Mein Vater – oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben (und warum Verhandlungen mit Aggressoren eine schwierige Sache sind)

In den ganz frühen 1980ern war ich noch keine 10 Jahre alt. Wenn ich Abends in meinem Bett in unmittelbarer Nähe der Bonner Hardthöhe lag, dachte ich oft daran, in wie vielen atomar bestückten russische Mittel-und Langstreckenraketen die Zielkoordinaten eben dieses Bettes eingespeichert sein würden. Mein Vater, Regierungsdirektor in einem Bundesamt im Umfeld des Verteidigungsministeriums, nannte mir manchmal die Zahl. Im gleichen Atemzug sagte er aber auch, ich müsse keine Angst haben, denn auf den Sohn seines sowjetischen Gegenparts seien mindestens genauso viele Sprengköpfe gerichtet. Und daher würde niemand abdrücken. Ich für meinen Teil war beruhigt und konnte erst mal gut schlafen.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Das funktionierte nur, da man den atomaren Untergang als ultima ratio nicht ausschloss. Hätte keiner das Potential ernst genommen, hätte es eben nicht funktioniert. Auch das habe ich als Kind am Küchentisch mitbekommen. Dass wir uns später zusammen „The Day After“ gemeinsam ansahen, sei nur am Rande erwähnt.

Die große Friedensdemo im Bonner Hofgarten besuchten wir beide als Zaungäste. Nach seinem Kommentar „Schau Dir diese naiven Spinner an.“ rechnete er mir zuhause vor, dass und warum die Sowjetunion die nächsten 15 Jahre wirtschaftlich nicht überleben könne und dass die atomare Abschreckung aktuell elementar sei, um den Frieden dauerhaft zu sichern.

Genau so rechnete er mir übrigens vor, wie ein kombinierter militärischer / wirtschaftlicher Abnutzungskrieg gewonnen werden kann, was nicht ganz unwichtig für die Frage ist, wie man Waffenlieferungen an die Ukraine sieht, aber das ist ein Thema für einen eigenen Artikel. Aber gut.

Sie werden zu Recht sagen, das seien zu schwierige Themen für ein Kind. Und ich habe damals auch nicht vieles verstanden. Und auch wenn ihm die Geschichte recht gegeben hat, habe ich seine Ausführungen daher später hinterfragt und viel dazu gelesen – doch bei rein objektiver Betrachtung kann man m.E. zu keinem anderen Urteil kommen, auch wenn der Idealist in mir lieber eine Welt ohne Atomwaffen sehen würde.

Aber wir leben nun mal nicht in einer idealen Welt.

Genau so skeptisch sah er auch Verhandlungen mit Aggressoren: öffentliche Gespräche auf Augenhöhe mit Zugeständnissen an diese würden sie nur als Bestätigung ihres Vorgehens sehen und bei nächster Gelegenheit noch radikaler vorgehen.

Auch diesen Standpunkt halte ich nicht nur auf den ersten Blick für richtig.

Das heißt nicht, dass man nicht im Gespräch bleiben soll – ganz im Gegenteil. Hinterzimmerdiplomatie ist wichtig und hat schon viele Krisen beendet. Hinweisen möchte in diesem Zusammenhang z.B. darauf, dass dies USA in der Kubakrise nach außen kompromisslos auftraten und in der öffentlichen Wahrnehmung als Sieger vom Platz gingen. Etwas später zogen sie aber ihre atomaren Jupiter-Raketen aus der Türkei  ab – was Folge einer geheimen Absprache zwischen den USA und der Sowjetunion war. Dieser Abzug fand auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, um die NATO-Partner der USA nicht zu brüskieren und die Vereinigten Staaten als alleinigen Sieger der Krise darstellen zu können, in der die Sowjetunion durch die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf Kuba den Auslöser lieferte. Erfolgreiche Hinterzimmerdiplomatie eben.

Die meisten Krisen und Kriege – so auch der jetzige zwischen Russland und der Ukraine – haben komplexe Hintergründe, die ich gerade hier auch durchaus sehe, siehe z.B. meinen Blogartikel zum Thema Krim aus dem Jahr 2014. Wer aber in einer Art und Weise als Aggressor aufritt, wie Putin es jetzt tut, darf trotz der komplexen Vorgeschichte im ersten Schritt nicht durch öffentliche Verhandlungen belohnt werden, sondern muss sich als erstes bedingungslos zurückziehen.

