Meinung: Europas Dilemma

Die gestrige Europawahl macht wieder einmal Europas eigentliches Problem deutlich: Einerseits bedingt ein langfristig erfolgreicher Euro mE, dass es zu einer weiteren europäischen Integration und insbesondere einer europäischen Wirtschaftsregierung kommt – die dann irgendwann in „Vereinigten Staaten von Europa“ enden müsste. Andererseits scheint die damit verbundene Abgabe weiterer Kompetenzen an Brüssel von den Wählern zusehends skeptisch gesehen zu werden, wie gerade die Wahlergebnisse in Frankreich und z.B. auch Griechenland zeigen.

Ganz im Gegenteil – in Großbritannien (das beim Euro erst gar nicht dabei ist) strebt die überaus erfolgreiche Ukip einen Ausstieg des Landes aus der Europäischen Union an.

Zu befürchten ist also, dass die Politik aus Angst vor dem Wählern weitere Schritte der europäischen Integration unterlässt – mit möglicherweise fatalen Folgen für den Bestand des Euro.

Dieser Artikel ist auf dem Stand des 26. Mai 2014 – aber angesichts der Brexit Debatte immer noch verblüffend Aktuell.

Meinung: Deal with it – die Krim ist russisch. Punkt. (Aber jetzt nicht mehr.)

Vorbemerkung: Dieser Beitrag ist vom 6. März 2014. Ich stimme meiner damaligen Meinung jetzt – September 2022 – noch in vielen Punkten zu. Allerdings möchte ich deutlich machen, dass nach dem begonnen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine die Krim nicht mehr russisch werden darf – Aggression in dieser Form darf nicht belohnt werden. 

Ich denke spätestens seit dem heutigen Tag -das Regionalparlament stimmte ziemlich eindeutig für einen Anschluss an Russland – muss jedem klar sein, dass die Krim ein Teil Russlands wird. Vielleicht mit einer Übergangszeit als unabhängiger Staat, der dann aber auch schon de facto russisch ist.

Zum einen vorab – historisch und faktisch gesehen gibt es für diese Entwicklung sogar einige sehr gute Argumente. Teil der Ukraine wurde die Krim erst unter dem Ukrainer Nikita Chruschtschow im Jahr 1954. Und mit der Deportierung der Krim Tataren wurden vorher schon durch Stalin ethnische Fakten geschaffen – so sind auch heute noch 60% der Bewohner der Krim Russen, 25% Ukrainer und 12% Krimtataren, die ab 1988 wieder zurückkommen durften. Schon vor dem nun beginnenden Konflikt hatte die Krim als autonome Republik einen Sonderstatus innerhalb der Ukraine.

Natürlich gibt es auch – auf den ersten Blick bessere – Gründe, die gegen die derzeitige Entwicklung sprechen, allen voran das Budapester Protokoll von 1994, in dem auch Russland verspricht, die territoriale Integrität der Ukraine zu wahren. Oder die Verträge über die Stationierung der Schwarzmeerflotte, in denen Moskau verspricht, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einzumischen. Grundsätze des Völkerrechts sowieso.

Und wenn nun russisches Militär mehr oder weniger offen durch die Krim spaziert, der pro-russische Mob tobt und Putin sein Vorgehen mit dem vorgeschobenen Schutz der russischen Minderheit begründet, erinnert wirklich vieles an Hitler und das Protektorat Böhmen und Mähren.

Doch seien wir ehrlich – welche Möglichkeiten hätte der Westen überhaupt, eine russische Krim zu verhindern? Soll die NATO massiv weitere Streitkräfte in der Türkei, Polen, Litauen und der Ukraine selbst stationieren? Sollen die USA DEFCON 2 ausrufen? Bitte, das kann keiner wollen – jedenfalls nicht wegen der Krim, die faktisch schon russisch ist. Blieben Wirtschaftssanktionen, die Russland wirklich treffen. Die würden dann aber auch den Westen treffen – eine neue Rezession, mehr Arbeitslosigkeit, noch defizitärere Staatshaushalte und vielleicht dann auch ein Auseinanderbrechen des Euro.

