Ein paar schnelle Anmerkungen zur Zukunft von Übersetzungen und die Zukunft des Berufs des Übersetzers

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt,“ sprach Ludwig Wittgenstein. Übersetzer überqueren Sprachgrenzen, um Schätze für uns zu bergen. Das ist umso schwieriger, je spezifischer das Thema ist. Ihre Arbeit ist noch heute unschätzbar. Und skandalös unterbezahlt.

Dies twitterte Thomas Knorra, worauf ich etwas provovaktiv antwortete, dass der Beruf des Übersetzers ja schon bald durch Künstliche Intelligenz überflüssig werde.

Erwartungsgemäß erntete ich hier einiges an Gegenwind. Zunächst einmal

Deshalb gibt es auch keine Klavierspieler mehr, da vor über 100 Jahren die Pianola–Rolle erfunden wurde.

Nun ja, natürlich gibt es noch Pianisten. Aber anders als früher z.B. nicht mehr in jedem Kino oder in fast jeder Bar. Der Deutsche Musikerverband erkannte das Problem übrigens schon früh und forderte in den 1920er Jahren, dass das Publikum den Tonfilm ablehnen und stattdessen auf Orchester in jedem Kino bestehen solle. Wie es heute in den Cineplex Sälen aussieht, wissen wir ja. Die Disruption hat hier, wie in vielen anderen Branchen, gnadenlos zugeschlagen. Auf Wikipedia heißt es zum Beruf des Pianisten übrigens im Jahr 2019, dass sich „die Berufsaussichten in den letzten Jahren zusehends verschlechtert haben“. Ausnahmen gelten allenfalls für die „überschaubare, absolute Spitzengruppe der Solisten“.

Ähnlich wird es auch bei den Übersetzern – und auch in gewissem Maße bei den Dolmetschern* – sein. Denn der zweite gewichtige Vorwurf, dass die Qualität künstlicher Übersetzung einfach zu schlecht sei, kann man so pauschal nicht mehr stehen lassen:

Als schnellen einfachen Test habe ich hier die Präambel der Charta der Menschenrechte übersetzen lassen – durchaus brauchbar, auch mit Mitteln, auf die jeder Mensch mit einem Browser Zugriff hat. Und gerade diese Übersetzungen zeigen auch, welche Bandbreite es schon jetzt bei künstlichen Übersetzungen gibt und wie sehr sich einzelne Dienste in den letzten Jahren verbessert haben. Und eine Microsoft KI kann bereits Nachrichtentexte vom Chinesischen ins Englische Übersetzen – auf dem Stand eines Zweisprachlers (AI Translates News Just as Well as a Human Would).

Durch Künstliche Neuronale Netze, steigende Rechenleistungen und weitere Entwicklungen im Bereich der AI wird sich die Qualität der Ergebnisse der von Software gelieferten Übersetzungen stetig verbessern.

Zugegeben, bis eine KI tatsächlich Transkreationen oder gar die Übersetzung von Literatur, insbesondere Lyrik, auf einem menschlichen Level beherrscht, wird noch Zeit vergehen. Aber für Nachrichten, juristische Texte, Anleitungen oder technische Dokumente sind bestehende Lösungen schon sehr gut geeignet, die Ergebnisse bedürfen allenfalls noch der Kontrolle.

Die Geschichte zeigt, dass es grundsätzlich gefährlich ist, die Augen vor umwälzendenden Veränderungen zu verschließen. Und so sollten auch Dolmetscher und Übersetzer* genau hinschauen, wie Computer und künstliche Intelligenz ihren Beruf verändern und welche Gefahren aber auch Chancen sich dadurch ergeben.

* Da viele die Begriffe falsch verwenden: Der Dolmetscher übersetzt das gesprochene, der Übersetzer das geschriebene Wort.

Bild: Christo Drumkopf, CC 2.0 Lizenz

Ich bin nicht Istanbul – hupps

Man könnte jetzt einen Artikel darüber schreiben, warum diesmal nicht wie bei anderen Anschlägen millionenfach Facebook Profilbilder mit türkischen oder deutschen Fahnen eingefärbt sind oder als Profilbild der Spruchbanner „Ben İstanbul değilim“ gewählt wird.

Moment, wird jetzt der ein oder andere sagen: „Ben İstanbul değilim.“ heißt doch „Ich bin nicht Istanbul. Kann gar nicht sein, mag man mit Verweis auf Google Translate erwidern:

ich-bin-istanbul-google

Doch hier liegt Google falsch, die Konkurrenz von Microsoft weiß es in dem Fall besser:

ich-bin-istanbul-bing

Woran das liegt?

Bei Google kann man sehr leicht angeben, dass ein Übersetzungsvorschlag nicht gut ist und auf Wunsch auch gleich die „richtige“ Übersetzung vorgeben. Ich gehe hier einfach einmal davon aus, dass vermeintliche Spaßvögel oder interessierte Gruppen in diesem Fall manipulierend eingegriffen haben. Ich gehe aber auch weiter davon aus, dass dies in den nächsten Tagen wenn nicht gar Stunden korrigiert wird.

Was lehrt uns das in diesem Fall? Automatischen Übersetzern nicht blind vertrauen – besonders, wenn es um politisch möglicherweise heikle Aussagen geht.

Nachtrag zu den Silvesterzetteln von Köln

Die Silvesterzettel von Köln haben für einige Aufregung in den deutschen Medien und Diskussionen geführt, einen der Zettel habe ich hier dokumentiert.

Für die größte Aufregung sorgte der Satz „Ich töte sie ficken“. Allein, grammatikalisch macht dieser nur wenig Sinn. Michael Simon de Normier vermutete daher in einem Gastbeitrag hier, eigentlich sei „ich täte sie ficken“ gemeint.

BILDblog und Der Postillon (!) sorgten nun aber für die Aufklärung. „Ich töte sie ficken“ sei die etwas ungelenke wortwörtliche Übersetzung von „Ich besorg es dir richtig“. Der BILDblog nutzt die Gelegenheit dazu, lautstark gegen die etablierten Medien zu wettern, die den Satz alle unkommentiert übernommen hätten.

Ich persönlich sehe das zweischneidig.

Einerseits muss ich gerade von großen Redaktionen erwarten können, dass diese in so einem Fall gleich die besten Graphologen, die der arabischen Schrift und Sprache mächtig sind, zusammentrommeln und für eine akribische Analyse und Übersetzung der Zettel sorgen. Es ist bezeichnend für die Lage der Medien hierzulande, dass ausgerechnet eine Satire-Seite und ein Blog für entsprechende Aufklärung sorgen.

Andererseits macht es die Frauen verachtende Intention des Zettels auch nicht besser.

So oder so: letztlich bleiben die Zettel nur eine Randnotiz der Diskussion rund um die Kölner Silvesternacht.