Meinung: Warum ich #StopFundingHate völlig daneben finde

Demokratie lebt vom Austausch von Meinungen, von der Diskussion, manchmal auch vom Streit. Und Demokratie lebt daher von der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt.

Das sind für mich keine hohlen Worte. Ich lebe das auch. In meiner Timeline auf twitter tauchen rechte, linke, liberale Meldungen auf. Damit ich mir mir ein umfassendes Bild machen kann. Es ist für mich auch kein Grund, jemanden zu entfolgen, wenn er einen Standpunkt vertritt, die mir nicht passt. Und ich unterstütze z.B. durch eine monatliche Spende auch Sibel Schick, obwohl deren gesellpolitische Ansichten sehr oft ablehne.

Eine Meinung verbreiten zu können, kostet oftmals eben auch Geld. Geld, das nicht nur im Internet nicht selten über Werbung generiert wird. Daher stehe ich auf dem Standpunkt: Egal wie links oder wie rechts ein Medium ist, muss es die Möglichkeit haben, die Verbreitung seiner nicht strafbaren Meinung auch durch Werbeeinnahmen finanzieren zu können. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich keinen Adblocker installiert habe.

Immer wieder gibt es aber Aktionen, denen das nicht gefällt. 2016 hat Gerald Hensel mit #KeinGeldFürRechts versucht, ihm missliebige Medien von Werbeerlösen abzuschneiden.

Jetzt prangert Werber-Urgestein Thomas unter dem Hashtag #StopFundingHate auf twitter  Werbeschaltungen von Firmen auf Seiten wie Breitbart oder Epochtimes an. Diese Schaltungen sind übrigens meist keine bewussten Entscheidungen der dort als Werbung erscheinenden Firmen, sondern die Anzeigenschaltungen erfolgen über Anzeigennetzwerke. Oft folgen die Anzeigen übrigens einfach den Nutzern, z.B. über Retargeting. Sprich: Hat z.B. z.B. jemand Ansons besucht oder einen dazu relevanten Begriff gegoogelt und geht dann auf Breitbart, taucht dort die Ansons Anzeige auf – die sonst dort nie erschienen wäre. Das nur am Rande. Hier ist es wohl auch nicht relevant, da nach eigenen Angaben von #StopFundingHate über verschiedene Maßnahmen verhindert wird, dass ihnen Anzeigen wegen Retargeting eingeblendet werden. Einem normalen Nutzer, der einfach so durchs Netz surft, könnte dies freilich anders gehen.

Ich sehe Breitbart, Epochtimes, PI News und andere sog. neurechte Medien überaus kritisch, ebenso wie extrem links eingestellte Medien. Aber es wäre es für mich nie ein Grund, ein Unternehmen anzugreifen oder anzuprangern, wenn auf mir nicht genehmen Seiten Anzeigen von ihm erscheinen. Jedenfalls solange keine eindeutig strafbaren Angebote betroffen sind

Wer für Meinungsfreiheit eintritt, muss ertragen, dass es auch abweichende Meinungen in Medien gibt. Und dass diese genau so ein Recht auf Werbeeinnahmen haben, wie die Medien, die Meinungen vertreten, die meiner entsprechen. Und ich finde, es wird gefährlich, wenn man in dem Bereich mit moralisch guten und schlechten Inhalten argumentiert.

Thomas Koch hat auf meine Kritik auf twitter geantwortet:

Meinungsfreiheit, immer gerne. Aber nicht Finanzierung gesellschaftszersetzender US- und RUS-Plattformen durch deutsche Marken, die dort nicht werben wollen. Die sollen sich anderweitig finanzieren. Und Darkpooling ist imho verbrecherisch… #StopFundingHate

Ja, das mag sein und ich kann den Ansatzpunkt seiner Kritik an meinem Standpunkt verstehen. Doch ich finde, hier sollte man die Faust in der Tasche machen und ansonsten schweigen. Denn wenn wir anfangen, die Büchse der Pandora zu öffnen, werden wir diese nie wieder schließen können und die Rufe nach Werbeboykotten werden immer lauter werden – irgendwann auch bei moderaten Medien mit Sitz in Deutschland.

Was ich als Scholz & Friends zu #KeinGeldfuerRechts geschrieben hätte

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Inzwischen hat Scholz & Friends reagiert. Eine schnelle Einschätzung dazu von mir findet sich auf Facebook, wird aber auch hier im Blog folgen. Kurz gesagt: Stefan Wegners Stellungnahme wird die Diskussion wohl kaum befrieden.

