Auch hier in Deutschland lag es zuletzt bei mehr als 5% bei den Neuverkäufen. Wenn 2014 die Smartphone Sparte von Nokia zu Microsoft gehört, werden auch die Verkäufe in den USA anziehen und sich Windows Phone endgültig als drittes mobiles Ökosystem etablieren.

6. Windows Tablets erobern Marktanteile – aber nicht mit RT

Auch wenn billige Android Tablets und das iPad den Markt weiter beherrschen werden, werden 2014 Windows Tablets endlich nennenswerte Marktanteile erobern. Verantwortlich dafür werden günstige 8″ und 10″ Modelle, die mit Windows 8.1 (nicht RT 8.1.) sein. Unterwegs und auf der Couch nutzt man sie als Tablets mit Modern UI, auf dem Schreibtisch dockt man sie an und hat den normalen Windows Desktop mit Office und Co. Windows RT scheitert aber wohl und wird in Windows Phone in einem neuen Windows für Smartphones, Phablets, kleine Tablets und andere kleine Geräte aufgehen.

7. Windows/Android Hybride kommen – und gehen

Auf der CES waren sie ein großes Thema – Tablets, Notebooks und andere Bauformen, die sowohl mit Android als auch mit Windows laufen. Für die meisten User ergeben sich bei Lichte betrachtet aber keine Vorteile und so werden diese Hybriden nach einem kurzen Strohfeuer wieder in der Nische verschwinden.

8. Die Smartwatch kommt und andere Wearables haben es schwer

Ja, sie werden sich durchsetzen, Smartwatches. Fast alle Deutschen tragen ohnehin eine Uhr. Warum dann nicht auch eine, die mehr kann? Das Gerätespektrum wird breit sein. Von „Stand alone Smartwatches“, die eigentlich um den Arm gewickelte Smartphones sind bis hin zu simplen Uhren, die nicht viel mehr können als neue Benachrichtigungen vom Phone anzuzeigen. Besonders auch Fitness-Funktionen (Schrittzähler, Pulsmesser…) werden bei den Uhren im Vordergrund stehen. Andere Wearables werden es 2014 hingegen schwer haben, insbesondere Datenbrillen wie Google Glass sind einerseits noch nicht ausgereift (Akkulebensdauer, sinnvolle Anwendungen), andererseits gesellschaftlich noch nicht akzeptiert („Glassholes“).

9. Der 3D Druck kommt immer noch nicht im Mainstream an

Auch wenn es fast jeder Experte prognostiziert. Zumindest 2014 kommen 3D Drucker noch nicht im Mainstream an. So toll es sein mag, Ersatzteile und Behelfsgeschenke (Armbänder…) mal schnell auszudrucken, so selten braucht man das. Sich dafür einen großen, teuren und nach wie vor schwer bedienbaren 3D Drucker hinstellen? Das werden nur die wenigsten machen. Allerdings wird es in Copy-Shops etc. sicherlich bald den zusätzlichen Service 3D Druck geben.

10. Der Markt im Umbruch – mehr Abwechslung kommt

Generell – der Technik Markt wird bunter und gerade 2014 wird viel experimentiert. Bei den Notebooks kommen Chromebooks dazu, den Markt der mobilen Betriebssysteme bereichern FirefoxOS und Jolla, die klassischen Konsolen bekommen Konkurrenz von der SteamBox, der Smartwatch Boom, neue Wearables, abgedrehte Gadgets, Windows 9 kommt in der ersten Preview – der gesamte Markt versucht sich neu zu erfinden. Was davon bleibt? Der Verbraucher entscheidet. Jedenfalls wird 2014 ein mehr als spannendes Technikjahr.

Bild: „See the Future“, (c) Allposters

Aprilscherzsammelstelle 2012

An dieser Stelle sammeln wir Aprilscherze, die uns 2014 aufgefallen sind. Ihr findet auf der Liste mit den Aprilscherzen fehlt was? Einfach als Kommentar posten!

Auswahl einiger gute Aprilscherze

Weitere Listen mit Aprilscherzen