Offener Brief: Eine Antwort an Georg Odergut

Georg Odergut hat eine falsche Verschwiegenheitserklärung zwischen Kölner Kliniken und Opfern der Silvesterübergriffe in Umlauf gebracht. Unsere Autorin Norma Schreiber antwortet ihm mit einem offenen Brief.

Sehr geehrter Herr Odergut,

Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie die Leichtgläubigkeit der Menschen ein weiteres Mal unter Beweis gestellt haben und sich so in der Geschichte der gefakten Schlagzeilen sicherlich einen Platz ganz weit oben auf dem Siegertreppchen sichern konnten. Herzlichen Glückwunsch dazu.

An diese Glückwünsche anschließen muss ich allerdings auch ein paar kritische Zeilen. Ich hoffe Sie sind kein Sensibelchen.

With your name you have big shoes to fill. (Allein durch diese Tatsache bedingt, würde es Ihnen gut zu Gesicht stehen, ein wenig mehr Verantwortungsbewusstsein zu zeigen. Anstatt zu beweisen, dass andere dies ebensowenig an den Tag legen.)

Meinen Sie nicht, Ihr englischer Namensvetter George Orwell würde sich im Grab umdrehen, wenn er von Ihrem enorm durchdachten Schachzug einer gefakten Verschwiegenheitsvereinbarung Wind bekommen würde?

If liberty means anything at all, it means the right to tell people what they do not want to hear.
(George Orwell)

Aber nicht etwa dem Polizeichef der Stadt Köln oder Innenminister Jäger sendeten Sie eben jene Vereinbarung zu – diese Herren waren ja durchaus sehr bemüht um eine Aufklärung der Situation – sondern einer einzelnen Frau. Einer Frau, die die Frauenfeindlichkeit des streng gläubig ausgelegten islamischen Lebens erleiden musste. Wundern Sie sich wirklich über Ihre Bestürzung und Ihre Bitte um Antwort im Social Web?

Ich möchte dennoch betonen, dass Sie nicht Unrecht haben mit Ihrer Bestürzung über die allenfalls dilettantisch ausgeführte Recherche von Frau S. und ihre umgehende hemmungslose Verbreitung ihrer so glaubwürdig rechtskonform formulierten Verschwiegenheitsvereinbarung.

Womit sie weiterhin recht haben – und wobei ich mich Ihnen in vollem Umfang anschließe – ist die Empörung über die Skrupellosigkeit mit dem Geschäft der Wahrheit.

Dass solch ein Fake wie Sie ihn verfassten, offene Türen einrennen kann und unaufhaltbar Einzug in die Köpfe der sozialen Masse gefunden hat, ist mehr als bedauerlich. Nebenbei wäre hier der Begriff der kritischen Masse in einer leicht veränderten Bedeutung, als der gemeinhin gebräuchlichen, etwas womit sich Deutschland von mir aus gern schmücken dürfte. Stattdessen veröffentlicht die BILD eine Liste der Anzeigen die in der Silvesternacht bei der Polizei eingegangen sind. Mit Wortlaut der Anschuldigung sowie dem Ort des Geschehens. Wer würde da noch deren Echtheit hinterfragen? Wer würde sich da nicht sofort bedroht fühlen?

Da hat die BILD-Redaktion ganze Arbeit geleistet uns die Realität auf Deutschlands Straßen so BILDlich vor Augen zu führen – und dabei gleichzeitig so sachlich und von Emotionen getilgt in einer Liste zum sofortigen Abgleich bereitzustellen.

Das Problem im Alltag der Menschen (und hier meine ich vor allem Frauen): Das ist keine sachliche, sondern eine emotionale Situation.

Ja, Herr Odergut, das alles passiert direkt vor ihrer „Haustür“ und vermutlich dann, wenn Sie eine Armlänge Abstand halten anstatt zu helfen. Längst vergessen sind die Fälle in Dehli, unbekannt der Begriff des Eve Teasing. Hauptsache die Deutschen haben ein neues Wort gelernt: taharrush gamea.

Wollen wir also im Chaos oder in einer Gemeinschaft leben?

Wir haben ein staatliches Haus geerbt, ein großes „Welthaus“, in dem wir zusammen leben müssen – Schwarze und Weiße, Menschen aus dem Osten und aus dem Westen, Heiden und Juden, Katholiken und Protestanten, Moslems und Hindus. Eine Familie, die in ihren Ideen, ihrer Kultur und ihren Interessen übermäßig verschieden ist und die – weil wir nie mehr ohne einander leben können – irgendwie lernen muss, in dieser großen Welt miteinander zu leben.
(Martin Luther King)

Viel Zeit um zu entscheiden, bleibt uns aber womöglich nicht mehr, denn vielleicht schmiedet Birgit Kelle grad gemeinsam mit Herrn Minister Jäger, dem BKA und der nach rechts übergelaufenen Katja Schneidt grad Pläne für eine Verschärfung des Asylgesetzes.

