Dokumentiert: Die Ausladung von Erika Steinbach vom 40. Jahrestag der DIG

Hier dokumentieren wir das Schreiben, mit dem Erika Steinbach vom 40. Jahrestag der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) ausgeladen wurde.

DEUTSCH-ISRAELISCHE GESELLSCHAFT E.V.
Arbeitsgemeinschaft Frankfurt am Main

Vorab per Mail an die Adresse
info@erasmus-stiftung.de

Frankfurt am Main,

19.11.2019

Guten Tag, Frau Steinbach,

Sie haben von der Stadt Frankfurt eine Einladung zum 40. Jubiläum der DIG Frankfurt erhalten und zugesagt. Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Sie bei dieser Veranstaltung nicht willkommen sind und appelliere an Sie, von einer Teilnahme abzusehen.

Die DIG hat in der jüngsten Sitzung ihres Bundespräsidiums in Berlin beschlossen, Sie schriftlich aufzufordern, Ihre politischen Überzeugungen künftig nicht mehr mit Ihrer Mitgliedschaft in der DIG zu untermauern oder zu begründen. Ein entsprechendes
Schreiben wird Ihnen unser Präsident Uwe Becker in Kürze übermitteln.

Ihre Nähe zur AfD ist mit den Grundsätzen und Überzeugungen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ihrer Mitglieder nicht kompatibel. Unser Wertekanon setzt auf historische Verantwortung, Toleranz und basiert auf einem unverrückbaren Demokratieverständnis.

Diese Kriterien werden von der AfD nicht erfüllt. Unser Eindruck ist, dass Sie die zunehmende Radikalisierung der Partei mit Überzeugung begleiten.

Weder die Jüdischen Gemeinden in Deutschland — siehe das Interview von Dr. Schuster als Präsident des Zentralrates vom Wochenende in der WELT – noch die Mitglieder der DIG haben dafür Verständnis.

Gerade angesichts der vielen Jahren Ihrer Mitgliedschaft in der DIG und unserer persönlichen Bekanntschaft habe ich die herzliche Bitte, dass Sie von Ihrer Teilnahme am Donnerstag Abstand nehmen.

Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen

Links oder rechts?

Wie schätzen Sie diese politischen Positionen und Forderungen ein?

  • Wir fordern, dass sich der Staat verpflichtet, in erster Linie für die Erwerbs- und Lebensmöglichkeit der Staatsbürger zu sorgen.
  • Alle Staatsbürger müssen gleiche Rechte und Pflichten besitzen.
  • Brechung der Zinsknechtschaft.
  • Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die jeder Krieg vom Volke fordert, muß die persönliche Bereicherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden: Wir fordern daher restlose Einziehung aller Kriegsgewinne.
  • Wir fordern die Verstaatlichung aller (bisher) bereits vergesellschafteten (Trusts) Betriebe.
  • Wir fordern Gewinnbeteiligung an Großbetrieben.
  • Wir fordern einen großzügigen Ausbau der Altersversorgung.
  • Wir fordern die Schaffung eines gesunden Mittelstandes und seine Erhaltung, sofortige Kommunalisierung der Groß-Warenhäuser und ihre Vermietung zu billigen Preisen an kleine Gewerbetreibende, schärfste Berücksichtigung aller kleinen Gewerbetreibenden bei Lieferung an den Staat, die Länder oder Gemeinden.
  • Schaffung eines Gesetzes zur unentgeltlichen Enteignung von Boden für gemeinnützige Zwecke.
  • Abschaffung des Bodenzinses und Verhinderung jeder Bodenspekulation.
  • Wir fordern die Ausbildung besonders veranlagter Kinder armer Eltern ohne Rücksicht auf deren Stand oder Beruf auf Staatskosten.
  • Der Staat hat für die Hebung der Volksgesundheit zu sorgen durch den Schutz der Mutter und des Kindes, durch Verbot der Jugendarbeit, durch Herbeiführung der körperlichen Ertüchtigung mittels gesetzlicher Festlegung einer Turn- und Sportpflicht, durch größte Unterstützung aller sich mit körperlicher Jugendausbildung beschäftigenden Vereine.
  • Gemeinnutz vor Eigennutz.
  • Wir fordern Ersatz für das der materialistischen Weltordnung dienende Recht.

Klingt doch eher links, oder? Dabei sind die Positionen dem Parteiprogramm der NSDAP von 1920 entnommen – wobei es natürlich viele weitere Punkte gibt, die wieder auf ganz andere Ziele hinweisen. Hinweisen darf ich auch gleich darauf, dass ich einzelne Kürzungen vorgenommen habe, die direkt erkennen liessen, dass all die guten Taten nur Volksgenossen zugute kommen sollten.

Warum ich das schreibe? Erika Steinbach hat auf twitter die NSDAP als „linke“ Partei bezeichnet:

steinbach-twitter

Dass danach heftigste Proteste folgten, dürfte keinen verwundern. Und zu dem Thema könnte man jetzt sehr viel schreiben – wozu mir heute leider die Zeit fehlt. Ich möchte aber doch den kleinen Denkanstoß bringen, dass die Begriffe „Links“ und „Rechts“ zu vereinfachend für die Einordnung von Parteien sind. Und das geht an Frau Steinbach und an ihre Kritiker. 140 Zeichen Echtzeitdiskussion sind für manche Themen einfach nur suboptimal.

Ich ergreife hier ausdrücklich NICHT Partei für Erika Steinbach generell, insbesondere nicht für ihre SPD-Gleichschaltungs-Aussage und anderem Blödsinn. Ich halte nur nichts von reflexhaften Diskussionsreaktionen. Und auch die Einzigartigkeit der Dimension der durch Deutschland zwischen 1933 und 1945 begangenen Verbrechen möchte ich durch diesen Beitrag nicht in Frage stellen.