Schnelle Meinung: Warum es keine gute Idee ist, dass sich der Bundestag jetzt mit der Corona Impfpflicht befasst

Das SARSCovImpfG soll jetzt am 18. März 2022 im Bundestag beraten werden, zahlreiche Abgeordnete – hier zu finden – haben den Entwurf unterzeichnet.

Auch wenn ich anfangs ein Befürworter der Impfpflicht war und diese später neutral gesehen habe, lehne ich diese zum jetzigen Zeitpunkt aus mehreren Gründen ab. Diesen auf twitter geäußerten Standpunkt möchte ich hier kurz begründen.

  • Grundsätzlich halte ich eine Impfpflicht für verfassungsrechtlich unproblematisch. Ob man diese bei Corona aber aktuell angesichts der Wirksamkeit der derzeitigen Impfstoffe einerseits und der vergleichsweise milden Omikron Verläufe andererseits verfassungsrechtlich wasserdicht begründen kann, halte ich zumindest für fragwürdig. Dies spricht also schon klar gegen eine Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt.
  • Angesichts des Krieges in der Ukraine würde das Gesetz aber den Makel haben, nicht nur ohne echte Not, sondern auch noch im Windschatten des Krieges ohne große öffentliche Diskussion verabschiedet worden zu sein. Dies gäbe wieder Verschwörungstheorien Auftrieb und würde die Akzeptanz weiter untergraben.
  • Ohnehin ist die Gesellschaft hinsichtlich der Corona Maßnahmen gespalten, neue Gräben tun sich aktuell hinsichtlich des Krieges in Osteuropa auf. Eine Impfpflicht würde nur weiteres Öl ins Feuer gießen.
  • Eine Impfpflicht ist nicht praktikabel kontrollierbar. Ein nicht kontrollierbares Gesetz ist eine Farce.

Ich hielte es zum gegenwärtigen Zeitpunkt für sinnvoller, eine Infrastruktur zu schaffen, die eventuelle spätere Impfpflichten kontrollierbar macht, z.B. ein zentrales Impfregister. Zudem sollte ein Gesetzentwurf auf Vorrat für den Fall vorgehalten werden, dass sich gefährlichere Corona Varianten verbreiten und effektivere Impfstoffe verfügbar sind.

In der derzeitigen Situation aber ein gesellschaftlich umstrittenes und praktisch kaum durchsetzbares Gesetz auf den Weg zu bringen, halte ich für einen Fehler.

Unabhängig von der Pflicht rate ich jedem, dass er sich nach persönlicher Abwägung impfen lassen solle.

Köpfe: Emilia Johanna Fester

Emilia Johanna Fester wurde 1998 in Hildesheim geboren und wohnt in 20357 Hamburg. Von Beruf ist sie Regieassistentin.

Sie trat bei der Bundestagswahl 2021 als Bewerberin an und war auf Platz 3 der Landesliste Hamburg der Partei GRÜNE. Sie zog erfolgreich in den Bundestag ein. Sie ist im 20. Bundestag die jüngste Abgeordnete.

Aufsehen erregte Emilia Fester mit Ihrer Rede zur Impfflicht, die wir hier im Ausschnitt dokumentiert haben, siehe Video oben. Am 17. März 2022 war #emiliafester teilweise trendender Hashtag auf twitter.

Fester ist selbst auf twitter aktiv.

https://twitter.com/emiliafester

 

Meinung: Zur Verfassungsmäßigkeit einer möglichen Corona Impfpflicht

Dieser Beitrag stammt aus dem April 2021. Die Sachlage damals rechtfertigte mE klar eine Impfpflicht. Derzeit – Stand März 2022 ist dies nicht der Fall. Dazu unten im Fazit mehr.

Im Zusammenhang mit möglichen Sonderrechten für gegen Corona geimpfte Personen ergeben sich derzeit sich immer wieder Diskussion zu einer theoretisch möglichen Impfpflicht gegen das Virus, in deren Rahmen auch die Verfassungsmäßigkeit diskutiert und teilweise verneint wird.