Oder sind am Ende nun doch die Frauen Schuld, weil Sie sich ja nicht züchtig genug gekleidet haben? (#mettre une robe n’est pas une crime)

Wussten Sie, dass die AfD ihre Frauen- und Familienpolitik stramm konservativ hält?

Dass viele angebliche Feministinnen sich gegen Übergriffe auf Frauen durch Ausländer stark machen (ja, das Problem wird mit Sicherheit durch härtere Asylgesetze gelöst) aber sich gleichzeitig völlig antifeministisch zu Themen wie Alleinerziehende und Berufstätige Mütter aussprechen

Fakt ist:

Natürlich gibt es Integrationsprobleme bei solch unterschiedlichen Wertesystemen und bei den Menschen kommt es auch immer zu Gewöhnungserscheinungen der Probleme im eigenen Land. Nazis, PEGIDA und die Tatsache dass jede dritte Frau Opfer häuslicher Gewalt ist. Ja, da beschäftigt man sich gern mit neuen Problemen wenn die Alten langweilig geworden sind.

Bitte missverstehen Sie nicht meine Ausführungen, Islamkritik muss erlaubt sein und meint ja nicht zwingend den Angriff einer ganzen Kultur. Indem man aber die Missstände benennt, hilft man auch ein Stück weit den Menschen die sich dagegen wehren und tagtäglich leiden müssen. Man unterstützt Organisationen wie Terre des Femmes oder Women in Exile von denen Sie und die meisten Deutschen, wahrscheinlich noch nie etwas gehört haben.

Wie wäre es aber anstelle von infantilen Aktionen mit konstruktiver Hilfe und Kritik? Damit die deutschen Männer sich wieder solidarisieren mit den Frauen – egal ob Einheimische oder Ausländer.

Als ersten Schritt empfehle ich Ihnen den Ausdruck des Plakats von „Terre des Femmes“, dass Sie hier finden können

frauenrechte

Hochachtungsvoll,

Eduard Schönfreund

 

 

Nachtrag zu den Silvesterzetteln von Köln

Die Silvesterzettel von Köln haben für einige Aufregung in den deutschen Medien und Diskussionen geführt, einen der Zettel habe ich hier dokumentiert.

Für die größte Aufregung sorgte der Satz „Ich töte sie ficken“. Allein, grammatikalisch macht dieser nur wenig Sinn. Michael Simon de Normier vermutete daher in einem Gastbeitrag hier, eigentlich sei „ich täte sie ficken“ gemeint.

BILDblog und Der Postillon (!) sorgten nun aber für die Aufklärung. „Ich töte sie ficken“ sei die etwas ungelenke wortwörtliche Übersetzung von „Ich besorg es dir richtig“. Der BILDblog nutzt die Gelegenheit dazu, lautstark gegen die etablierten Medien zu wettern, die den Satz alle unkommentiert übernommen hätten.

Ich persönlich sehe das zweischneidig.

Einerseits muss ich gerade von großen Redaktionen erwarten können, dass diese in so einem Fall gleich die besten Graphologen, die der arabischen Schrift und Sprache mächtig sind, zusammentrommeln und für eine akribische Analyse und Übersetzung der Zettel sorgen. Es ist bezeichnend für die Lage der Medien hierzulande, dass ausgerechnet eine Satire-Seite und ein Blog für entsprechende Aufklärung sorgen.

Andererseits macht es die Frauen verachtende Intention des Zettels auch nicht besser.

So oder so: letztlich bleiben die Zettel nur eine Randnotiz der Diskussion rund um die Kölner Silvesternacht.

Der Silvester Zettel von Köln

der-zettel-von-koeln

Große Brüste

Fucken

Ich will fucken

ich will Dich küssen

ich töte (täte) sie ficken

Ich will töte (täte) dich küssen

Was ist sie?

Ich scherze mit Ihnen

diese

ich erinne (erinnere) mich

schscheze (scherze)

Dieser Zettel wurde bei einem der Tatverdächtigen der Übergriffe in der Kölner Silvesternacht 2015 gefunden, in der viele Asylbewerber auf der Suche nach „Ficki Ficki“ waren.

Bildquelle: bild.de