Machen wir uns also nichts vor, das Spiel ist im wesentlichen vorbei, jetzt geht es darum, in der Verlängerung das bestmögliche herauszuholen. Das ist zwar durch die bislang konzeptlose Linie des Westens deutlich schwieriger geworden, aber noch kommt man aus der Nummer raus, ohne sein Gesicht zu sehr zu verlieren.

Denn jetzt sollte man jetzt alles richtig machen, denn die nächsten Konflikte in der Ukraine sind immanent. Der Westen könnte sich wie folgt positionieren:

  1. Schluss mit der Konfrontationsrhetorik. Ja, wir sehen, die Krim ist an sich russisch. Das erkennen wir auch an, auch wenn das derzeitige Vorgehen Russlands dort gegen Völkerrecht verstößt.
  2. Auf der Krim sollte es bald eine Volksabstimmung über den Verbleib in der Ukraine, einen eigenen Staat oder auch einen Anschluss an Russland geben. Dies unter internationaler Aufsicht und bitte ohne russische Truppen, die Präsenz zeigen.
  3. Wir sehen auch, dass ähnliche Konflikte in anderen Teilen der Ukraine drohen können, z.B. in den östlichen Landesteilen. Diese gilt es zu identifizieren und ein geeignetes Vorgehen abzustimmen – sonst sind wir bald wieder am gleichen Punkt.
  4. Der Schutz der tatarischen und der ukrainischen Minderheiten auf der Krim muss unmittelbar und langfristig sichergestellt werden.
  5. Russland muss die Ukraine im Gegensatz für den Bruch der Schwarzmeerflottenverträge und anderer Abkommen angemessen entschädigen und sie wirtschaftlich unterstützen. Insbesondere müssen die Gaslieferverträge eingehalten werden.
  6. Die Ukraine wird bei ihrer Neuausrichtung wirtschaftlich unterstützt, um einen Zusammenbruch des Staates und soziale Unruhen zu verhindern.
  7. Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine in Form direkter Beeinflussung unterbleibt.
  8. Die Ukraine muss in Ruhe eine neue Verfassung finden und ihre Angelegenheiten auf demokratische Art und Weise regeln.
  9. Die dann entstandene neue Ukraine muss eigenständig über ihre Mitgliedschaft in internationalen Organisationen entscheiden können – und wenn es die NATO wird.
  10. So Russland, wir waren jetzt überraschend kooperativ. Wir haben was gut…

Update 13.3.2014

Ergänzen hätte ich noch sollen, dass sich Russland dann auch bei anderen Referenden an die Entscheidung der Bürger halten soll. Ich sage z.B. Tschetschenien…

Lesenswert zum Thema ist übrigens auch Egon Bahr in der BILD.

Update 1.3.2022

Natürlich muss man Konflikte – und das zeigt dieser Artikel – differenziert sehen. Wenn aber Putin gerade kriegerisch in dieser massiven Form gegen einen souveränen Staat vorgeht, stellt man sich zuerst geschlossen gegen den Aggressor, egal wie komplex die Situation ist.

Meinung: Zu G8 (und wider den Gymnasialwahn)

Dieser Beitrag stammt aus dem Jahr 2013 – ist aber auch 2020 noch in vielen Punkten aktuell, auch wenn G8 in vielen Bundesländern inzwischen wieder abgeschafft wurde.

Jedes Jahr, wenn die Sextaner und deren Eltern die ersten zwei bis drei Monate Erfahrungen mit dem Gymnasium gemacht haben, verbreitet sich neuerdings auf twitter und facebook ein Brief von Henning Sußebach an seine Tochter, der bereits 2011 in der Zeit veröffentlicht wurde. Er versucht ihr darin zu erklären, warum sie kaum noch Freizeit hat, sondern intensivst für die Schule lernen muss.

Unbestritten sind durch die Änderungen, die die Verkürzung der Gymnasialzeit auf 8 Jahre mit sich brachte, die Anforderungen an die Schüler gerade in den unteren Jahrgängen deutlich gestiegen, was bei vielen zu Lasten der Freizeit geht. Ja, das ist schade.