#KeinGeldfürRechts und die Stellungnahme von Scholz & Friends

Die meisten werden es mitbekommen haben: Gerald Hensel, Werber bei Scholz & Friends, hat auf seinem Blog eine Initiative unter dem Hashtag #KeinGeldfuerRechts gestartet, mit dem er rechten Medien den Geldhahn zudrehen will. Agenturen sollten bei rechten Seiten keine Werbung schalten und diese auf die Blacklists setzen, was Retargeting und andere automatisierte Einblendungen angehe. So weit so gut – oder auch nicht. Ich persönlich halte diese Kampagne für falsch, insbesondere weil Hensel bei der Auswahl der zu boykottierenden Seiten deutlich übers Ziel hinausgeschossen ist. Nicht alles, was nicht ins eigene Weltbild passt, ist böse. Genau so fände ich übrigens eine #KeinGeldfuerLinks Aktion falsch, ausführlicher hier.

Jedenfalls hat auf der FaceBookseite seines Arbeitgebers eine regelrechte Bewertungsschlacht begonnen. Kritiker des Aufrufs bewerten die Agentur mit einem Stern, Befürworter kontern mit der vollen Punktzahl. Auch darüber mag man trefflich streiten; Hensel und Scholz&Friends sind an dieser Entwicklung aber nicht ganz unschuldig, hatte sich doch Hensel auf die Rückendeckung seines Arbeitgebers berufen und andererseits die Agentur am 8. Dezember folgendes auf ihrer Facebookseite veröffentlicht:

Liebe Facebook-Community,

ganz schön was los bei uns in den letzten Stunden. Wir möchten zunächst mal kurz darauf hinweisen, dass die Aktion #keingeldfürrechts die private Initiative unseres Mitarbeiters Gerald Hensel ist. Also seid Ihr hier an der falschen Adresse. Und wer glaubt, dass er indirekt bei uns Druck aufbauen kann, damit wir diesen dann an einen Friend weitergeben, kennt unsere Agentur nicht. Zu #keingeldfürrechts kann man unterschiedliche Meinungen haben. Aber wir überlassen das jeder Privatperson und auch jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter bei uns, sich diese selbst zu bilden.

Was wir grundsätzlich toll finden: Friends, die sich engagieren und die Meinung und Haltung mitbringen. Und gerne darüber streiten. Dann sind sie richtig bei Scholz & Friends. Das gilt für Gerald und zum Glück auch für ganz viele andere Friends.

Euer Team von Scholz & Friends

Den Link zum Original-Post habe ich hier, einen Screenshot gibt es unten. Ich halte dieses Posting für ungeschickt und bin mir sicher, dass es wesentlich dazu beigetragen hat, den Kampf um die Bewertungshoheit zu verschärfen.

Was hätte man anders schreiben können?

Kritisieren ist gut, besser oder zumindest anders machen aber etwas ganz – öhm – anderes. Was hätte ich also geschrieben.

Liebe Facebook-Community,

es ist hier ja ganz schön was los in den letzten Stunden.

Wir möchten zunächst mal kurz darauf hinweisen, dass die Aktion #keingeldfürrechts die private Initiative unseres Mitarbeiters Gerald Hensel ist.

Wir als Agentur treten für eine breite, bunte und vielfältige Medienlandschaft ein. Verschiedene Meinungen und eine lebendige Diskussionskultur machen eine Demokratie aus, ja ohne diese wäre sie wohl gar nicht möglich.

Daher finden wir #keingeldfürrechts nicht gut. Eine Aktion #keingeldfürlinks fänden wir übrigens genauso schlecht.

Wichtig ist aber auch, dass jeder Mensch offen an der politischen Diskussion teilnehmen kann, ohne Angst vor Repressalien haben zu müssen, besonders auch nicht von seinem Arbeitgeber.

Wer daher glaubt, dass er indirekt bei uns Druck aufbauen kann, damit wir diesen dann an einen Kollegen weitergeben, ist hier an der falschen Adresse – denn Meinungsfreiheit ist für uns kein hohles Wort.

Euer Team von Scholz & Friends

Ich bin kein Werber oder Texter, insoweit ist dieser Text nicht perfekt, aber ich glaube, es wird deutlich was ich damit sagen will: so eine Aktion, die andere Medien mundtot machen will, ist nicht akzeptabel. Aber wegen eines einmaligen Ausrutschers direkt einen Mitarbeiter zu entlassen, ist auch überzogen.

Ein #henselgate für Scholz & Friends?

Fragen wirft der weitere Umgang von S&F mit Hensels Aktion auf, die sich für die Agentur zusehends zum #henselgate entwickelt.