Hier daher ein paar Gedanken zur Rechtslage bei Impfpflichten im allgemeinen und einer Corona Impfpflicht im Besonderen. „Meinung: Zur Verfassungsmäßigkeit einer möglichen Corona Impfpflicht“ weiterlesen

Meinung: Wie wir mit dieser und zukünftigen Pandemien umgehen könnten – mit einer Statusampel-Tracing App als zentralem Bestandteil

Folgenden tweet habe ich heute kurz vor dem geplanten Dezember 2021 Lockdown abgesetzt:

Ich würde bei COVID-19 4 Maßnahmen anordnen:

1. Verpflichtendes Kontakt-Tracing (App).
2. Bei Symptomen: Maskenpflicht.
3. Zugang zu Krankenhäusern etc. nur mit negativem Test.
4. Keine überregionale Großveranstaltungen.

Und sobald Impfstoff verfügbar, Impfpflicht.

Mehr nicht.

Der tweet wurde verschiedentlich kritisiert, so wurde mir vorgeworfen, was z.B. ein Kontakttracing ohne verpflichtende Tests bewirken solle. Tatsächlich kommen entscheidende Aspekte meines gedanklichen Ansatzes in 280 Zeichen nicht hinreichend durch, was ich hiermit nachholen möchte.

1. Verpflichtendes Kontakt Tracing mit genereller Infektionstracing- und Statusampel App

Zentraler Baustein meines Konzepts ist eine Kontakt-Tracing und Infektionsstatus Infrastruktur, an der die Teilnahme für alle Menschen empfohlen und für alle ab 16 verpflichtend ist, die sich im öffentlichen Raum bewegen.

Personen, die kein Smartphone haben oder keine entsprechende App darauf nutzen wollen, können ein Token Armband o.ä. erhalten, das den gleichen Zweck erfüllt.

Die Lösung muss für das Tracking von unbegrenzt vielen  Infektionsgeschehen-, Epidemie- und Pandemielagen geeignet sein.

Je nach getrackter Krankheit kann jede – im übrigen anonyme – Nutzer ID vier Stati haben:

  • Weiß: Aktuell nachgewiesen nicht infektiös (nach negativem Test für jeweils individuelle Dauer bzw. länger andauernder Immunität z.B. auch nach Impfung).
  • Grün: keine oder keine als potentiell gefährlichen einzustufenden Kontakte.
  • Gelb: Risikokontakt erfolgt, es ist unverzüglich ein Test vorzunehmen, um sich weiter im öffentlichen Raum bewegen zu können. Dieser Status gilt auch für geimpfte und genesene!
  • Rot: Positiver Test bzw.  kein Test x Stunden nach Status Gelb: Ein Aufenthalt im öffentlichen Raum ist verboten (Quarantäne).

Der Besuch von Einrichtungen aller Art mit Publikumsverkehr und die Benutzung von Massenverkehrsmitteln ist nur gestattet, wenn der Einsatz einer solchen App bzw. Token-Armbands nachgewiesen werden kann. Dies erfolgt grundsätzlich per Stichprobenkontrollen an neuralgischen Punkten (Fernverkehrsbahnhöfe, Flughäfen…) , kann aber auch konkret kontrollierte Zugangsvoraussetzung in Bars, Geschäften, Fitnessstudios etc. sein. Die Entscheidung obliegt grundsätzlich den Betreibern, kann aber bei entsprechend hoher Inzidenz- oder Hospitalisierungsrate durch das jeweilige Bundesland verpflichtend gemacht werden.

In Zeiten besonderer Infektionslagen gilt die Kontrollpflicht dann ggf. für jeden einzelnen Besucher einer Einrichtung, wobei der Zugang im Regelfall dann z.B. nur bei Status grün oder weiß gewährt werden darf. Die Benutzung z.B. eines Taxis ist dann aber auch bei Status gelb möglich, damit ein Arzt aufgesucht werden kann.

