Meinung: Grönemeyer und sein Humanismus oder: wenn der Faschismus wiederkehrt (und warum ich mich gerade so über Grönemeyer aufrege)

Zu Grönemeyers Worten bei seinem Konzert in Wien habe ich mich bereits heute hier geäußert. Darauf gab es viel Zustimmung, aber natürlich auch die ein oder andere Kritik, auf die ich kurz eingehen will.

Zugeben will ich zunächst, dass die Überschrift „Die Sportpalast-Rede von Herbert Grönemeyer“ durchaus provokant ist. Doch sich steigerndes Herumgebrülle vor großem, sich zunehmend enthemmenden Publikum und einfache – um nicht zu sagen – platte Botschaften erinnern nun einmal an Auftritte von Nazi-Größen.

Weiter wird mir vorgeworfen, dass ich unterschlagen würde, dass er sich doch bei seinem Wortbeitrag für eine offene und humanistische Gesellschaft einsetze.

Auch zugegeben, dass ich das nicht thematisiert habe. Zunächst einfach, da ich es vor lauter Gebrülle seitens des Vortragenden und des Publikums überhört habe.

Ernst nehmen kann ich diese Worte Grönemeyers in diesem Zusammenhang freilich nicht. Kern einer humanistischen Gesellschaft ist insbesondere, dass jeder Mensch die Möglichkeit haben soll, seine Persönlichkeit zu entfalten. In einer Gesellschaft, in der – wie von Grönemeyer gefordert – missliebige Äußerungen keinen Platz haben sollen und in der die auf der vermeintlich „richtigen Seite“ Stehenden der Gesellschaft  diktieren wollen, wie sie auszusehen hat, kann es eben keinen Humanismus geben. Ganz im Gegenteil, so wie Grönemeyer den Begriff des Humanismus verwendet und (miß)versteht, ist es eben kein Humanismus. Wahrscheinlich meint er wohl Humanität, pervertiert den Begriff aber in einer Art und Weise, wie es schon die DDR getan hat. Nach Art. 37 deren Verfassung sollte „die Jugend im Geiste des friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker und einer echten Demokratie zu wahrer Humanität“ erzogen werden. Wie dies in der Praxis umgesetzt wurde und schließlich endete, ist hinlänglich bekannt. Grönemeyer setzt sich durch die Art und Weise der Verwendung des Begriffs „Humanismus“ damit in verrätischer Weise in eine Tradition mit diesem und anderen (mehr oder wenigen nationalen) sozialistischen Unrechtsstaaten. Dass eine Gesellschaft, die von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerungen, ausgrenzen will, nur weil sie nicht ins eigene Weltbild passen, nicht offen sein kann, versteht sich im übrigen wohl von selbst.

So sehr Bestrebungen und Äußerungen von rechts abzulehnen sind, die Freiheitsrechte des wirklich humanistischen Grundgesetzes abzuschaffen, so sehr sind es auch dergestalte Äußerungen von der linken Seite.

Das von François Bondy dokumentierte und Ignazio Silone zugeschriebene Zitat

Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: „Ich bin der Faschismus“. Nein, er wird sagen: „Ich bin der Antifaschismus.“

ist somit wirklich prophetisch.

Nachtrag und persönliche Anmerkung:

Ich wurde – auch auf twitter – zu diesem Text gefragt:

Seit wann ist man gegen eine offene und humanistische Gesellschaft, weil man eine Meinung für falsch hält und sich gegen sie wendet? Gerade das gehört doch zum Meinungskampf. Genauso wie Rechte oft strikt gegen die „Antifa“ sind. Sind die dann auch Gegner der o&h Gesellschaft?

Durch diese Frage ist mir auch klar geworden, warum mich Grönemeyers Worte – neben Art und Weise des Vortrags – so empören:

Grönemeyer ist nicht gegen eine offene und humanistische Gesellschaft, nur weil er – rechte – Meinungen für falsch hält.

Er ist gegen diese, da er diesen ihm nicht genehmen Meinungen keinen Raum geben will, „keinen Millimeter“. Und schlimmer noch, er will diktieren, was in der Gesellschaft politisch vertreten werden soll.

Ich lehne viele Positionen von rechts – ob AfD oder Pegida – und links – ob linke oder extremer Antifa – persönlich ab. Solange sich diese Positionen und Äußerungen aber im Rahmen des Grundgesetzes bewegen (und meinetwegen sogar noch darüber hinaus) müssen diese Raum in unserer offenen und humanistischen Gesellschaft haben. Anders sind doch Diskussion und Diskurs doch gar nicht möglich.

Ganz im Sinne des angeblichen Voltaire-Zitats:

Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.

Gerade diese Einstellung lehnt Grönemeyer ausweislich seiner Äußerungen ab. Und das ist es, was mich empört.

