Die Federn des Bundesadlers

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Sechs oder sieben Federn – wilde Theorien

Ebenso, wie es über die Bedeutung der Farbe des Reisepasses viele unsinnige Mutmaßungen gibt, so gibt es diese auch über die Anzahl der Federn des Bundesadler auf Ausweisdokumenten.

So hat der große Bundesadler auf der Vorderseite des Personalausweis jeweils sieben Federn pro Schwinge, der kleine holografische Adler über dem Bild jedoch nur sechs. Ähnlich Konfusion beim Adler im Reisepass: auf der Außenseite hat er pro Seite 6 Federn, innen hat er dann 7.

Sucht man im Internet nach dem Hintergrund, so haben die Verschwörungstherotiker hier die Deutungshoheit. So sei der Adler mit sechs Federn je Schwinge der alte Reichsadler, der mit sieben Federn je Flügel stünde dafür, dass Deutschland noch unter alliierter Besatzung stehe. Der Reichsadler sei ein Hoheitszeichen, das dafür stünde, dass das deutsche Reich noch nicht untergegangen sei, der Bundesadler sei hingegen das Firmensymbol der BRD GmbH. Manchmal werden Bundes- und Reichsadler auch verwechselt.

Auf Spurensuche nach den Adlerfedern

Gehen wir der Sache auf den Grund und suchen nach rechtlichen Grundlagen. Als erstes finden die „Bekanntmachung betreffend das Bundeswappen und den Bundesadler“ des Bundespräsidenten vom 20. Januar 1950. Dort heißt es:

Auf Grund eines Beschlusses der Bundesregierung gebe ich hiermit bekannt, daß das Bundeswappen auf goldgelbem Grund den einköpfigen schwarzen Adler zeigt, den Kopf nach rechts gewendet, die Flügel offen, aber mit geschlossenem Gefieder, Schnabel, Zunge und Fänge von roter Farbe.

Wird der Bundesadler ohne Umrahmung dargestellt, so sind das gleiche Bild und die gleichen Farben wie beim Adler im Bundeswappen zu verwenden, doch sind die Spitzen des Gefieders nach außen gerichtet.

Die im Bundesministerium des Innern verwahrten Muster sind für die heraldische Gestaltung des Bundeswappens maßgebend. Die künstlerische Ausgestaltung bleibt für jeden besonderen Zweck vorbehalten.

Nachempfunden sind die Adler in der Tat derer der Weimarer Republik in den 1920er Jahren, an deren Tradition die Bundesrepublik bewusst treten wollte. Zudem sollte damit unterstrichen werden, dass die Bundesrepublik Deutschland und nicht die DDR Rechtsnachfolger des deutschen Reichs sein sollte.

Kein Wort aber über die Anzahl der Federn. Und eigentlich könnte man es unter Hinweis auf die „künstlerische Ausgestaltung“ auf sich beruhen lassen. Aber wir suchen weiter.

Auch in der „Anordnung über die deutschen Flaggen“ vom 13. November 1996 ist kurz vom Bundesadler in der Standarte des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin die Rede (I.2), ohne auf die Anzahl der Flügel einzugehen. Dort hat er übrigens fünf Federn je Seite, genau so wie zeitweise bei der Standarte des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik, der später dann aber 6 Federn je Flügel bekam.

Nehmen wir das zum Anlass, mal zu schauen, welche Adler mit wie vielen Federn es in der Praxis gibt:

  • Im Bundeswappen mit fünf Federn (entsprechend dem Reichswappen der Weimarer Republik von 1928, entworfen 1926 von Karl-Tobias Schwab)
  • Bundesschild mit Adler mit je fünf Federn
  • Adler in der Standarte des Bundespräsidenten mit je fünf Federn (übrigens auch als Standarte des Reichspräsidenten von 1921 bis 1926 in Gebrauch; von Rudolf Koch entworfen)
  • Bundesadler als Logo der Bundesorgane mit je fünf Federn
  • Kleines Bundessiegel mit je sechs Ferdern (entworfen von Siegmund von Weech)
  • Großes Bundessiegel mit je sieben Federn
  • Auf der 1 Euro Münze hat der Adler je Seite geschätzt mehr als 20 Federn

Adler mit sechs und sieben Federn finden wir also zwei mal, eben beim kleinen und beim großen Bundessiegel. Suchen wir weiter nach den Bundessiegeln, so stoßen wir bald auf den Dienstsiegelerlaß (Erlaß über die Dienstsiegel; DSiegelErl) vom 20. Januar 1950. Dort heißt es in § 2:

(1) Das große Bundessiegel wird von dem Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler, den Bundesministern und dem Rechnungshof der Bundesrepublik Deutschland sowie von dem Präsidenten, dem Zentralbankrat und dem Direktorium der Deutschen Bundesbank geführt; es wird bei feierlichen Beurkundungen, besonders bei Ausfertigung von Gesetzen und Verordnungen, sowie bei Bestallungen angewendet.
(2) Des großen Bundessiegels können sich auch der Präsident des Bundestages und der Präsident des Bundesrates bedienen.
(3) Das Bundesverfassungsgericht, das Oberste Bundesgericht sowie die oberen Bundesgerichte verwenden das große Bundessiegel zur Ausfertigung von Urteilen und Beschlüssen.