Wird ein Test vorgenommen bzw. Immunität festgestellt, erfolgt die Zuordnung des Status dergestalt, dass in der vornehmenden Einrichtung ein dem entsprechenden Test zugeordneter QR Code / NFC Tag auf dem Tracking Device gescannt wird und das entsprechende Testergebnis dann rückgespielt wird.

2. Bei Symptomen: Maskenpflicht

Dieser Punkt gilt für Infektionskrankheiten, bei denen das Risiko für eine Übertragung durch eine Maske reduziert werden kann, so also auch bei COVID-19. Hier sollte dann eine Maskenpflicht für die Menschen gelten, die Symptome zeigen, aber den grünen Status haben, um das Risiko für dritte zu reduzieren. Damit verbunden gilt die Aufforderung, sich testen zu lassen.

Die Maskenpflicht gilt des weiteren für Personen, die den orangenen und roten Status haben, wobei sich diese ohnehin nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Öffentlichkeit bewegen dürfen.

Ansonsten gilt bei sich bei besonderen Infektionslagen bzw. Gefährdungslagen („Grippesaison“) grundsätzlich eine Maskenempfehlung (s.u.). Eine generelle oder spezielle Maskenpflicht kann ansonsten je nach Krankheit und Infektionslage angeordnet werden.

3. Zugang zu Krankenhäusern etc. nur mit negativem Test.

Der Zugang zu Krankenhäusern, Altenheimen  und anderen Einrichtungen, in denen Personen eine jeweiligen Risikogruppe vermehrt anzutreffen sind, ist der Zugang bei einer Epidemie oder Pandemie nur mit weißem Status in der App zugelassen.

Liegt für die von der App umfassten Infektionskrankheiten gerade keine gesonderte Infektionslage vor, kann der Zutritt auch mit grünem Status gewährt werden.

4. Keine überregionalen Großveranstaltungen

An sich gibt es durch das hier vorgeschlagene engmaschig kontrollierte Ampelsystem-Konzept keine Notwendigkeiten von Geschäftsschließungen etc.  Bei kritischen Infektionsgeschehenslagen, insbesondere sich anbahnenden Epidemie- oder Pandemielagen, sollten aber keine überregionalen Großveranstaltungen wie z.B. Festivals, Bundesligaspiele oder Konzerte durchgeführt werden.

Weiteres

Bei den weiteren Maßnahmen sollte auf Eigenverantwortung gesetzt werden. Dies umfasst

  • Empfehlung, Masken zu tragen
  • Hygienemaßnahmen wie Händewaschen und Desinfektion
  • Abstandsempfehlungen
  • Lüftungsempfehlungen

Diese Maßnahmen sollen aber reine Empfehlungen sein, da sie ohnehin nur schwer kontrolliert werden können.

Impfung

Sofern verfügbar sollte im Einzelfall eine Impfpflicht dann eingeführt werden, wenn der erwünschte Effekt – insbesondere eine bestimmte Durchimpfungsquote – nicht durch das freiwillige Impfungen erreicht werden kann. Dies ist freilich – auch wenn sie grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet – immer ultima ratio. Ob diese bei Corona Stand Ende 2021 und erst recht angesichts der milden Omikoron Verläufe Anfang 2022 angezeigt ist, halte ich aber für fragwürdig, es sollte auf Freiwilligkeit gesetzt werden.

Dieser Beitrag wurde im Dezember 2021 und Januar 2022 behutsam angepasst.

Meinung: Warum die Impfung gegen COVID-19 nicht direkt verpflichtend sein sollte

Mit zunehmender Verfügbarkeit der Corona Impfstoffe wird natürlich auch über das Thema Impfpflicht diskutiert.