10 Fakten zum 18. Februar

  1. Gambia feiert heute seine 1965 erlangte Unabhängigkeit von Großbritannien.
    Jimena (auch Ximena geschrieben) hat heute Namenstag. Der weibliche Vorname kommt aus Spanien.
  2. Heute im Jahr 1587 wird die wegen Hochverrats verurteilte ehemalige schottische Königin Maria Stuart hingerichtet (Bild). Der unerfahrene Scharfrichter braucht drei Schläge, um ihren Kopf vom Körper zu trennen.
  3. Clyde Tombaugh entdeckt 1930 auf Fotografien Pluto. Der Himmelskörper wird zunächst als Planet eingestuft, ist aber inzwischen nur noch ein Zwergplanet.
  4. 1943 werden die Geschwister Sophie und Hans Scholl beim Verteilen des sechsten regimekritischen Flugblatts der „Weißen Rose“ an der Universität München beobachtet und daraufhin festgenommen. In dem Flugblatt kommt ein Zitat aus einem Lied des Dichters Theodor Körner vor: „Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen.“, der zu den Zeiten der Befreiungskriege gegen Napoleon wirkte.
  5. Am gleichen Tage hält Joseph Goebbels in Berlin die berüchtigte Sportpalastrede, in der er laut die Frage stellt „Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt erst vorstellen können?“ und ihm die rund 14.000 Zuhörer frenetisch zustimmen. Goebbels Rede endet mit dem Satz „Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!“ – ebenfalls ein leicht verändertes Zitat von Theodor Körner. Hier ist die Rede im Volltext.
  6. 1949 wird in Tübingen der 28-jährige Raubmörder Richard Schuh durch das Fallbeil hingerichtet. Es ist die letzte von einem westdeutschen Gericht angeordnete Hinrichtung, da die Todesstrafe mit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Mai des Jahres abgeschafft wird.
  7. US-Vizepräsident Richard Nixon eröffnet 1960 die VIII. Olympischen Winterspiele in Squaw Valley. Die Eröffnungsfeier wird von Walt Disney gestaltet.
  8. Mit dem Beginn des heutigen Tages im Jahr 2011 endet die Immunität von Christian Wulff gegen Strafverfolgung. Ab diesem Tag konnten die Staatsanwaltschaft von Hannover und andere Strafverfolgungsbehörden uneingeschränkt gegen den Bundespräsidenten ermitteln – ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
  9. Maria I. kommt 1518 auf die Welt.
  10. Toni Morrison wird 1931 geboren.

Hier sind mehr Infos rund um den 18. Februar.

Dokumentiert: Sportpalastrede

Am 18. Februar 1943 hält der nationalsozialistische deutsche Reichspropagandaminister Joseph Goebbels  im Berliner Sportpalast die nach dem Veranstaltungsort benannte Rede, in der er zum „Totalen Krieg“ aufruft. Er schreibt darüber auch in seinem Tagebuch.

Hier ist der Volltext der Rede:

Es ist jetzt knapp drei Wochen her, daß ich das letztemal bei Gelegenheit der Verlesung der Proklamation des Führers zum Zehnjahrestag der Machtergreifung von dieser Stelle aus zu Ihnen und zum deutschen Volke gesprochen habe. Die Krise, in der sich unsere Ostfront augenblicklich befindet, stand damals auf dem Höhepunkt. Wir hatten uns im Zeichen des harten Unglücksschlages, von dem die Nation im Kampf um die Wolga betroffen wurde, am 30. Januar dieses Jahres zusammengefunden zu einer Kundgebung der Einheit, der Geschlossenheit, aber auch der festen Willenskraft, mit den Schwierigkeiten, die dieser Krieg in seinem vierten Jahre vor uns auftürmt, fertig zu werden.

Es war für mich und wohl auch für Sie alle erschütternd, einige Tage später zu vernehmen, daß die letzten heldenhaften Kämpfer von Stalingrad, in dieser Stunde durch die Ätherwellen mit uns verbunden, an unserer erhebenden Sportpalastkundgebung teilgenommen haben. Sie funkten in ihrem Schlußbericht, daß sie die Proklamation des Führers vernommen und vielleicht zum letzten Male in ihrem Leben mit uns zusammen mit erhobenen Händen die Nationalhymen gesungen hätten. Welch eine Haltung deutschen Soldatentums in dieser großen Zeit! Welche Verpflichtung aber schließt diese Haltung auch für uns alle, insbesondere für die ganze deutsche Heimat in sich ein! Stalingrad war und ist der große Alarmruf des Schicksals an die deutsche Nation. Ein Volk, das die Stärke besitzt, ein solches Unglück zu ertragen und auch zu überwinden, ja, daraus noch zusätzliche Kraft zu schöpfen, ist unbesiegbar. Das Gedächtnis an die Helden von Stalingrad soll also auch heute bei meiner Rede vor Ihnen und vor dem deutschen Volke eine tiefe Verpflichtung mich und für uns alle sein. „Dokumentiert: Sportpalastrede“ weiterlesen