Das grundlegende Problem ist jedoch, dass in vielen Regionen das Gymnasium schon fast zur „Gesamtschule“ verkommen ist. Das mag man nun auf den ersten Blick für begrüßenswert halten, da so doch mehr Kindern der Zugang zum Studium eröffnet wird. Ja, das ist schön – doch mit fatalen Folgen. Ich habe mich in letzter Zeit mit einigen Hochschullehrern aus NRW unterhalten, die durch die Bank der Einschätzung waren, dass ein größerer Prozentsatz der G9 Erstsemester den Anforderungen eines Hochschulstudiums erst gar nicht gewachsen ist. Konnte früher durch anspruchsvolle Klausuren „ausgesiebt“ werden, so sei inzwischen politisch gewollt „jeden durchzubringen“, so der Direktor eines Instituts. „Dabei sollten viele besser eine ordentliche Lehre machen.“

Hier kommt ein weiteres grundlegendes Problem dazu: in bestimmten Milieus gehört es inzwischen „zum guten Ton“, dass der eigene Nachwuchs Abitur machen muss, koste es was es wolle – nicht nur Geld, sondern eben auch Freizeit. „Realschule? Gott bewahre!“. Dabei hätte die Realschule ein ganz andere Wahrnehmung verdient – sie ist immer noch eine Schule, die für spätere Berufe wie Krankenschwester, Bankkaufmann, Handwerksmeister oder Steuerberaterin qualifizieren soll. Dass sie das in der Praxis teilweise nicht mehr leisten kann, liegt wiederum im Gymnasialwahn der Eltern begründet.

G8 kann mithin ein Mittel sein, diese Fehler im System zu korrigieren und für Gymnasien zu sorgen, die diesen Namen auch wirklich verdienen, wodurch auch gleichzeitig andere Schulformen wie Realschule und Gesamtschule gestärkt werden. In Bayern sind zu G9 Zeiten rund 20 Prozent der Gymnasiasten nicht zum Abitur gelangt, jetzt sind es laut Sußebach 32%. Für viele von ihnen wäre es besser gewesen, gleich auf die passende Schule zu kommen.

Nicht bestreiten möchte ich, dass die derzeitige Art und Weise der G8 Umsetzung nicht immer optimal ist und die Komprimierung auch nachteilige Folgen haben kann. Oft verkommt Lernen zu reinem „Büffeln“ ohne echten Erkenntnisgewinn, wodurch sich Senecas oft verdrehtes Schulzitat bestätigt. Dass es aber trotz G8 auch anders geht, beweisen jeden Tag viele engagierte Lehrer und Schulen – und gerade diesen und ihren Schülern würde ich gerne mehr Zeit am Gymnasium gönnen.

Letztlich ist daher ein Umbau des Schulsystems auf lange Sicht unumgänglich. Mit starken Gymnasien, die auf eine anspruchsvolle und erfolgreiche Hochschulausbildung vorbereiten. Dazu Realschulen, die diesen Namen verdienen und anerkannt sind. Vielleicht auch Gesamtschulen, an denen ein „kleines Abitur“ für ein Studium an einer Fachhochschule qualifiziert- ich möchte hier keinen Systemstreit führen. Wenn dann dieser Umbau abgeschlossen ist und ein Umdenken stattgefunden hat, ist auch wieder mehr Zeit am Gymnasium. Bis es soweit ist, bleibt vorerst (leider) nur G8.

Es gäbe noch viel zu schreiben, doch ich muss jetzt meiner Tochter den Ablativ erklären. Sie verstehen.

Meinung: Apples iOS7 Problem

So, jetzt ist es da: Apples neues mobiles Betriebssystem iOS 7, das insbesondere mit einem neuen User Interface überzeugen soll.

Ich will jetzt gar nicht groß darüber diskutieren, ob die neue Oberfläche schöner ist als die bisherigen Versionen oder nicht, da dies letztlich Geschmacksache ist. Ich persönlich finde, dass einzelne Apps sogar durchaus sehr schön geraten sind – und erinnern dann auch an Windows Phone. Doch der Homescreen ist nach wie vor eine App Wüste und insbesondere die Icons sind ein Desaster.