Voranstellen möchte ich, dass ich grundsätzlich Befürworter einer Impfpflicht – wie z.B. bei Masern – bin und diese auch bei Corona für verfassungsrechtlich unproblematisch halte. Der parlamentarische Rat hatte bei der Verabschiedung des Grundgesetzes die Pockenimpfpflicht im Hinterkopf und das Bundesverfassungsgericht stellte dazu noch 2010 fest:

“Der Staat verlangt dem Impfpflichtigen ein Sonderopfer ab, nämlich die Duldung eines nicht ganz risikofreien Eingriffs, der die Gesundheit gefährden kann. Die Maßnahme soll nicht allein den Geimpften persönlich schützen, sondern darüber hinaus die Krankheit, die durch Ansteckung verbreitet wird, im Interesse der Allgemeinheit eindämmen. Die gesamte Bevölkerung ist mithin Nutznießer der individuellen Impfung.” (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. Februar 2010- 1 BvR 1541/09).

Dennoch halte ich eine Einführung einer Corona-Impfpflicht derzeit für nicht sinnvoll – allein schon, da zum Beginn ohnehin nicht genug Impfstoffdosen zur Verfügung stehen werden. Zuerst sind medizinisches Personal, andere systemrelevante Berufe und Risikogruppen dran, erst dann die breite Bevölkerung. Und hier glaube ich, dass die für eine Herdenimmunität erforderliche Masse im Laufe einer absehbaren Zeit durch die Menschen, die sich freiwillig impfen lassen wollen, erreicht wird. Mehr als 60% bis 70% der Bevölkerung müssen es wahrscheinlich gar nicht sein.

Erst dann, wenn sich abzeichnet, dass die notwendige Durchimpfungsrate durch Freiwilligkeit nicht erreicht wird und – wovon ich ausgehe – der Impfstoff hinreichend sicher ist, sollte eine Impfpflicht eingeführt werden.

Zum jetzigen Zeitpunkt heizt das Thema Impfpflicht die ohnehin schwierige Diskussion um die richtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie nur unnötig an – und sollte daher erst und nur auf den Tisch, wenn diese Diskussion tatsächlich geführt werden muss.

Hinweis: Dieser Text wurde am 27. April 2021 überarbeitet.

Meinung: Zur Verfassungsmäßigkeit der Masernimpfpflicht

Über einen Thread auf twitter ergab sich eine Diskussion zur kommenden Impfpflicht bei Masern, in deren Rahmen auch die Verfassungsmäßigkeit diskutiert und teilweise verneint wurde. Hier daher ein paar Worte zur Rechtslage bei Impfpflichten im allgemeinen und der Masernimpfpflicht im Besonderen.

Ist eine Impfpflicht grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar?

Zunächst stellt sich die Frage, ob ein Impfzwang grundsätzlich überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Zwar stellt jede Impfung einen Eingriff in grundgesetzlich garantierte körperliche Unversehrtheit dar, doch steht sie unter den Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in dem Zusammenhang bei einer Entscheidung rund um die Pockenimpfung treffend fest, dass der Wesensgehalt des Grundrechts nicht durch einen Eingriff angetastet werden kann, „dessen Zielsetzung gerade die Erhaltung der Unversehrtheit ist.“ (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.07.1959, Az.: BVerwG I C 170.56).

Dies sah übrigens schon der Parlamentarische Rat so, der den damals bestehenden reichsgesetzlichen Impfzwang gegen die Pocken als Beispiel für einen zulässigen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit hervorhob. Die Abgeordneten Eberhard, Süsterhenn und Nadig machten zudem in der 32. Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen am 11.01.1949 klar, dass sich dies nicht nur auf die Pocken, sondern auch auf alle anderen Krankheiten beziehen müsse. Der bisweilen und im angesprochenen Thread geäußerte Vorwurf, ein Impfzwang sei schon mit dem Geise des Grundgesetzes nicht vereinbar, ist also falsch, um nicht zu sagen absurd.

