Meinung: Deal with it – die Krim ist russisch. Punkt. (Aber jetzt nicht mehr.)

Vorbemerkung: Dieser Beitrag ist vom 6. März 2014. Ich stimme meiner damaligen Meinung jetzt – September 2022 – noch in vielen Punkten zu. Allerdings möchte ich deutlich machen, dass nach dem begonnen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Krim nicht mehr russisch werden darf – Aggression in dieser Form darf nicht belohnt werden. 

Ich denke spätestens seit dem heutigen Tag -das Regionalparlament stimmte ziemlich eindeutig für einen Anschluss an Russland – muss jedem klar sein, dass die Krim ein Teil Russlands wird. Vielleicht mit einer Übergangszeit als unabhängiger Staat, der dann aber auch schon de facto russisch ist.

Zum einen vorab – historisch und faktisch gesehen gibt es für diese Entwicklung sogar einige sehr gute Argumente. Teil der Ukraine wurde die Krim erst unter dem Ukrainer Nikita Chruschtschow im Jahr 1954. Und mit der Deportierung der Krim Tataren wurden vorher schon durch Stalin ethnische Fakten geschaffen – so sind auch heute noch 60% der Bewohner der Krim Russen, 25% Ukrainer und 12% Krimtataren, die ab 1988 wieder zurückkommen durften. Schon vor dem nun beginnenden Konflikt hatte die Krim als autonome Republik einen Sonderstatus innerhalb der Ukraine.

Natürlich gibt es auch – auf den ersten Blick bessere – Gründe, die gegen die derzeitige Entwicklung sprechen, allen voran das Budapester Protokoll von 1994, in dem auch Russland verspricht, die territoriale Integrität der Ukraine zu wahren. Oder die Verträge über die Stationierung der Schwarzmeerflotte, in denen Moskau verspricht, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einzumischen. Grundsätze des Völkerrechts sowieso.

Und wenn nun russisches Militär mehr oder weniger offen durch die Krim spaziert, der pro-russische Mob tobt und Putin sein Vorgehen mit dem vorgeschobenen Schutz der russischen Minderheit begründet, erinnert wirklich vieles an Hitler und das Protektorat Böhmen und Mähren.

Doch seien wir ehrlich – welche Möglichkeiten hätte der Westen überhaupt, eine russische Krim zu verhindern? Soll die NATO massiv weitere Streitkräfte in der Türkei, Polen, Litauen und der Ukraine selbst stationieren? Sollen die USA DEFCON 2 ausrufen? Bitte, das kann keiner wollen – jedenfalls nicht wegen der Krim, die faktisch schon russisch ist. Blieben Wirtschaftssanktionen, die Russland wirklich treffen. Die würden dann aber auch den Westen treffen – eine neue Rezession, mehr Arbeitslosigkeit, noch defizitärere Staatshaushalte und vielleicht dann auch ein Auseinanderbrechen des Euro.

Machen wir uns also nichts vor, das Spiel ist im wesentlichen vorbei, jetzt geht es darum, in der Verlängerung das bestmögliche herauszuholen. Das ist zwar durch die bislang konzeptlose Linie des Westens deutlich schwieriger geworden, aber noch kommt man aus der Nummer raus, ohne sein Gesicht zu sehr zu verlieren.

Denn jetzt sollte man jetzt alles richtig machen, denn die nächsten Konflikte in der Ukraine sind immanent. Der Westen könnte sich wie folgt positionieren:

  1. Schluss mit der Konfrontationsrhetorik. Ja, wir sehen, die Krim ist an sich russisch. Das erkennen wir auch an, auch wenn das derzeitige Vorgehen Russlands dort gegen Völkerrecht verstößt.
  2. Auf der Krim sollte es bald eine Volksabstimmung über den Verbleib in der Ukraine, einen eigenen Staat oder auch einen Anschluss an Russland geben. Dies unter internationaler Aufsicht und bitte ohne russische Truppen, die Präsenz zeigen.
  3. Wir sehen auch, dass ähnliche Konflikte in anderen Teilen der Ukraine drohen können, z.B. in den östlichen Landesteilen. Diese gilt es zu identifizieren und ein geeignetes Vorgehen abzustimmen – sonst sind wir bald wieder am gleichen Punkt.
  4. Der Schutz der tatarischen und der ukrainischen Minderheiten auf der Krim muss unmittelbar und langfristig sichergestellt werden.
  5. Russland muss die Ukraine im Gegensatz für den Bruch der Schwarzmeerflottenverträge und anderer Abkommen angemessen entschädigen und sie wirtschaftlich unterstützen. Insbesondere müssen die Gaslieferverträge eingehalten werden.
  6. Die Ukraine wird bei ihrer Neuausrichtung wirtschaftlich unterstützt, um einen Zusammenbruch des Staates und soziale Unruhen zu verhindern.
  7. Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine in Form direkter Beeinflussung unterbleibt.
  8. Die Ukraine muss in Ruhe eine neue Verfassung finden und ihre Angelegenheiten auf demokratische Art und Weise regeln.
  9. Die dann entstandene neue Ukraine muss eigenständig über ihre Mitgliedschaft in internationalen Organisationen entscheiden können – und wenn es die NATO wird.
  10. So Russland, wir waren jetzt überraschend kooperativ. Wir haben was gut…

Update 13.3.2014

Ergänzen hätte ich noch sollen, dass sich Russland dann auch bei anderen Referenden an die Entscheidung der Bürger halten soll. Ich sage z.B. Tschetschenien…

Lesenswert zum Thema ist übrigens auch Egon Bahr in der BILD.

Update 1.3.2022

Natürlich muss man Konflikte – und das zeigt dieser Artikel – differenziert sehen. Wenn aber Putin gerade kriegerisch in dieser massiven Form gegen einen souveränen Staat vorgeht, stellt man sich zuerst geschlossen gegen den Aggressor, egal wie komplex die Situation ist.