Jedoch unabhängig davon, ob einem der Stil von iOS7 gefällt oder nicht: die Oberfläche ist in vielen Bereichen inkonsistent und beinhaltet Änderungen, die erfahrenen iOS Nutzern den Umstieg unnötig schwer machen.

Ein simples Beispiel ist das Aufgeben des bisherigen „Slide to Unlock“ – nun wird das iPhone mit einer Wischbewegung von unten nach oben entsperrt. Warum? Ansonsten haben viele der Icons keine einheitliche gestalterische Ausrichtung. Einerseits ganz flach, dann wieder skeumorphisch flach und dann wieder 3D Effekte – es sieht einfach nicht wie ein Betriebssystem aus einem Guss aus. Besonders auffällig ist das beim Icon der Kamera App, das in verschiedenen Bereichen von iOS unterschiedlich ausfällt.

ios7-blinkibunti

Meine Einschätzung ist daher: iOS7 ist einerseits nicht gut genug, um Android-, Windows Phone-, Blackberry und Feature-Phone User zum Umstieg auf das iPhone zu bewegen und andererseits bricht es so stark mit dem bisherigen iOS, dass es bisherige Nutzer vergrätzt und zu Android und Windows Phone treibt.

Hier noch einige weiterführende Links zum Thema:

Und noch einige lesenswerte tweets:

Nach akribischen Studien meiner Twitter- und Fb-Timeline kann ich zusammenfassen: alle die von Design keine Ahnung haben finden #ios7 schön. (Milena Lebowski)

Gefällt mir sehr gut, dieses neue iOS7-Design – auch wenn es doch arg „inspiriert“ wirkt. #ios7 (Roger)

Haha wie alle über das neue Design vom #ios7 aufregen. Ich finds gar nicht so schlimm. Bin aber auch Android Nutzer. (Chris Kloß)

Are you kidding? Is this the upcoming iOS 7? Looks like linux/android á la yesteryear to me. (rymdkraft)

OH: „Back to Kindergarten.“ #ios7 (Justin Munger)

Ich habe gerade noch einen Tacken skeptischer als mein Avatar geguckt, als ich mir die Bilder von #iOS7 angesehen habe. (Lars)

What?! Come on iOS7, are u nokia-symbianized???? (masterzoul)

Meinung: Die Großmütter und die Marmelade – eine Euro-Parabel

Oma Meier, Oma Huber und Oma Jensen waren Nachbarinnen. Nicht nur das, sie waren auch begeisterte Marmeladenköchinnen. Jedes Jahr, wenn die Erdbeeren die richtige Reife hatten, begannen sie, in vielen kleinen Töpfen Erdbeermarmelade zu kochen. Leider dauerte das immer sehr lange und das Hantieren mit den vielen kleinen Töpfen war sehr umständlich. Längst waren sie nicht so schnell wie ihre Cousine, Grandma Washington.

Daher beschlossen die drei, sich einen Schnellkochtopf zu kaufen. Keinen zu großen. Sondern einen, den sie gut im Griff hatten und bei dem Sie den Druck gut regulieren konnten. Und sollte doch etwas schief gehen, war es nicht schlimm – sooo viele Erdbeeren passten nun auch nicht hinein, so dass sich der Verlust in Grenzen hielt. Und es war kein Problem, sich untereinander mit Erdbeeren auszuhelfen. Das Marmeladekochen fiel ihnen viel leichter und die drei Großmütter waren glücklich. Auch als sich Ihnen noch Oma Schultze anschloss, ging alles gut.

Eines Tages jedoch kamen Grand-Mère Dubois und Nonna Antonelli bei den Marmeladenköchinnen vorbei. Sie brachten vor, dass ja alles schön und gut sei, wie es ist, doch Grandma Washington sei immer noch die größte Marmeladenköchin der Welt und das müsse doch nicht sein. Solle man sich nicht mit weiteren Großmüttern zusammentun und einen riesigen gemeinsamen Schnellkochtopf kaufen? Man könne dann genau so gut Marmelade machen wie Grandma.

