Christian Reber, CEO der 6Wunderkinder, hat in seinem Unternehmensblog zu einer Anti-Copycat Initiative aufgerufen, wovon sich Lukasz Gadowski gehörig auf den Schlips getreten fühlt und sich seinerseits in seinem Blog recht despektierlich über die Wunderkinder äußert. Wörtlich schreibt er von einer „assozialen Hetzkampagne von 6wunderkindern in Berliner Start-Up Szene“ – wobei hier noch anzumerken wäre, dass man „asozial“ nur mit einem „s“ schreibt, aber sei’s drum.
Gadowksi sieht den erwähnten Blogbeitrag also als Teil einer Gesamtkampagne der Wunderkinder gegen ihn und seine Investmentgesellschaft Team Europe. Ob es eine Kampagne gibt oder nicht vermag ich nicht zu beurteilen, denn ich bin in der Berliner Start-Up Szene nicht verwurzelt und strebe das auch nicht an. Insoweit fehlt mir das Insider-Wissen.
Die Frage ist für mich viel mehr: ab wann ist ein Start-Up innovativ oder bis wohin ist es ein Copycat, also ein Nachahmer eines anderen bestehenden Geschäftsmodells
Denn In seinem erwähnten Blogbeitrag zieht Gadowski über Wunderlist, die von mir sehr geschätzte Aufgabenverwaltung, recht heftig her:
Für die, die die Kinder nicht kennen, sie machen eine recht erfolgreiche Online und mobile ToDo Liste. Genial. Isaac Newton und Albert Einstein ziehen gleichzeitig ihren Hut. Eine digitale ToDo Liste! Der Nabel der Innovation, gab es noch nie vorher! hatte nie jemand versucht! Die Wunderkinder haben die ToDo-Liste wohl sehr gut umgesetzt, das sei ihnen unbenommen und ist eine sehr schöne Leistung.
Grundsätzlich stimmt das. Aufgabenlisten gibt es mindestens, seitdem es Tontäfelchen und so etwas wie Schrift gibt. Wahrscheinlich sogar noch früher. Man könnte also sagen, dass jedes Notizbuch und jetzt jede 2do-App eine billige Kopie von Tontäfelchen mit Keilschrift sind. Könnte man, muss man aber nicht.
Der Punkt ist: Sobald es ein Produkt gibt, wird es dazu Konkurrenz geben. Und von wenigen Dingen abgesehen ist alles Evolution statt Revolution. Und ganz pragmatisch gesehen: für den normalen Nutzer wird es in vielen Fällen gar nicht erkennbar sein, wer zuerst da war. Nur bei ganz dreisten Plagiaten ist er sofort offensichtlich. Ich denke hier an chinesische iPhone Clones oder an StudiVZ.
Grundsätzlich ist der Unterschied zwischen „innovativem Start-Up“ und „Copycat“ ein anderer. Denn Copycat oder nicht liegt vereinfacht gesprochen in der Herangehensweise an ein Projekt und in der Einstellung dazu:
- „Wie kann ich schnell reich werden?“ gegen „Wie kann ich die Welt besser machen (und damit bestenfalls noch reich werden)?“
- „Welches Geschäftsmodell funktioniert in den USA gut und kann schnell transferiert werden?“ gegen „Welchen Bedarf haben die Kunden und wie kann ich ihnen geben, was sie brauchen?“
- „Hoffentlich merkt keiner, dass unter der Oberfläche alles wackelig ist.“ gegen „Ich will die beste Lösung liefern.“
- Bloße Effizienz gegen kompetente Leidenschaft
- Agent Smith gegen Neo
- Hermes gegen Athene
Man merkt einem Unternehmen und seinen Produkten an, ob es diesen göttlichen Funken in den Genen hat oder nicht – darum ist Wunderlist eine so erfolgreiche Aufgabenverwaltung, darum wurde das WWW auf einem Next-Computer entwickelt und ja, auch wenn ich das jetzt nicht gerne schreibe, darum beherrscht das iPad den Tablet Markt.
Auch Copycats können erfolgreich sein. Doch wer Kompetenz mit Leidenschaft verbindet, kann Märkte und Menschen verändern.