Social Search vs. Web Search?

Surprisefacebook bringt jetzt Graph Search, eine sematische Suchfunktion innerhalb des Netzwerks, die man durchaus als „Social Search“ bezeichnen kann. Persönlich halte ich Graph Search für einen genialen Schachzug facebooks, der der Plattform in mannigfaltiger Hinsicht nützt.

In diesem Zusammenhang ergeben sich derzeit interessante Diskussionen rund um das Verhältnis von Social Search und Websearch. Sind es zwei ganz unterschiedliche Bereiche, die auch in Zukunft getrennt bleiben werden? Oder werden – und sollen – Social Search und Websearch zusammenwachsen?

facebook sieht derzeit beide Bereiche getrennt:

Graph Search and web search are very different. Web search is designed to take a set of keywords (for example: “hip hop”) and provide the best possible results that match those keywords. With Graph Search you combine phrases (for example: “my friends in New York who like Jay-Z”) to get that set of people, places, photos or other content that’s been shared on Facebook. We believe they have very different uses.
Quelle: facebook

Das ist zunächst richtig und es ist nicht verwunderlich, dass sich facebook momentan auf diesen Standpunkt stellt – eben weil man bald die wahrscheinlich beste soziale Suche im Netz hat. Das gilt zumindest dann, wenn der Nutzer selbst und sein Umfeld auf facebook auch aktiv sind.

Bei Google ist eine sind Verbindungen von Websearch und Social Search insoweit schon Realität, als dass „soziale Signale“ in die Rankings auf den SERPs (Search Engine Result Pages) einfließen. Wie viele Likes hat eine Seite? Wie oft wurde sie getwittert? Hat jemand sie „plusoned“? Wie ist die Location bewertet? Das sind freilich nur einige Ranking-Faktoren unter vielen anderen. Google ist dann auch tatsächlich einmal weitergegangen und hat kurze Zeit Google+ Ergebnisse der eigenen Kreise hoch gerankt bei den Suchergebnissen angezeigt. Das Ergebnis war so katastrophal, dass es in dieser Form schnell aufgegeben wurde.

Auch Bing streut in seiner US-Version Ergebnisse aus sozialen Netzwerken ein, was dann eine Vermischung von Websuche und sozialer Suche ist. Optimal ist das freilich ebenfalls nicht.

Der Punkt aus meiner Sicht: Die klassische gelernte Keywordsuche und soziale Suche passen nicht zusammen.

Ein sinnvolles Zusammenwachsen von Social Search und (klassischer) Web Search wird erst auf der Grundlage von semantischer Suche gut funktionieren. Denn anhand eines einzelnen Keywords kann die Suchmaschine nur in wenigen Fällen erkennen, worum es mir gerade wirklich geht.

Bleiben wir bei facebooks obigem Hip Hop Beispiel. Wenn ich bei einer allgemeinen Suchmaschine (in Deutschland also Google…) nur nach Hip Hop suche, erwarte ich eben eine Definition des Begriffs, Webseiten zum Thema und entsprechende Künstler/Alben. Punkt.

Wenn ich hingegen Freunde suche, die gerne Hip Hop hören, würde ich naheliegenderweise nach „Freunde, die Hip Hop mögen“ suchen. Oder ich suche nach „Menschen, aus Bonn die Hip Hop Fans sind“. Huch, das hört sich ja verdammt nach Graph Search an.

Übrigens erwarte ich dann auch, dass die Suchmaschine so intelligent ist, dass bei dieser Suche auch Freunde angezeigt werden, die z.B. Fan von Gnarls Barkley und Deichkind sind, Songs von Cali Swag District und Da Bush Babees bei Spotify hören und etwas über Wurzel 5 geschrieben haben. Das nur am Rande, bedeutet aber auch viel Arbeit für die Betreiber von Suchmaschinen.

Gut, mein Beispiel bewegte sich jetzt eher im Umfeld der Personensuche, ist aber auch in anderen Bereichen nicht anders:

  • „Italienische Küche“ – „Italienische Restaurants in Berlin, die Menschen gefallen, die oft in Italien sind.“
  • „Politische Blogs“ – „Blogs, die Lesern gefallen, die den Grünen nahestehen“
  • „Zahnarzt München“ – „Zahnärzte in München, zu denen meinen Freunde gehen“

Je nach gestellter Suchanfrage werden mir eben vorzugsweise „objektive“ oder „soziale“ Ergebnisse angezeigt.

Natürlich bedingt dies nicht nur eine Änderung der Suchmaschinen, sondern auch der Art und Weise, wie wir suchen. Da diese Art der Fragestellung aber unserer natürlichen Sprache nahe kommt, sehe ich darin kein Problem. Ganz im Gegenteil.

Während derzeit also „Web Search“ und „Social Search“ noch Gegensätze sind, werden diese durch semantische Suche zusammenwachsen.

Bild: (c) Allposters

Graph Search – facebooks genialster Schachzug

Eine Suche. Das war es also, was bei facebooks im Vorfeld geheimnisumwitterten Event am 15. Januar 2013 vorgestellt wurde. Alle, die ein Smartphone erwartet haben, wurden enttäuscht. Insbesondere die Börse strafte facebook dafür ab.

Ein facebook Smartphone!? Bitches, please.