Die Einsternebewertungen nehmen zu, die positiven stagnieren. Es gibt Beschimpfungen deutlich unterhalb der Gürtellinie und Kunden von S&F werden aufgefordert, die Verträge mit der Agentur zu kündigen, ansonsten werde man die Unternehmen boykottieren.

Nicht schön. Und die Reaktion von Scholz & Friends dazu? Schweigen.

So gibt es seit dem zitierten Facebook Post keine weitere öffentliche Stellungnahme, die Adventskalender Aktion auf Facebook wird nicht fortgeführt, auf tweets wird nicht mehr reagiert, eine ziemlich verunglückte Mail an Broder von achgut.com. Stattdessen ist die Pressemitteilung, mit der Hensels Verpflichtung kommuniziert wurde, nicht mehr erreichbar. Die ursprünglich witzige 404 Seite mit dem confused Vincent Vega Meme ist seriös geworden.

Man mag fast den Eindruck gewinnen, dass eine Deutschlands renommiertester Agenturen einen Kommunikationsberater braucht.

Anhang – der Screenshot

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Screenshot 14.12.2016 ca. 7:30h.

Meinungsfreiheit – oder: warum ich #KeinGeldFuerRechts nicht gut finde

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Demokratie lebt vom Austausch von Meinungen, von der Diskussion, manchmal auch vom Streit. Und Demokratie lebt von der Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt.

Das sind für mich keine hohlen Worte. Ich lebe das auch. In meinen Timelines tauchen rechte, linke, liberale Meldungen auf. Damit ich mir mir ein umfassendes Bild machen kann. Es ist für mich auch kein Grund, jemanden zu entfrienden, wenn er eine Meinung vertritt, die mir nicht passt – jedenfalls, solange diese nicht gegen geltendes Recht verstößt.

Und genau deswegen stört mich die von Gerald Hensel, der bei Scholz&Friends arbeitet, ins Leben gerufene Aktion #KeinGeldFuerRechts so. Für die, die sie nicht kennen: Er ruft dazu auf, dass Firmen nicht auf Medien wie z.B. „Achse des Guten“ werben sollten. Sie sollten solche Seiten z.B. bei Google Adsense auf ihre Blacklists setzen. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wäre es eine Seite die strafbare rechte Hetze verbreitet. Ist es aber nicht. Wie Hensel selber zugibt:

Zweifellos sind Seiten wie Breitbart News und die Achse des Guten, PI-News oder Compact legale Medien.

Dennoch solle man darauf keine Werbung schalten. Um diese auszutrocknen. Und das halte ich für grundfalsch. Weil wir Meinungsfreiheit und verschiedene Meinungen brauchen.

Übrigens, genau so falsch fände ich eine #KeinGeldFuerLinks Aktion.

Nachtrag 1

Scholz & Friends ist mehr oder weniger freiwillig in die Diskussion rund um #KeinGeldFuerRechts hineingezogen worden, da Hensel sich darauf beruft, dass sein Arbeitgeber ihn unterstütze. So prasseln bei der facebook Seite der Agentur gerade 1 Sterne Bewertungen ein, die von 5 Sterne Bewertungen gekontert werden. Man mag sehr darüber streiten, ob dies legitim ist oder nicht. Allerdings: Hensel hat Unternehmen und politische Diskussion in einen Zusammenhang gebracht. Insbesondere hat er sich auch auf die Rückendeckung seines Arbeitgebers berufen, der sich auch in diesem Sinne geäußert hat. Insoweit halte ich es zumindest für legitim, auch an dieser Stelle für Meinungsfreiheit einzustehen.

Nachtrag 2

Hensel schreibt in einem Beitrag bei Medium, er habe nie dazu aufgerufen, bei gemäßigt konservativen Medien keine Werbung zu schalten. Das liest sich hier anders:

boykott-aufruf

Nachtrag 3

Wie man dem Stern entnehmen kann, verlässt Gerald Hensel Scholz & Friends, obwohl sein Arbeitgeber voll hinter him steht. Ich bin mir sicher, wir werden noch viel von ihm hören.

Ich halte seine Kampagne für falsch, jedenfalls in der Form, in der er sie durchgezogen hat. Nicht nur, dass er bei der Auswahl der Blogs weit übers Ziel hinausschoss und hier auch nicht einheitlich argumentierte (s.o.). Er hat auf erste Kritik auch selbst in recht drastischer Sprache geantwortet und ist so nicht ganz unschuldig daran, dass die Diskussion so entglitten ist.