Meinung: Nicht jede Bezugnahme zur NS-Zeit ist ein Nazi-Vergleich

Bezugnahmen zur und Vergleiche mit der NS-Zeit sind zugegeben immer eine schwierige Sache, werden sie doch meist benutzt um etwas oder jemanden absolut zu diskreditieren und dadurch – oder schon durch den Vergleich allein – eine Diskussion zu beenden. Der Nazi-Vergleich ist in der deutschen Diskussionskultur die Provokation und das Totschlagargument schlechthin.

Ist der Nazi-Vergleich also ein unzulässiges Mittel in Diskussionen? Eine pauschale Antwort kann man mE hier nicht geben, es kommt auf den jeweiligen Kontext an – und darauf, wie man den Begriff versteht.

Völlig unangebracht und damit unzulässig sind regelmäßig Vergleiche, die die Einzigartigkeit des Holocaust relativieren, wie z.B. der von Abtreibungsgegnern gebrauchte Begriff „Babycaust“, oder zur weitgehenden Gleichsetzung eine Person mit den negativen Eigenschaften von NS-Größen führen, wie z.B. die Formulierung „seit Goebbels der schlimmste Hetzer in diesem Land“ (Willy Brandt über Heiner Geißler).

Weit gefasst und grundsätzlich könnte man sagen: ein Vergleich, der den unmenschlichen Kern des NS-Regimes oder eines seiner führenden Repräsentanten auf etwas oder jemanden ohne wissenschaftlichen bzw. sachlichen Zusammenhang übertragen möchte, ist kein zulässiges Mittel, wer ihn einsetzt, ist übers Ziel hinausgeschossen und möchte im Regelfall nur provozieren.

Genau dies ist aber auch das, was allgemein unter Nazi-Vergleich verstanden wird. Letztlich könnte und müsste man daher wohl auch diskutieren, ob „Nazi-Vergleich“ nicht schon ein terminus technicus für dieses spezielle Variante ist, was ich hier einmal offen stehen lassen möchte.

Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass Bezüge und Vergleiche zur NS-Zeit auch in sachlichen Diskussionen möglich sind und auch sein müssen. Wir können schließlich die Vorgänge zwischen den Jahren 1933 bis 1945 in Deutschland nicht dergestalt tabuisieren, dass sie jeglicher – auch überspitzter und provozierender – Argumentation und Diskussion entzogen sind. Ganz im Gegenteil, wir müssen solche Vergleiche ziehen können, um Gefahren für unsere Demokratie frühzeitig erkennen zu können.  Dies gilt – und das will ich nochmals ausdrücklich klarstellen – natürlich nicht uneingeschränkt sondern nur, insoweit eine  Vergleichbarkeit der jeweiligen Sachverhalte im weitesten Sinne tatsächlich gegeben ist und nicht die Gesamtheit der Abartigkeit des NS-Regimes und seiner Folgen auf Subjekt oder Objekt des Vergleichs übertragen werden soll.

Vielleicht sollte man für diese Fallgruppen dann nur einen anderen Terminus als „Nazi-Vergleich“ finden. Denn durch diesen Begriff wird eine beginnende Diskussion im Regelfall ja gleich weggehitlert. Und dies sollte ebenso wenig akzeptiert werden, wie generell eine reductio ad Hitlerum als Argument dienen sollte.

Godwin’s Law

Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit den Nazis oder Hitler dem Wert Eins an.
(Godwins Gesetz)

Im englischen Original lautet es:

As an online discussion grows longer, the probability of a comparison involving Nazis or Hitler approaches One.

Das sog. „Godwins Gesetz“ (Godwin’s Law) wurde am 16. Oktober 1989 von Mike Godwin in einem Usenet Post formuliert. Es basiert auf der Erfahrung, dass in längeren Diskussionen im Internet zwangsläufig ein Nazi-Vergleich kommt.

Oft werden sinnvolle Argumente auch einfach weggehitlert.