Meinung: Natürlich gibt es gesunden Patriotismus

Thomas Stadler und der Patriotismus

Rechtsanwalt Thomas Stadler äußerte auf twitter

Mit dem gesunden Patriotismus ist es wie mit dem Yeti. Es gibt ihn nicht.

und verstieg sich weiter zu der Aussage, dass diejenigen, die heute von Patriotismus sprechen, stets Nationalismus meinten. Und gesund sei in dem Kontext bedenklich nahe am gesunden Volksempfinden.

Er kritisiert damit einen tweet des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, der schrieb:

Und wieder spricht Joachim Gauck aus, was viele Bürger denken. Ein gesunder Patriotismus, Heimatliebe oder das bewusste leben von Werten ist wichtig für unser Land. All das ist weder verstaubt noch verdächtig – es ist menschlich.

Kretschmer wiederum bezieht sich damit auf aktuelle Aussagen von Joachim Gauck, der u.a. meinte, man müsse zwischen rechtsradikalen und rechten Positionen unterscheiden und gegenüber letzteren tolerant sein.

Was heißt eigentlich Patriotismus?

Es ist zunächst hilfreich, sich mit den Ursprüngen des Wortes Patriotismus auseinanderzusetzen, das erst im 16. Jahrhundert über das Französische in die Deutsche Sprache kam und zunächst nichts anderes hieß als „Vaterlandsliebe“ – so definiert es zumindest das Wörterbuch der Gebrüder Grimm.

Aufschlussreich finde ich, was das Brockhaus Bilder Conversationslexikon von 1839 über Patriotismus schreibt:

„Patriotismus heißt nach dem Lateinischen die Vaterlandsliebe, jenes Gefühl, welches uns antreibt, an den Schicksalen unsers Vaterlandes den lebhaftesten Antheil zu nehmen und in der edelsten Auffassung derselben das eigne Wohl gern und willig dem des vaterländischen Staates zum Opfer zu bringen. Wer von diesem edlen Gefühle beseelt ist, ist ein Patriot oder Vaterlandsfreund im wahren Sinne des Wortes. Falscher Patriotismus ist es aber, wenn dieses Gefühl so ausartet, daß wir auf alle andern Völker mit Verachtung herabsehen und ohne uns die Mühe zu geben, ihre guten Eigenschaften und Einrichtungen kennen zu lernen, mit blinder Engherzigkeit nur das preisen, was wir bei uns finden. …“

Johannes Rau knüpfte bei seiner Dankesrede anlässlich seiner Wahl zum Bundespräsidenten an dieses Verständnis an:

Es hat – auch unter uns – eine lange Diskussion gegeben: über das Grundgesetz und seine Chancen, über das Verhältnis von Vaterlandsliebe, Patriotismus und Nationalismus. Ich glaube, daß Nationalismus und Separatismus Geschwister sind. Ich will nie ein Nationalist sein, aber ein Patriot wohl. Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt, ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet. Wir aber wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, in Europa und in der Welt.

Stadlers Annahme, dass jeder der von Patriotismus rede, damit auch Nationalismus meine, ist so pauschal also nicht haltbar – und nicht nur, da ich das anders sehe.

Positiver Patriotismus

Ich nehme Anteil am Schicksal des Staates, kümmere und engagiere mich. Ich bin ich stolz auf unser Grundgesetz und bin bereit, dieses und seine Werte zu verteidigen. Und auch wenn – gerade direkt nach dem Dritten Reich – nicht alles perfekt lief: kaum ein Land hat sich so offen und kritisch mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt wie die Bundesrepublik Deutschland – auch dies kann und sollte man anerkennen. Ich freue mich über unsere Wälder, Seen, Flüsse und andere Landschaften und setze mich dafür ein, dass diese erhalten bleiben.

In diesem beste Sinne bin ich Patriot.

Und jeder, der solch einen Patriotismus vertritt, muss sich nicht verstecken und muss es sich auch nicht gefallen lassen, mit Nationalisten in einen Topf geworfen zu werden.