10 Fakten über Artikel 18 GG – Grundrechtsverwirkung

  1. Artikel 18 Grundgesetz lautet:
    Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.
  2. Das Verfahren ist in den §§ 36 bis 42 BVerfGG geregelt. Es übrigens nicht nur gegen natürliche, sondern  auch gegen juristische Personen eingeleitet werden.
  3. Die Verwirkung ist nur möglich, wenn die genannten Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht werden, die Religionsfreiheit z.B. ist ausdrücklich ausgenommen.
  4. Ein Antrag auf Verwirkung von Grundrechten kann ausschließlich durch den Deutschen Bundestag, die Bundesregierung oder eine der Landesregierungen eingereicht werden (§ 36 BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hört zuerst den Antragsgegner und kann eigene Untersuchungen anstellen; so hat es die Befugnis, Zwangsmaßnahmen bis hin zu Hausdurchsuchungen oder Beschlagnahmen zu veranlassen. Sieht das BVerfG Erfolgsassichten, findet eine mündliche Verhandlung statt.
  5. Den Umfang und die Dauer der Verwirkung der Grundrechte legt das Bundesverfassungsgericht fest. Es kann dem Antragsgegner auf die Dauer der Verwirkung der Grundrechte auch das Wahlrecht, die Wählbarkeit und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkennen und bei juristischen Personen auch ihre Auflösung anordnen. Es ist umstritten, ob die Verwirkung nur für die Grundrechte, die zum Kampf gegen die FDGO missbraucht wurden, oder auch die anderen genannten Grundrechte ausgesprochen werden kann. Sachgerecht ist wohl die zweite – herrschende – Meinung, systemgerechter erscheint hier aber die Mindermeinung.
    Nach § 84 III StGB kann zu einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren verurteil werden, wer gegen die Auflagen des Bundesverfassungsgerichts verstößt.
    Sowohl Antragsgegner als auch Antragssteller können ggf. später Anträge stellen, die Verwirkung aufzuheben.
  6. Juristisch umstritten ist, ob die Rechtsfolge der Verwirkungsentscheidung der Verlust des Grundrechts oder nur das Verbot ist, sich gegenüber staatlichen Einschränkungsmaßnahmen darauf zu berufen. Die herrschende Meinung geht von letzterem aus. Diese ist aber abzulehnen, auch wenn sie auf den ersten Grund sachgerechter wirkt. Allein schon der Wortlaut des Artikel 18 spricht dagegen. Hinsichtlich der Folgen dürfte der Meinungsstreit aber ohnehin unerheblich sein.
  7. Bisher sind in der Gesichte der Bundesrepublik vier Verwirkungsverfahren in die Wege geleitet worden, die allesamt erfolglos waren.
  8. Für das erste Versagungsverfahren gegen den ehemaligen Vorsitzenden der verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP) Otto Ernst Remer ließ sich das Bundesverfassungsgericht von 1952 bis 1960 rund acht Jahre Zeit, das zweite Verfahren betraf 1969 bis 1974 den Herausgeber der „Nationalzeitung“ Gerhard Frey, das dritte und vierte Verfahren liefen von 1992 bis 1996 gegen die beiden Rechtsextremen Thomas Dienel und Heinz Reizs. In allen Fällen ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Betroffenen keine Gefahr (mehr) für die FDGO darstellten.
  9. Die praktische Bedeutung von Artikel 18 Grundgesetz ist also mehr als nur gering. Das Strafrecht ist die geeignete Methode, Angriffe auf die Grundordnung abzuwehren. Ich bin mir persönlich daher noch nicht sicher, ob Artikel 18 daher entbehrlich oder doch ein wichtiges Signal für die wehrhafte Demokratie ist. Eine Diskussion über Art. 18 GG gab es nur selten. 2017 allerdings zu der Frage, ob das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung nach Art. 4 Abs. 2 GG in den Grundrechtekatalog des
    Art. 18 GG aufgenommen werden soll, was sinnvoll sein dürfte.
  10. Im Jahr 2024 ist der Artikel wieder vermehrt in der Diskussion, da eine Petition fordert, dem Vorsitzenden der Thüringer AfD, Björn Höcke, die Grundrechte zu entziehen.

Illustration: Midjourney AI

Themenschwerpunkt: Grundgesetz

Hier finden Sie eine Übersicht mit Artikeln, die sich mit den Grundgesetz befassen:

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Zu den einzelnen Artikeln

I. Die Grundrechte

II. Der Bund und die Länder

III. Der Bundestag

IV. Der Bundesrat

IVa. Gemeinsamer Ausschuss

V. Der Bundespräsident

VI. Die Bundesregierung

IX. Die Rechtsprechung

X. Das Finanzwesen

Xa. Verteidigungsfall

XI. Übergangs- und Schlussbestimmungen

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