Meinung: Das vermeidbare Drama um den Sankt Martin in Rheidt

Wie irre ist das denn? Ein Darsteller des heiligen St. Martin muß abtreten, nur weil er festgestellt hat, daß es sich beim St.-Martins-Fest um ein christliches Fest handelt. Darf man demnächst auch nicht mehr sagen, Weinachten sei ein christliches Fest?

Solche und ähnliche Kommentare konnte man heute allenthalben in sozialen Netzen lesen. Aufhänger war ein Artikel im Bonner General Anzeiger, in dem geschildert wurde, dass der Darsteller des Sankt Martin beim Rheidter Sankt Martin Umzug nächstes Jahr nicht mehr wieder auf dem Pferd sitzen werde, da er darauf hingewiesen, dass es sich bei Sankt Martin um ein christliches Fest handle. Über die genauen Hintergründe dort fand man nur wenig, so dass den Spekulationen freilich Tür und Tor geöffnet war.

Hätte der Darsteller z.B. gesagt, „Sankt Martin ist ein christliches Fest und zeigt uns, dass Mitgefühl, Hilsbereitschaft und Teilen zutiefst christliche Werte sind“ wäre die Empörung über seine Absetzung zweifelsohne gerechtfertigt. Anders, wäre die Aussage z.B. gewesen „Sankt Martin ist ein christliches Fest und daher gibt es für Juden, Moslems und Heiden hier und heute keinen Weckmann.“  Auf twitter machte ich den GA Bonn darauf Aufmerksam, dass der Artikel durchaus missverständlich sei, sofern man die Hintergründe nicht kenne. Mein tweet führte nicht nur zu einer recht kontroversen Diskussion, einiges an Aufklärung rund um das Geschehene sondern auch zu einer Anpassung des Artikels:

In einer vorherigen Version des Textes fehlte der Absatz mit den Äußerungen der Schwägerin auf Facebook. Um die Situation und die Umstände der Äußerung des Sankt Martins zu konkretisieren, haben wir uns entschieden, diese Schilderung noch mit in den Text aufzunehmen

Den ganzen den Vorfall schildernden Post – der von der Urheberin gleich in zwei Gruppen mit Bezug zu Rheidt veröffentlicht wurde – ist hier zu finden. Kernaussage ist,

Der „gute St. Martin“ sieht meine kopftuchtragende Schwägerin an, die der deutschen Sprache mächtig ist und auch alles versteht was der nette Mann von sich gibt, mit einer Aggressivität und hasserfüllten Stimme sagt er zu ihr „ sie wissen aber schon, dass es ein christliches Fest ist oder?“

Sollte sich dies so zugetragen haben, wäre die Reaktion des veranstaltenden Ortsrings – hier seine Stellungnahme auf Facebook – nachvollziehbar und richtig. Veranstaltungen wie ein Sankt Martin-Umzug können einen starken integrativen Charakter entfalten und Andersgläubige hier auszuschließen wäre bei solch einem Anlass zutiefst unchristlich.

Allerdings kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nur aufgrund eines Postings auf Facebook ohne weitere Einordnung und Aufklärung – was sagen z.B. der laut Posting wohl anwesende Polizist oder der Sankt Martin-Darsteller selbst dazu? – vorschnell geurteilt wurde. Man darf jedenfalls gespannt sein, ob sich noch weitere Aufklärung zum Sachverhalt ergibt – und wenn ja, ob diese noch wahrgenommen wird.

Alles in allem ist diese Geschichte aber ein gutes Beispiel dafür, wie es eben nicht ablaufen sollte: Möglicherweise überstürzte Entscheidungen und eine auf jeden Fall schlampige Berichterstattung darüber sorgen dafür, dass nun wegen des Rheitder Sankt Martins nun der Untergang des Abendlandes beschworen wird…

Halloween und Deutschland

halloween-kritiker

Es ist wieder Halloween und reflexhaft empören sich die Kritiker über den „Brauch aus Amerika“.

Liebe Halloween Gegner, Ihr müsst jetzt ganz stark sein: Halloween kommt nicht aus den USA. Vielmehr ist es ein alter Brauch, der aus Irland stammt und von dort nach Schottland und England gebracht wurde – das war im 16. Jahrhundert. Später kam das Fest dann mit irischen Auswanderern nach Amerika. Gefeiert wird jedenfalls „All Hallows‘ Eve“, also der Allerheiligenabend. Ob sich darüber hinaus Verbindungen zu alten keltischen oder gar germanischen Totenfesten herleiten lassen, ist zumindest umstritten.

So oder so – wenn überhaupt kann man allenfalls von einem Reimport aus den USA nach Europa sprechen.

Und tatsächlich haben viele der Dinge, die man so zu Halloween macht, auch Vorbilder in unserem Kulturraum. So ziehen die Kinder besonders im Rheinland schon seit gefühlten Ewigkeiten von Tür zu Tür und singen für Süßigkeiten: und zwar zu Sankt Martin am 11. November – zurückhaltender als „Süßes oder Saures“, aber immerhin.

Die „wilderen“ Elemente von Halloween stehen eher in der Tradition der „Unruhnächte“ wie die Walpurgisnacht oder Sylvester und die anderen Rauhnächte, zu denen es auch im deutschsprachigen Raum viele Bräuche gab und vereinzelt noch gibt.

Vorräte anlegen (an den Türen schnörzen/erbetteln/verlangen…), die Angst vor der Dunkelheit, den bösen Geistern mit Lichtern, Feuern, Feiern und Streichen vertreiben, der Toten gedenken – all das ist nicht fremd und gab es schon, bevor Amerika von Europäern besiedelt wurde. Die Zeit rund um den ersten November verlangt eben nach so etwas – das Gedenken an die Toten trägt immer auch die Angst vor ihren Geistern in sich.

Doch viele dieser alten Winterbräuche waren hierzulande in der Breite zwischenzeitlich verschwunden. Halloween befriedigt dieses in vielen von uns schlummernde Bedürfnis danach.

Na gut, werden jetzt einige entgegnen, aber zumindest wie wir Halloween feiern ist doch sehr amerikanisch beeinflusst. Ja, das mag sein. Aber eine gewisse Amerikanisierung erleben wir in vielen Bereichen: man denke nur an den Weihnachtsmann, der sich anschickt, in Deutschland das Christkind zu verdrängen. Und ohnehin werden unsere Feste immer kommerzieller – das wahrscheinlich sogar ganz ohne US-Einfluss.

Ach ja, und dann ist in Teilen Deutschlands ja auch noch Reformationstag – den gibt es erst seit 1667 und hat daher nicht die Tradition der alten Sitten und Gebräuche, die sich in Halloween wiederfinden. Wer weiß, vielleicht wurde er ja bewusst auf diesen Tag gelegt, um alte „heidnische“ und „katholische“ Gepflogenheiten  zu überdecken…

Natürlich kann man die Entwicklung kritisch sehen – so beklagte Reverend John M. Wilsons zu Halloween die „abergläubischen, heidnischen und höchst tadelnswerten Riten, die gegen den gesunden Menschenverstand, die guten Sitten und die christliche Religion“ verstoßen würden. Das war im Jahr 1852. In den USA.

Es wäre wünschenswert, wenn bei allem Spaß die Ursprünge nicht vergessen werden – man sollte aber auch sehen, dass sich Bräuche und Traditionen weiterentwickeln und wandeln. Etwas mehr Lockerheit kann unserem Land jedenfalls nicht schaden.

Ich halte es mit Christian Stöcker und feiere Halloween – unser Kürbis ist jedenfalls schon geschnitzt.