Ich sehe auch, dass man das anders sehen kann, ja meinen Standpunkt sogar kriegstreiberisch oder menschenverachtend finden mag. Vielleicht ist er das auf den Moment bezogen auch. Auf lange Sicht sind robustes Auftreten und ein funktionierendes Drohszenario aber nach meiner Überzeugung der einzig gangbare, will man Werte und Freiheit dauerhaft verteidigen.

Bild: aus Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben

10 Fakten zum 27. Oktober

  1. Die UNO begeht heute den Welttag des audiovisuellen Erbes. Es wird an die Bedeutung des Erhalts historischer Bild-, Ton- und Filmdokumente erinnert. Sichern auch Sie ihre digitalen Erinnerungen regelmäßig?
    Außerdem ist Welttag der Ergotherapie und Turkmenistan feiert seinen Unabhängigkeitstag.
    Wolfhard hat heute Namenstag.
  2. 1956 wird der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage“, auch Saarvertrag und Vertrag von Luxemburg genannt, abgeschlossen, der den späteren Beitritt des Saarland als zehntes Bundesland zur Bundesrepublik Deutschland ermöglicht. Zehntes übrigens, da Berlin West nicht mitgezählt wurde.
  3. Sowjetische und amerikanische Panzer stehen sich 1961 am Berliner Checkpoint Charlie gegenüber, nachdem DDR-Grenzsoldaten Westalliierte daran gehindert hatten den sowjetischen Sektor zu betreten.
  4. Am 27. Oktober 1962 ist einer der dramatischsten Tage der Kubakrise: Amerikanische Zerstörer beschießen das sowjetische U-Boot B 59 (Bild). Zwei der drei entscheidenden Offiziere an Bord wollen mit nuklearen Torpedos zurückschlagen, doch weigert sich der dritte – Wassili Alexandrowitsch Archipow -, diese ohne nochmalige Bestätigung durch Moskau abzufeuern, womit er vermutlich einen Atomkrieg verhindert. Am gleichen Tag wird ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug von der sowjetischen Luftabwehr auf Kuba abgeschossen, der Pilot stirbt. Er bleibt der einzige Tote der Kubakrise.
  5. Die schwarz-gelbe Koalition zerbricht 1966  an Streitigkeiten über den Bundeshaushalt. Die Staatsverschuldung damals betrug gerade 50 Milliarden Euro. Derzeit sind es übrigens mit rund 2.050 Milliarden über 40 mal so viel (Stand 31.12.2014).
  6. 1969 wird der „Preis für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel“, der vereinfacht und nicht ganz zutreffend als Wirtschaftsnobelpreis bezeichnet wird, erstmals vergeben. Die ersten Preisträger sind Ragnar Anton Kittil Frisch und Jan Tinbergen.
  7. Ein fehlerhaftes Routing-Update im ARPANET – dem wichtigsten Vorläufer des heutigen Internet – macht es 1980 für sechs Stunden lang unbenutzbar. Die Entwicklung sicherer Routing-Protokolle, von denen wir heute alle profitieren, ist die Folge.
  8. Gerhard Schröder wird 1998 vom Bundestag zum 7. Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt.
  9. Erasmus von Rotterdam wird 1466 – möglicherweise auch 1467 oder 1469 – geboren.
  10. Theodore Roosevelt, Jr. kommt 1858 auf die Welt.

Hier sind weitere Infos rund um den 27. Oktober.