Die übrigen Bundesbehörden verwenden nach § 3 DSiegelErl das kleine Bundessiegel. Über die  Anzahl der Federn immer noch nichts. § 5 des DSiegelErl entnehmen wir aber, dass näheres des Bundesinnenministerium des Innern näheres regelt.

Und so kommen wir endlich auf die „Richtlinien für die Anfertigung von Dienstsiegeln und Verwendung des Bundesadlers auf amtlichen Schildern und Drucksachen“ vom 4. März 1950, hier abrufbar. Interessant ist dabei besonders Nummer 3:

Bei der Verwendung des Bundesadlers ist zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen er in Form von Stempeln und Siegeln behördlichen Äußerungen oder Erklärungen urkundlichen Wert gibt, und den Fällen, in denen er eine mehr dekorative Aufgabe erfüllt. In den letzteren Fällen hat der Adler weder wertbestimmende noch urkundliche Bedeutung, er soll vielmehr bildlich erkennbar machen, daß es sich um eine amtliche Veröffentlichung des Bundes handelt.

Auch nichts über die Zahl der Federn… Immerhin gibt es aber eine Bildtafel, die (teilweise?) online verfügbar ist:

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Überraschung: wir sehen hier Adler mit sechs und sieben Federn je Seite.

Der große Adler auf dem Personalausweis hat – ähnlich wie das Brandenburger Tor auf der Rückseite – mehr gestalterische Bedeutung; er ist in der Form dem großen Bundessiegel mit sieben Federn angelehnt. Der holographische Adler sieht aus wie das kleine Bundessiegel.

Der Adler auf der Vorderseite des Reisepasses entspricht ziemlich genau dem „Muster für Zierschmuck im Druck“ (Nummer 4), wohingegen die großen Adler auf der Innenseiten des Reisepasses aussehen wie der Adler auf der Vorderseite des Personalausweises.

Große Adler mit sieben Federn je Seite sehen auch einfach besser aus, während es bei kleineren Adlern ohnehin nicht so auf die Details ankommt.

Viel Wind um nichts

Letztlich also auch hier wieder viel Wind um nichts. Ob der Adler nun fünf, sechs oder sieben Federn hat, ist belanglos – alle Varianten kommen vor und es lassen sich hier keinerlei Rückschlüsse ziehen.

Mehr Verschwörungstheorien.

Welche Bedeutung hat die Farbe des Reisepasses?

The New Yorker Cover - June 27, 1936Im Internet wird verschiedentlich behauptet, an der Farbe des Reisepasses eines Landes können man dessen völkerrechtlichen Status erkennen. So seien die Pässe souveräner Staaten blau und die Reisepässe von abhängigen Staaten und besetzten Gebieten rot. Grün seien besondere Pässe wie z.B. der Diplomatenpass, der Ersatzreisepass oder Pässe wie ein angeblicher „Handelsvertreterpass“. Meist schließen sich dann Behauptungen und Spekulationen an, die den völkerrechtlichen Status der Bundesrepublik Deutschland betreffen – z.B., dass diese als souveräner Staat gar nicht existiere, weswegen die deutschen Reisepässe ja auch rot wären.

Um es auf den Punkt zu bringen – es gibt keine allgemeine völkerrechtliche Rechtsgrundlage, die weltweit die Passfarbe vorschreibt. Und aus der Passfarbe lässt sich auch nicht der völkerrechtliche Status eines Landes herauslesen.

Der normale deutsche Reisepass ist bordeauxrot – so wie die anderen Pässe der Länder der europäischen Union (Europapass). Man hat sich auf die Farbe RAL 4004, Bordeauxviolett geeinigt.

Daneben gibt es den deutschen Diplomatenpass in blau, den Dienstpass für dienstliche Reisen von staatlichen Repräsentanten in rot sowie den vorläufigen Reisepass, der grün ist. Der Kinderpass ist ebenfalls bordeauxrot.

Um es aber nochmals klar auf den Punkt zu bringen – alle neu ausgegebenen normalen Reisepässe der EU-Staaten sind bordeauxrot, wie gesagt genau gesagt RAL 4004, Bordeauxviolett. Einzig Kroatien schert hier noch aus; dessen Pässe sind noch dunkelblau.

Und auch andere Staaten, bei denen es keinerlei Zweifel an ihrer Souveränität geben dürfte, haben rote Reisepässe, z.B. die Schweiz.

Ansonsten gab und gibt es auch andere Farben:

Vor der EU-weiten Vereinheitlichung war der bundesdeutsche Reisepass grün, der Pass der „DDR“ war blau. Österreich hatte früher einen beigen Pass, bis zur Vereinheitlichung einen grünen.

Der indische normale Pass ist hellgrau, der indische Diplomatenpass rot. In Kanada sind die normalen Pässe blau, vorläufige weiß, Diplomatenpässe kastanienbraun und Dienstpässe grün. Der Pass von Abchasien ist dunkelgrau, der von Japan rot, Brasilien grün oder blau, Saudi Arabien grün… Die bunte Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Hier gibt es schöne Passbilder, die das belegen.

Und da man es nicht oft genug sagen kann nochmals zum Abschluss: Fakt ist, dass sich aus der Farbe des Passes generell keine allgemeinen Rückschlüsse auf den Status eines Staates ziehen lassen.

Warum hat der Adler im Pass mal sechs und mal sieben Federn? Die Antwort gibt es hier!

Bild: (c) Allposters