Das Bundesverfassungsgericht bleibt dieser Linie auch in der jüngeren Rechtsprechung treu und macht deutlich, dass es bei der Frage nach der Impfpflicht auch nicht nur um Individualrechte geht:

„Der Staat verlangt dem Impfpflichtigen ein Sonderopfer ab, nämlich die Duldung eines nicht ganz risikofreien Eingriffs, der die Gesundheit gefährden kann. Die Maßnahme soll nicht allein den Geimpften persönlich schützen, sondern darüber hinaus die Krankheit, die durch Ansteckung verbreitet wird, im Interesse der Allgemeinheit eindämmen. Die gesamte Bevölkerung ist mithin Nutznießer der individuellen Impfung.“ (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 26. Februar 2010- 1 BvR 1541/09).

In diesem Zusammenhang sollte man sich bei der Diskussion um die Impfpflicht vergegenwärtigen, dass Art. 2. Abs. 2 ja nicht nur die eigene, sondern die körperliche Unversehrtheit jedes Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes schützt, woraus eine nicht unerhebliche Meinung sogar die verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers zur Einführung eines Impfzwangs sieht. Dass sich diese möglicherweise auch noch aus Art 20 Abs. 1 GG und aus dem Gedanken des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG ergibt, soll hier nur am Rande erwähnt werden.

Es ist praktisch einhellige Meinung in Rechtsprechung, Forschung und Lehre, dass eine Impflicht verfassungsrechtlich zulässig, wenn nicht ggf. sogar geboten ist.

Konkret – die Masernimpfpflicht

Doch wie sieht es konkret mit der Impfpflicht gegen die Masern aus?

Diese, genauer das zugrundeliegende Gesetz, muss verhältnismäßig sein, was der Fall ist, wenn ein legitimer Zweck mit einem legitimen Mittel verfolgt wird und das gewählte Mittel geeignet, erforderlich und angemessen zur Zweckerreichung ist.

Der Zweck ist der Gesundheitsschutz der Bevölkerung, insbesondere der von Personengruppen, die selbst nicht geimpft werden können und auf den Herdenschutz angewiesen sind, also Säuglinge oder Personen mit Erkrankungen. die eine Impfung ausschließen. Der Gesundheitsschutz ist ein hohes Gut, das Verfassungsrang genießt. Ein legitimer Zweck ist also zu bejahen.

Dass eine Impfpflicht grundsätzlich auch ein legitimes Mittel ist, haben wir ja schon mit der einhelligen Meinung festgestellt.

Auch kein Zweifel besteht, dass das gewählte Mittel dazu geeignet ist, den Zweck zu erreichen, denn der Gesetzgeber hat „vor allem im Gesundheitswesen bei der Festlegung und Ausgestaltung sozialpolitischer Ziele einen weiten Gestaltungsspielraum“ (ständige Rechtsprechung des BVerfG, siehe z.B. Beschluss des Zweiten Senats vom 13. September 2005– 2 BvF 2/03). Insbesondere muss das gewählte Mittel nicht optimal sein, sondern nur der Zweckerreichung im weitesten Sinne dienlich sein.

Diskutieren könnte man allenfalls bei der Erforderlichkeit. Denn kommt es in Deutschland derzeit nicht nur zu wenigen Masern-Erkrankungen? Und gibt es nicht schon bei der Erstimpfung gegen Masern eine hohe Quote von rund 95%? Dann könnte man sagen, dass die Beibehaltung der geltenden Rechtslage ein milderes und gleich effektives Mittel sei. Der Deutsche Ethikrat führt zur aktuellen Diskussion aus, die Masern seien „geradezu ein Musterbeispiel einer Infektionskrankheit…, deren Eradikation im globalen Maßstab möglich wäre. Trotzdem „gelingt schon ihre Elimination in verschiedenen Weltregionen … bislang nicht dauerhaft. Auch in Deutschland ist das Ziel, die Masern zu eliminieren, bisher verfehlt worden. Ursachen dafür, dass die Elimination der Masern bisher in Deutschland nicht gelungen ist, sind zum einen die nicht ausreichende Quote bei den Zweitimpfungen sowie die insgesamt zu spät erfolgenden Erst- und Zweitimpfungen im Kindesalter.“ Da diese Quote durch eine Impfplicht erhöht werden kann, ist die Pflichtimpfung auch erforderlich.