Gesagt getan, man rief viele weitere Großmütter dazu und beschloss, sich zusammen zu tun. Fast alle waren begeistert. Nur wenige wie Granny Major und Bedstemor Høeg hatten Bedenken und blieben bei ihren eigenen Schnellkochtöpfen.

Die anderen kauften sich einen riesigen Schnellkochtopf, groß genug, um die Erdbeerernte von allen Großmüttern an einem Tag auf einmal zu Marmelade zu verkochen.

Und so kamen Sie eines Tages im Mai zusammen, und jeder hatte seine Erdbeeren dabei. Was sie dabei in ihrer Begeisterung nicht merken wollten: die Erdbeeren, die die Großmütter aus ihren verschiedenen Gärten zusammenbrachten, waren unterschiedlich reif. Die einen waren gerade richtig, andere setzten schon Schimmel an, während wieder andere noch grün waren. Man munkelt sogar, dass einige Großmütter schöne reife Erdbeeren oben in ihre Körbchen legten und darunter nur Holzwolle und schlechte Früchte. Aber so genau sah niemand hin.

So landeten alle Erdbeeren (und Holzwolle?) in dem riesigen Schnellkochtopf. Doch schon bald begannen die Probleme. Die verschiedenen Früchte passten einfach nicht zusammen. Im Topf rumpelte es und brodelte es und es baute sich ein gewaltiger Druck auf. Doch die Großmütter kannten sich mit so einem großen Schnellkochtopf nicht aus und waren sich nicht einig, was sie machen sollten – mehr Hitze oder weniger? Druck ablassen oder mehr Druck aufbauen? Und während Sie so diskutierten, die einen am Temperaturregler zerrten und die anderen am Druckventil, die einen nach links, die anderen nach rechts, gab es eine gewaltige Detonation…

Ich habe immer nach dem passenden Bild gesucht, die beiden wesentlichen Grundprobleme des Euro zu veranschaulichen: die unterschiedlich weit entwickelten nationalen Wirtschaften (Erdbeeren) und die Unmöglichkeit, diese nationalen Wirtschaften durch Wechselkursanpassungen zu steuern (riesiger Schnellkochtopf). Wenn nun – wie 2012 – gesagt wird, wir hätten eine Schuldenkrise und keine Euro-Krise, ist das zwar im Grundsatz richtig. Doch die gemeinsame Währung hat Europa zahlreiche Regelungsinstrumente genommen, auf nationale Wirtschaftsprobleme zu reagieren. Vielmehr wirken sich durch die gemeinsame Währung  nationale wirtschaftliche Probleme direkt auf den gesamten Euro-Raum aus. Insoweit war die Schuldenkrise 2012 sehr wohl eine Euro-Krise.

Auch in Hinblick auf die Wirtschaftslage im Italien des Jahres 2019 ist diese Parabel wieder aktuell.

Meinung: Das verfassungswidrige Wahlrecht

Wie erwartet hat das Bundesverfassungsgericht das von der Schwarz-Gelben Koalition verabschiedete Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt. Überraschen kann das niemanden, der sich mit dem Gesetz auseinandergesetzt hat und erst recht niemanden, der die mündliche Verhandlung verfolgt hat.

Anstatt viel zu schreiben stelle ich mir einfach nur die Frage, was von einem Parlament zu halten ist,

  • das ein so offensichtlich verfassungswidriges Gesetz verabschiedet,
  • das ein neues Melderecht durchpeitscht, ohne das hinterher gewollt zu wollen
  • und das über milliardenschwere Rettungsschirme entscheidet, ohne zu verstehen, was da eigentlich beschlossen wird (von wenigen Ausnahmen abgesehen).

Vielleicht öffnet das nun dem ein oder anderen Abgeordneten die Augen – denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Die Parteien ohne Meinung beim NRW-Wahlomat

Dieser Beitrag bezieht sich auf die NRW Landtagswahl 2012. Alles rund um die Landtagswahl 2017 gibt es unter dem Tag LTWNRW17.