Noch wäre es viel zu früh für facebook, ein eigenes Smartphone oder – wahrscheinlicher – ein Smartphone OS zu bringen. Warum? facebooks „Ökosystem“ ist momentan noch nicht umfassend genug, eine eigene mobile Gesamtlösung zu rechtfertigen. Aber facebook ist auf dem Weg dazu, dieses Ökosystem aufzubauen. Schneller und konsequenter, als dies den meisten Beobachtern (und der Börse) gewahr sein dürfte. Erwähnt werden soll z.B. die VOIP Funktion im neuen Messenger, die in Kanada schon ausgerollt wurde. Und jetzt die eben die Suche.

Graph Search ist mithin ein zentraler Baustein dieser Strategie und dürfte facebook in vielfacher Hinsicht verändern. Vorstellen möchte ich facebooks soziale Suchfunktion jetzt nicht im Detail. Wer sich hier kundig machen will, kann dies direkt in facebooks Newsroom tun.

Was bedeutet Graph Search jetzt aber in der Praxis für facebook?

Zunächst einmal hat eine vernünftige Suche innerhalb facebooks schon immer gefehlt. Schon die Suche nach bestimmten Personen, Seiten oder Orten ist schwierig. Fast unmöglich ist die Suche nach Inhalten, die auf facebook bereitgestellt werden. Allein schon, dass das jetzt möglich sein wird, ist eine deutliche Verbesserung der Usability.

Eine Suche nach Inhalten war darüber hinaus faktisch unmöglich – wie oft habe ich mich dran erinnert, dass ich einmal etwas interessante geposted habe, konnte das aber nicht mehr finden. Ganz zu schweigen von der Suche nach Inhalten Dritter. Sofern diese Suche wirklich funktionier, ist dies ein Quantensprung für facebook.

Die Facebook Suche ist zudem eine soziale Suche, die nah an der natürlichen Sprache und an den Verbindungen der Menschen untereinander liegt. Facebook demonstrierte bei der Vorstellung Suchanfragen, die auf Deutsch etwa so lauten würde:

  • Welche Bilder von Freunden gefallen mir.
  • Zeige mir Freunde aus Köln, die gerne Radfahren.
  • Was sind die Lieblingsbücher meiner Freunde?
  • Welch Freund meiner Freunde sind männlich und Single?
  • Wer heißt mit Vornamen Christina, kennt Stefan und hat in Bonn studiert?

Facebook hat hier schon einen riesigen Schatz an Daten, der mittels Graph Search erstmals gehoben und nutzbar wird. Wer jetzt bei diesen obigen Suchbeispielen mit der Privatsphäre kommt: Laut Zuckerberg soll genau darauf geachtet werden, dass nur die Inhalte verwendet, die man freigegeben hat. Und vor der Einführung von Graph Search sollen die Nutzer die Möglichkeit erhalten, die Privatsphäre-Einstellungen für die jeweiligen Informationen neu festzulegen.

Ich bin mir sicher, dass einige Nutzer die Graph-Search Einführung zum Anlass nehmen werden, mehr Informationen über sich einzugeben. Lieblingsvereine, Filme, Bücher, Sportarten und andere Vorlieben: endlich macht es Sinn, diese Informationen bei facebook einzugeben.

Aber noch eine andere Gruppe wird aktiver werden: Unternehmen, Stars, Institutionen. Verschwanden Status-Updates bisher im Dickicht und der Vergänglichkeit des Feeds, können diese jetzt gefunden werden. Und auch sonst macht es jetzt mehr Sinn, auf facebook präsent zu sein:

  • Zeige mir Zahnärzte, die meinen Freunden gefallen.
  • Welche italienischen Restaurants gefallen meinen italienischen Freunden.
  • Zeige mir Möbelhäuser, die Innenarchitekten gefallen.

Diese beispielhaften Suchanfragen zeigen, welches Potential für Unternehmen jetzt in facebook steckt. Und das wird zu höherer Aktivtäten derselben führen. Dies wiederum wird auch mehr Interaktion und Bewertungen seitens der User in Hinblick auf Unternehmensseiten bringen. Und damit wird facebook zu einer größeren Konkurrenz für Check-In-Dienste wie foursquare oder klassische Bewertungsplattformen wie hierzulande Qype, das inzwischen zu Yelp gehört.

Für Suchanfragen, die nicht mittels der Graph Search beantwortet werden können, soll dann Microsofts Bing herangezogen werden, was die Haltezeit auf der Plattform weiter erhöhen wird.

Und mit all dem verschafft facebook sich zudem unmittelbar neue Möglichkeiten, mehr Werbeumsätze zu erreichen.

Auch Google ist übrigens im Bereich der sozialen Suche aktiv und hat eine Zeit lang sehr massiv Inhalte aus Google+ auf den SERPs präsentiert – das Ergebnis war eine mittlere Katastrophe, was Qualität und Relevanz der Ergebnisse anging, so dass hier auch sehr schnell zurückgerudert wurde. Social Search und Websuche sind eben zwei recht unterschiedliche Dinge. Dieses Zitat bringt es mE ziemlich gut auf den Punkt:

Graph Search and web search are very different. Web search is designed to take a set of keywords (for example: “hip hop”) and provide the best possible results that match those keywords. With Graph Search you combine phrases (for example: „my friends in New York who like Jay-Z“) to get that set of people, places, photos or other content that’s been shared on Facebook. We believe they have very different uses.
Quelle: facebook

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Mit Graph Search baut facebook seine Plattform entscheidend weiter aus und hat so gute Chancen, die Aktivität von Nutzern und Unternehmen auf der Plattform weiter zu steigern. Insoweit gilt:

keep-calm-and-query-on