Liebes Politik-Tagebuch II: Der Nebel lichtet sich

Liebes Tagebuch,

nachdem am Montag doch alle sehr aufgeregt waren, hat sich am Dienstag nach dem Jamaixit die Lage etwas beruhigt und der Nebel um die Nacht von Sonntag auf Montag hat sich etwas gelichtet.

Mit über 200 offenen Punkten in der Sondierung, einer vergifteten Verhandlungsatmosphäre und einer CDU-Chefin ohne der großen Vision konnte es eben nichts geben. Die FDP hat nur als erste die Konsequenz gezogen.

Was deutlich wird – in der Tat haben CDU, Grüne aber besonders die CSU um Seehofer herum dann versucht, die Dolchstoßlegende zu konstruieren, dass alleine die FDP am Scheitern der Jamaika Sondierung Schuld sei. Und auch wenn dies von Teilen der Medien unterstützt wird, verfängt es nicht in der Form, wie gewünscht. Diejenigen, die deswegen nun gegen die FDP wettern, haben es schon vorher getan.

Ansonsten ist nun zunächst abwarten angesagt, in welche Richtung sich die Dinge entwickeln: Neuwahlen, Minderheitsregierung oder doch noch eine große Koalition.

Ach ja und noch eine Sache: In einer ersten Umfrage ist die CDU/CSU unter 30% gerutscht, die FDP hat dazugewonnen. Allerdings ist dies meiner Meinung nach mit Vorsicht zu genießen.

Wie gesagt, abwarten ist angesagt.

 

Liebes Politik-Tagebuch I: Das merkwürdige Verhalten regierungswilliger Politiker nach der Sondierungszeit

Ich werde jetzt in den nächsten Wochen – bis wir eine Regierung haben – ein Politik-Tagebuch schreiben. Das ist der erste Teil.

Liebes Tagebuch,

die Jamaika Sondierungen sind gescheitert. Und auch wenn Bundespräsident Steinmeier Neuwahlen verhindern will und die Parteien aufgefordert hat, noch einmal miteinander zu sprechen, wird es auf Neuwahlen hinauslaufen, da Merkel eine Minderheitsregierung ablehnt.

Aber wie stehen die Parteien jetzt da? Wie positionieren sie sich? Mit welchem tendenziellen Ergebnis ist nach dem Stand der Dinge zu rechnen?

Die CDU – haben wir schon immer so gemacht

Die CDU/CSU Fraktion hat die Ankündigung der Parteivorsitzenden, dass sie im Falle einer Neuwahl erneut als Kanzlerkandidatin antreten wird, mit tosendem Beifall begrüßt!
(Volker Kauder)

Einmal abgesehen davon, dass sich dieser Satz fast schon anhört wie aus dem Pilotbüro der DDR zeigt er das gesamte Dilemma der CDU/CSU

  • eine Alternative zu Angela Merkel hat die Union nicht
  • eine kritische Aufarbeitung der Wahlniederlage – und das war es mit einem 8,6%-Punkten Minus – wird es in der Union nicht geben
  • dass Merkel mit ihrem Mangel an Gestaltungskraft und Standpunkten das Scheitern der Jamaika Sondierung zu großen Teilen zu verantworten hat, wird ausgeblendet.

Es mag sogar sein, dass die geschäftsführende Kanzlerin und mit ihr die Unionsparteien kämpferischer und geschlossener in den wohl kommenden Wahlkampf ziehen werden, als bei der Wahl im September. Fraglich bleibt, ob und inwieweit sie damit aber die Wähler überzeugen kann, insbesondere, da sie einen Schwarz/Grünen Kurs fahren wird. Im Westen Deutschlands könnte dies gelingen, im Osten wird es für die Union nicht einfacher.

Prognose: Die CDU hält das Ergebnis mit kleinen Gewinnen oder Verlusten.

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Wie es nach den gescheiterten Jamaika Sondierungen weitergehen könnte

Wie zu erwarten, sind die Jamaika Sondierungen gescheitert. Wer ernsthaft erwartet hat, die vier Parteien könnten sich einigen, muss reichlich naiv sein – auch wenn nach dem Scheitern der Gespräche gerade CDU/CSU den Eindruck erwecken wollen, dies wäre möglich gewesen, was jedoch schon taktisches Getöse sein dürfte.

Entscheidend wird nun sein, wie die Parteien das Scheitern der Verhandlungen in den nächsten Tagen verkaufen können und wie sich die Wahlumfragen entsprechend entwickeln. Derzeit lassen diese ein nur in Nuancen anderes Wahlergebnis als im September 2017 erwarten. Neuwahlen wären unter dieser Voraussetzung also an sich eine Farce und mE schwer vermittelbar.

Wenn es aber Merkel gelingt, sich nun als fast schon überparteiliche Staatsfrau zu präsentieren – und das hat sie in der ersten Pressekonferenz getan – könnte dies auch der Union nutzen und ihr in den Umfragen ein Plus verschaffen, was sie dazu veranlassen könnte, bei schnellen Neuwahlen nochmals anzutreten. Ob aber Schwarz/Gelb – auch wenn die Mehrheit dann stehen sollte – nach den gescheiterten Sondierungen von ihr angestrebt wird, ist eine ganz andere Frage und Stand heute nur schwer zu beantworten. Derzeit sieht es ja so aus, als bastele die Union die Dolchstoßlegende, die FDP sei grundlos am Abbruch der Verhandlungen schuld.