Seit dem heutigen 26. April ist auch der NRW Wahl-O-Mat für die Landtagswahl am 13. Mai 2012 online – und auch hier habe ich ausgewertet, welche Parteien am meisten „neutrale“ Positionen haben:

SPD: 0
Mensch/Umwelt/Naturschutz: 0
NPD: 0
Grüne: 1
Die Linke: 1
Partei der Vernunft: 1
Pro NRW: 1
BIG: 1
FDP: 2
FBI: 3
AUF: 3
ÖDP: 4
CDU: 5
Piraten: 6
Familie: 7
Freie Wähler: 7
Die Partei: 8

Spitzenreiter ist „Die Partei“ mit 8 neutralen Antworten, gefolgt von den freien Wählern und „Familie“ mit je 7. Es folgen „Die Piraten“ mit 6 und die CDU mit 5 Fragen, zu denen sie keine Meinung haben.

Das Bild ist hier also längst nicht so drastisch wie beim Schleswig-Holsteinischen Wahl-O-Mat, bei dem die Piraten mit 16 neutralen Angaben wirklich wie eine „Partei ohne Meinung“ dastehen.

Piraten beim Wahl-O-Mat – Partei ohne Meinung?

Immer wenn der Wahl-O-Mat für eine neue Wahl online ist, probiere ich ihn aus, um zu sehen, welche Partei mir politisch nahe steht. So vor einigen Tagen auch bei der Saarland-Wahl, wo sich eine Nähe zu denPiraten ergab. Überrascht war ich dann, als sich ein ähnlich deutliches Bild heute auch beim Schleswig Holstein Wahl-O-Mat ergab. Aus meinem Freundeskreis wurde mir der Trend zum Piratentum beim Wahl-O-Mat auf Nachfrage dann oft bestätigt.

Nun teile ich in vielen Punkten durchaus Piraten-Positionen, in vielen anderen aber auch nicht. Worin liegt also das Geheimnis meines Wahl-O-Mat Erfolgs der Piraten?

Ganz einfach – in der Anzahl der neutralen Positionen zu einzelnen Thesen, was eine Partei beim Wahl-O-Mat leicht nach vorne bringt. Bei 38 Fragen äußern sich die Piraten dort 16 mal neutral und sind damit klarer Spitzenreiter bei den Parteien, die sich um Plätze im Kieler Landtag bewerben:

Piraten 16
FDP 8
FamilienPartei 7
SPD 6
Grüne 5
NPD 3
SSW 2
MUD 2
Freie Wähler 1
CDU 1
Die Linke 0

Man könnte jetzt provozierend sagen, dass die Piraten eine Partei ohne Meinung sind – womit man ihnen aber unrecht täte. Vielmehr sind die Piraten eben nach wie vor eine Partei, die in vielen Bereichen ihre Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen hat.

Interessant wird also, in welche Richtung sich die Piraten weiter entwickeln werden.

Nachtrag 26.04.2012: Beim NRW Wahl-O-Mat äußern sich die Piraten zu deutlich mehr Thesen und haben nur bei 6 Themen keine Meinung.

Meinung: Einige Gedanken über den Euro

Es war der späte Abend des 2. Mai 1998, als ich ein altmodisches Telefax ans Bundesverfassungsgericht schickte, das einen Antrag enthielt, dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, der Einführung des Euro zuzustimmen.

Ich begründete dies mit zwei wesentlichen Punkten, die ich hier nur kurz wiedergeben möchte: Zunächst argumentierte ich, dass Art 88 GG es erlaubt, Kompetenzen der Bundesbank an die Europäische Zentralbank abzutreten, die unabhängig ist. Leider zeichnete sich schon an diesem Abend an, dass es eine unabhängige Zentralbank nicht geben würde, wurde doch von den Staats- und Regierungschefs ein informeller Kompromiss über die Dauer der Amtszeit des ersten Präsidenten Wim Duisenberg geschlossen. Zum anderen war schon damals evident, dass einzelne angehende Euro Staaten die Stabilitätskriterien bei objektiver Betrachtung eben nicht erfüllten. Auch aus diesem Grund sah ich eine Kompetenzübertragung in Währungsfragen als problematisch an (vgl. Art 23 GG). Für mich war damit die verfassungsgemäße Zustimmung zur Währungsunion ausgeschlossen. Mein Recht zur Verfassungsbeschwerde begründete ich mit Art. 20 Abs. 4 GG – „Staatsstreich von oben“. Erwartungsgemäß wurde mein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wenige Tage später abgewiesen – mit der Begründung, ich wäre durch den Beschluss noch nicht unmittelbar betroffen. Der Rest ist Geschichte.