Auch ist eine Schutzimpfung grundsätzlich ein angemessenes Mittel – sie ist nicht mit Kosten für den einzelnen verbunden und es gibt hinreichend Ausnahmeregelungen für Fälle, bei denen die Impfung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Das Risiko von Komplikationen ist überschaubar, für den unwahrscheinlichen Fall von dauerhaften Schäden sieht § 60 IfSG kompensatorische Ansprüche vor.

Fazit

Eine Masernimpfpflicht ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn es nicht sogar die Einführung dieser bedingt.

Dagegen spricht auch nicht, dass die Masern aktuell – gerade auch dank der aktuell schon hohen Impfquote – in Deutschland derzeit nur eine vergleichsbare geringe Gefahr darstellen. Die Impfpflicht stellt sicher, dass es bei dieser hohen Quote bleibt und sich die Quote insbesondere bei der wichtigen Zweitimpfung verbessert. Ziel ist und muss es sein, die Masern in Gänze auszurotten, wie es bei den Pocken schon gelungen ist,

Zudem wird die Bildung von ungeimpften Gruppen – wie sie in manchen Milieus inzwischen beobachtet werden kann – wirksam verhindert.

Karikatur: Impfzwang

Das Thema Impfzwang bzw. Impfpflicht beherrscht nicht nur 2019 (Masern) sowie 2021 (Corona) die Menschen und Medien, sondern auch schon 1874, wie diese Karikatur aus dem Kladderadatsch vom 22. März 1874 zeigt. Hintergrund ist das Impfgesetz von 1874, bei dem es um die Pockenimpfung ging.

Hier können Sie übrigens nachlesen, ob und inwieweit eine Impfplicht in Sachen Masern und Corona verfassungsgemäß ist.

Meinung: Statt Impfpflicht – selber zahlen im Krankheitsfall

Angesichts der gehäuft auftretenden Fälle von Erkrankungen an Masern in Berlin wird nun wieder einmal über eine Impfpflicht diskutiert. Meiner Meinung nach gibt es für diese sehr gute Gründe. Fraglich bleibt, ob sie angesichts der derzeitig vorherrschenden Hysterie in gewissen Kreisen zunächst politisch und letztlich praktisch umsetzbar wäre.

Andere wie die Bonner Bundestagsabgeordnete Katja Dörner schlagen stattdessen Beratungsgespräche vor. Hier ist aber fraglich, ob der harte Kern der Impfgegner damit überhaupt erreicht werden kann.

Wirksamer könnte sein, den Besuch von Schule und Kindergarten von einem umfassenden bestehenden Impfschutz abhängig zu machen und Ausnahmen nur in begründeten Ausnahmefällen zuzulassen. Grundsätzlich eine wirksame Methode, doch erfasst man damit nicht geimpfte Erwachsene nicht.

Bliebe folgendes: ein Beratungsgespräch über die Impfung ist verpflichtend, auch für nicht geimpfte Erwachsene. Wer sich nach diesem Beratungsgespräch gegen eine Impfung entscheidet, muss im Falle einer spezifischen Erkrankung seiner Krankenhasse dann die Behandlungskosten ersetzen.

Noch weitergehend denkbar: Es wird gehaftet, sobald durch einen nicht geimpften Menschen ein Virus übertragen wird, wobei eine Beweislastumkehr gilt, um die Verfahren zu vereinfachen.

Die Impfraten würden aber schon in der abgeschwächten Variante deutlich ansteigen.