Aber konkret – was könnte also kommen? „Wie es nach den gescheiterten Jamaika Sondierungen weitergehen könnte“ weiterlesen

10 (schnelle) Gedanken zum Ausgang der #btw17

  1. Der größte Fehler von Angela Merkel und der CDU war es, dass sie während der gesamten Wahlperiode verkannt haben, dass es 2013 eine deutlich konservative Mehrheit gab – rund 53% der Wähler entschieden sich für konservative, liberale oder rechte Parteien. Dadurch, dass FDP (4,8%) und AfD (4,7%) aufgrund der 5% Hürde nicht in den Bundestag kamen, ergab sich hier eine Parlamentszusammensetzung, die nicht dem wirklichen Wählerwillen entsprach. Dies führte wiederum zu einem Stimmungsbild, das nicht viel mit der Realität zu tun hatte, aber fast alle Parteien und Medien trog – und letztlich die CDU zu ihrer neuen Ausrichtung links von der Mitte veranlasste. Diese wiederum ist der entscheidende Faktor für das Erstarken der AfD.
  2. Es ist schön, dass die Wahlbeteiligung mit 76,2% höher ist, als 2013 (71,5%). Mehr als 80% hätte ich aber schön gefunden.
  3. Aufgrund der dauernden Ausgrenzung und pauschalen Diffamierung wurde die AfD – in Verbindung mit Punkt 1 – erst groß. Dieser Fehler wird gerade von Medien und anderen Parteien wiederholt. Die AfD wird sich selbst zerlegen, wenn man sie nur lässt, aber Druck von Außen schweißt zusammen.
  4. Macht Demoskopie in dieser Form noch Sinn? Man kann mit etwas Nachdenken bessere Prognosen abliefern als die meisten Institute – so wie hier.
  5. Schon bei der Nominierung von Schulz fragte ich mich, ob die SPD unter 20% kommen wird. Dass er als großer Hoffnungsträger gesehen wurde, zeigt den Realitätsverlust der Partei. Und die anfängliche Begeisterung der Wähler für Schulz ist ein Beweis dafür gewesen, wie wenig sich diese für Europapolitik interessieren – man hätte Schulz vorher kennen können.
  6. Die 5% Hürde ist nicht mehr zeitgemäß.
  7. Die Amtszeit des Bundeskanzlers sollte auf 2 Wahlperioden beschränkt werden.
  8. Ist eigentlich schon jemand Kanzler geblieben, der den größten Verlust in der Geschichte (8,5 %Prozentpunkte weniger) und das schlechteste Ergebnis nach 1949 verantwortet hat? Es ist verblüffend, dass dies nicht mehr diskutiert wird.
  9. Für CDU/CSU, Grüne und besonders FDP wäre eine Jamaika Koalition eine sehr gefährliche Angelegenheit und könnte diese Parteien schwächen – da es aufgrund der großen Kompromisse schwer fallen wird, Profil zu bilden.
  10. Daher wird es 2018 oder zumindest vor regulärem Ablauf der Legislaturperiode Neuwahlen geben.

Bundestagswahl 2017 – Warum es Neuwahlen geben wird

Hinweis: Diesen Artikel habe ich am 23. September 2017, also einen Tag vor der Wahl geschrieben. 10 spontane Gedanken zum Ausgang der Bundestagswahl 2017 gibt es hier.

Warum es höchstwahrscheinlich Neuwahlen geben wird

Die Bundestagswahl 2017 hat noch gar nicht stattgefunden und doch bin ich mir einer Sache ziemlich sicher.

Es wird Neuwahlen geben.

Ich gehe davon aus, dass die derzeitigen Prognosen in die richtige Richtung gehen, die Union aber stärker verliert und die AfD mehr gewinnt als erwartet. Dass die SPD das schlechteste Ergebnis Ihrer bundesrepublikanischen Geschichte einfahren wird, ist ohnehin so gut wie sicher.

Rein rechnerisch ergeben sich dann nur folgende Koalitionsmöglichkeiten – zum einen die Fortsetzung der großen Koalition oder aber eine Jamaika Koalition aus Union/FDP/Grünen.

Die GroKo wird zwar nach wie vor eine nach wie vor über eine deutliche Mehrheit verfügen, aber massiv verloren haben. Ein Vertrauensbeweis sieht anders aus. Für die SDP wären vier weitere vier Jahre große Koalition jedenfalls tödlich – und es ist davon auszugehen, dass die Partei dies erkennt. Der Untergangstrieb der SPD könnte als einziges meiner Prognose einen Strich durch die Rechnung machen…

Eine Jamaika Koalition wird an den großen Differenzen zwischen CSU und Grünen scheitern.

Was bliebe also? Allenfalls eine Minderheitsregierung, die sich wechselnde Mehrheiten sucht. Sehr unwahrscheinlich.

Bleiben also Neuwahlen.

Wann Neuwahlen?

Die Frage ist, wann es dementsprechend mögliche Neuwahlen geben könnte. Eines ist sehr sicher: jedenfalls nicht mehr 2017.

Nach der Wahl ist zunächst mit langwierigen Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen zu rechnen, die sich sicher bis in den November hinziehen werden – wenn nicht länger. Sollten die Regierungsbildung dann Ende November scheitern und Angela Merkel erzielt keine Mehrheit der Stimmen bei der Kanzlerwahl im Parlament, kann der Bundespräsident sie sogar dann gemäß Art. 63 Abs. 4 Satz 4 GG innert sieben Tagen zur Kanzlerin ernennen, was freilich sehr ungewöhnlich wäre und der gelebten Verfassungstradition der Bundesrepublik widerspräche.

Dementsprechend würde der Bundespräsident den Bundestag auflösen (ebenfalls Art. 63 Abs. 4 GG) und es müssten innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden (Art. 39 Abs. 1 Satz 4 GG).

Mit einer Neuwahl wäre also Anfang 2018 zu rechnen.

Über weiteres möchte ich am Tag vor der Wahl nicht spekulieren.