Immerhin kann ich sagen, dass ich habe etwas versucht habe. Den folgenden kurzzeitigen Gedanken, in den bewaffneten Widerstand zu gehen, habe ich damals nach wenigen Sekunden verworfen.

So oder so – der Euro wurde mit systemimmanenten Fehlern geboren. Selbst die Kanzlerin spricht inzwischen von „Konstruktionsmängeln„.

mE gibt es nun drei Möglichkeiten:

  1. Es kommt der wirklich große Wurf – mit Europäischer Finanzregierung, Eurobonds und vielen weiteren Milliarden. Das könnte den Euro retten, wäre aber wohl mit einer so weitgehende Aufgabe der Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland verbunden, dass diese Maßnahmen nur schwer mit dem Grundgesetz vereinbar sein dürften. Und auch wenn dies vielleicht überwunden werden könnte – durch den ganz großen Wurf einer neuen deutschen Verfassung (Art. 146 GG) – bleibe noch das riesige Problem der riesigen ökonomischen Unterschiede der Staaten innerhalb der derzeitigen Euro Zone, die für eine lange Zeit immer wieder für Krisen und Konflikte sorgen wurden.
  2. Man wurschtelt weiter wie bisher und gibt dem Euro damit noch eine gewisse Zeit – entweder bis die nächste große Krise kommt und es dann um so schlimmer wird – oder aber bis die Zeit wirklich reif ist für die Aufgabe des Nationalstaats und die Volkswirtschaften sich angeglichen haben.
  3. Das „Aus“ für diesen Euro und entweder ein neuer Kern-Euro (oder gar mehrere, aber mit welchen Ländern?) oder gleich die generelle Rückkehr zu den nationalen Währungen.

Man darf gespannt sein.

Ich sage Ihnen die Meinung

Wenn Sie jemanden nach seiner Meinung zu einem Konzept, einem Logo, Ihrem StartUp, einer Website oder sonst was fragen, werden Sie in den seltensten Fällen eine ehrliche Antwort erhalten. Ein Unternehmensberater wird sein Urteil so formulieren, dass er in der Folge noch mehr Aufträge von Ihnen erhält, ein Freund zu positiv, ein Mitarbeiter Ihres Unternehmens zu betriebsblind etc. etc.

Jetzt können Sie mich nach meiner Beurteilung fragen – und ich werde Ihnen sagen, was ich denke: ehrlich, subjektiv, ohne Hintergedanken – denn auf Aufträge habe ich keine Lust (und auch keine Zeit).

Und das sind die Spielregeln:

  1. Sie schreiben mich an, wozu Sie meine Meinung haben wollen.
  2. Ich teile Ihnen mit, ob ich Lust dazu habe, mich damit zu beschäftigen und Ihnen diese mitzuteilen.
  3. Wir vereinbaren, ob Sie mein Feedback per Mail oder ggf. lieber in einem kurzen Telefonat bzw. Chat (facebook) erfahren wollen.
  4. Wenn zur Meinungsbildung etwas benötigt wird, was mich etwas kostet (Buch, Hardware, kostenpflichtiger Zugang), stellen Sie mir dies für die erforderliche Dauer zur Verfügung.
  5. Sie bekommen meine Meinung – und was mir sonst noch so dazu einfällt.
  6. Ich behalte mir vor, meine Kritik hier im Blog in angepasster Form zu veröffentlichen – unter der Voraussetzung, dass das Thema der Beurteilung bereits öffentlich ist. Betriebsgeheimnisse und Interna werden nicht ausgeplaudert und Schmähkritik gibt es auch keine.
  7. Rechtsauskünfte werden nicht erteilt. Es geht um meine rein private Beurteilung.

Alles weitere können Sie mich fragen. Anfragen nehme ich ausschließlich per E-Mail (severint@live.de) entgegen.