10 Fakten zum 25. Oktober

  1. Taiwan gedenkt der Befreiung von der japanischen Besetzung. Außerdem ist heute Weltnudeltag, zu dem wir hier ein passendes Rezept haben.
    Daria hat Namenstag.
  2. Der fränkische Hausmeier Karl „der Hammer“ Martell  stoppt 732 in der Schlacht von Tours und Poitiers den Vormarsch der Araber nach Westen (Bild). Möglicherweise ist die Schlacht entscheidend dafür, dass Westeuropa seinerzeit nicht islamisch wird.
  3. Das Deutsche Reich und Italien schließen 1936 einen geheimen Freundschaftsvertrag, der die „Achse Berlin-Rom“ begründet.
  4. Im Alter von 12 Jahren stirbt im Jahre 1955 Sadako Sasaki. Als 2-jährige überlebte sie den Atombombenabwurf von Hiroshima, erkrankte aber 1954 an Leukämie. Sie faltete daraufhin über 1.000 Papierkraniche, da nach einer japanischen Legende die Götter einem dann einen Wunsch erfüllten. Der Papierkranich ist seitdem Symbol gegen Atomwaffen.
  5. Adolf Hitler wird am 25. Oktober 1956 vom Amtsgericht Berchtesgaden für tot erklärt.
  6. Die USA legen 1962 im Rahmen der Kuba-Krise der UNO Fotos vor, die die sowjetischen Raketen auf Kuba zeigen. Es kommt zu einem legendären verbalen Schlagabtausch zwischen dem sowjetischen UNO-Botschafter Walerian Sorin und seinem US-Kollegen Adlai Stevenson:
    Stevenson: „Ja oder Nein? Warten Sie nicht auf die Übersetzung! Ja oder Nein?“
    Sorin: „Ich bin nicht in einem amerikanischen Gerichtssaal, Sir, und deshalb habe ich keine Lust, eine Frage zu beantworten, die mir gestellt wird, als stünde ich vor dem Staatsanwalt.“
    Stevenson: „Sie stehen hier vor dem Gerichtshof der Weltmeinung und Sie können antworten, mit Ja oder Nein. … Ich bin bereit, auf meine Antwort zu warten, bis die Hölle gefriert.“
    Später wird bekannt, dass Sorin nicht über die Stationierung der Raketen auf Kuba informiert war.
  7. Im Jahr 1971 wird mit der UN-Resolution 2758 die Volksrepublik China in die UNO aufgenommen und Taiwan ausgeschlossen.
  8. Udo Lindenberg tritt 1983 im Berliner Palast der Republik auf. Den Auftritt in der DDR hat er seinem Lied  „Sonderzug nach Pankow“ zu verdanken, in dem es heißt:
    „Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow
    Ich muss mal eben dahin, mal eben nach Ost-Berlin
    Ich muss da was klären, mit eurem Oberindianer
    Ich bin ein Jodeltalent, und ich will da spielen mit ’ner Band
    Ich hab’n Fläschchen Cognac mit, und das schmeckt sehr lecker
    Das schlürf‘ ich dann ganz locker mit dem Erich Honecker
    Und ich sag‘ ey, Honey, ich sing‘ für wenig Money
    Im Republik-Palast, wenn ihr mich lasst“
  9. Karl Freiherr vom und zum Stein wird 1757 geboren.
  10. Pablo Picasso kommt 1881 auf die Welt.

10 Fakten zum 14. Oktober

  1. Heute ist der Welttag der Standards, an dem die Arbeit der tausenden Experten geehrt werden soll, die für IEC, ISO und ITU an der Erarbeitung und Weiterentwicklung einheitlicher Standards arbeiten. Und der Deutsche Hospizbund hat den heutigen Tag zum Hospiztag ausgerufen.
    Alan und Gwendolin haben heute Namenstag.
  2. 1066 gelingt den Normannen unter Wilhelm dem Eroberer bei Hastings ein wichtiger Sieg zur Eroberung Englands über die Angelsachsen.
  3. Das Kinderbuch „Winnie-The-Pooh“ von Alan Alexander Milne erscheint heute im Jahre 1926. Auf deutsch heißt es Pu der Bär.
  4. Chuck Yeager durchbricht in einer Bell X-1 in etwa 15.000 m Höhe im Jahr 1947 als erster Mensch erwiesenermaßen die Schallmauer. Und Felix Baumgartner springt 2012 im Rahmen des Projekts „Red Bull Stratos“ aus 39 Kilometern Höhe ab und durchbricht als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer.
  5. Am 14. Oktober 1962 überfliegen amerikanische U-2-Flugzeuge Kuba und entdeckten sowjetische Techniker und Soldaten, die dabei sind, Abschussrampen für sowjetische SS-4 und SS-5 in der Nähe von San Cristobal aufzubauen (Bild). Die Kuba-Krise beginnt, die die Welt an den Rand eines großen Atomkriegs bringt.
  6. 1964 wird Nikita Chruschtschow als Regierungschef der UdSSR und Generalsekretär der KPdSU gestürzt. Sein Nachfolger wird Leonid Breschnew.
  7. Die erste IKEA Filiale in Deutschland eröffnet heute im Jahr 1974 bei München.
  8. Die Länder auf dem Gebiet der ehemaligen DDR werden 1990 gegründet und es finden direkt Landtagswahlen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern statt.
  9. Dwight D. Eisenhower wird 1890 geboren.
  10. Heinrich Lübke kommt 1894 auf die Welt.