Kriminalfall: Joachim Göhner

Am 15. April 1958 ereignete sich die erste Kindesentführung in der Bundesrepublik Deutschland, als der siebenjährige Joachim Göhner aus Stuttgart-Degerloch von Emil Tillmann, einem 40-jährigen Aushilfsgärtner, entführt wurde. Tillmann lockte den Jungen unter dem Vorwand, ihm Tiere im Stuttgarter Haldenwald zeigen zu wollen, dorthin und erdrosselte ihn. Das gerichtsmedizinische Gutachten datiert den Todeszeitpunkt jedoch auf einige Tage später.

Tillmann versuchte anschließend, vom Vater des Jungen ein Lösegeld von 15.000 DM zu erpressen. Die Geldübergabe verzögerte sich jedoch, und sieben Tage nach der Entführung wurde die Leiche des Jungen gefunden. Die Polizei hatte die Stimme des Entführers auf Tonband aufgezeichnet.

Da die Ermittlungen ins Stocken geraten waren, wurde erstmals in der deutschen Geschichte die Stimme des Täters im Rundfunk ausgestrahlt. Mehrere Hinweise führten zur Verhaftung Tillmanns, der die Tat gestand. Während der Untersuchungshaft erhängte sich Tillmann.

Der Fall führte zur Diskussion über die in Deutschland abgeschaffte Todesstrafe und machte die Ausstrahlung von Täterstimmen über Rundfunk oder Telefonansage zu einem Standardmittel der Kriminalistik.

Der Fall wurde in der Fernsehreihe „Stahlnetz“ als Folge 19 mit dem Titel „Rehe“ verfilmt und am 16. Juni 1964 erstmalig ausgestrahlt. Schauspieler Sigurd Fitzek spielte den Mörder Emil Tillmann unter dem Rollennamen Willy Funke. Die ursprüngliche Ausstrahlung wurde wegen eines Gerichtsprozesses in einem ähnlichen Fall verschoben.

Illustration: Midjourney AI

10 Fakten zum 29. November

  1. Die UN haben den heutigen Tag im Jahr 1977 zum „Tag der Solidarität mit dem palästinensischen Volk“ erklärt. Albanien feiert heute den zweiten Tag hintereinander: Es ist der „Tag der Befreiung“ 1944. Und Liberia gedenkt heute des Geburtstags seines legendären Präsidenten William S. Tubman, der in den 1950er Jahren dafür sorgte, dass Liberia das zweitstärkste Wirtschaftswachstum der Welt nach Japan hatte.
    Friedrich hat heute Namenstag.
  2. „The Times“ wird 1814 in London als erste Tageszeitung der Welt mit einer Schnellpresse gedruckt. Es ist die Geburtsstunde der modernen Massenblätter.
  3. In Warschau beginnt 1830 der Novemberaufstand gegen die russische Herrschaft, woraufhin sich die russischen Truppen und Großfürst Konstantin überrascht aus Polen zurückziehen.
  4. 1847 werden beim „Whitman-Massaker“ der Arzt und Missionar Marcus Whitman und seine Frau Narcissa gemeinsam mit 15 weiteren weißen Siedlern durch Indianer der Stämme Cayuse und Umatilla in der Nähe des heutigen Walla Walla im Oregon-Gebiet ermordet. 17 Jahre später – 1864 – ermorden 600 Angehörige der 3. und 1. Colorado-Kavallerie-Regimenter unter Oberst John M. Chivington 133 Indianer der Cheyenne und Arapaho, ganz überwiegend Frauen und Kinder. Dieser Vorfall geht als Sand Creek Massaker in die Geschichte ein.
  5. Im Jahr 1877 führt der Erfinder Thomas A. Edison den von ihm entwickelten Phonographen der Öffentlichkeit vor.
  6. Der FC Barcelona wird 1899 durch Hans Gamper gegründet. Der Schweizer wird auch einer der besten Spieler des jungen Vereins.
  7. Der erste Tatort, „Taxi nach Leipzig„, wird heute im Jahr 1970 ausgestrahlt.
  8. Ebenfalls 1970 wird einer der beiden „Aldi Brüder“, Theo Albrecht (Aldi Nord), entführt. Als er die damalige Konzernzentrale in Herten als letzter verlässt, schlagen die beiden Entführer, Hans Joachim Ollenburg und Paul Kron, zu. Sie lassen sich den Ausweis des sparsamen Albrecht zeigen, da sie denken, er sei für einen der reichsten Deutschen zu schlecht gekleidet. Albrecht wird 17 Tage später gegen Zahlung von sieben Millionen DM Lösegeld freigelassen.
  9. Wilhelm Hauff wird 1802 geboren.
  10. Gottfried Semper kommt 1803 auf die Welt.

Hier sind mehr Fakten und Infos zum 29. November.

10 Fakten zum 5. September

  1. Es ist der von der UNO uinitiierte Tag der Wohltätigkeit. Und die deutsche Schmerzhilfe erinnert heute mit dem „Kopfschmerztag“ insbesondere auch an chronisch Schmerzkranke.
    Roswitha, Urs und Hermine haben heute Namenstag.
  2. Der seit drei Tagen wütende Brand von London wird 1666 unter Kontrolle gebracht.
  3. Der Grundstein für Neuschwanstein wird 1869 gelegt. Der bayerische König Ludwig II. beauftragte es als idealisierte Vorstellung einer Ritterburg aus der Zeit des Mittelalters. Heute gilt es als eines der berühmtesten Schlösser der Welt und ist der Prototyp eines Märchenschloss.
  4. Formel 1 Rennfahrer Joachim Rindt verunglückt 1970 beim Training zum großen Preis von Monza tödlich. Er wird dennoch postum Weltmeister, da er bereits zu diesem Zeitpunkt die Fahrerwertung uneinholbar anführt.
  5. 1972 überfallen palästinensische Terroristen das olympische Dorf in München, töten zwei jüdische Sportler und nehmen 11 als Geiseln.
  6. Festtag für die Generation Golf: 1974 hat der „Große Preis“ mit Wim Thoelke im ZDF Premiere.
  7. 1977 beginnt der „Deutsche Herbst“ mit der Entführung von Hanns Martin Schleyer durch die RAF.
  8. Die Raumsonde Voyager 1, die später spektakuläre Bilder z.B. vom Saturn liefern wird, startet ebenfalls 1977.
  9. Caspar David Friedrich wird 1774 geboren.
  10. Fritz-Dietlof von der Schulenburg kommt 1902 auf die Welt.

Hier sind weitere Infos rund um den 5. September.

Von Außerirdischen entführt

Ben (Name von der Redaktion geändert) schläft unruhig – plötzlich erscheint ein grelles Licht über ihm, wie von Geisterhand getragen schwebt er durch den Raum um dann auf einem Untersuchungstisch zu liegen zu kommen. Ein anderes grelles Licht scheint über ihm, nur schemenhaft erkennt er eine Gestalt, die ihn entkleidet und mit spitzen langen Fingern etwas in seinen Anus einführt, er weiß nicht, was es ist, aber es tut weh. Er schwebt zurück in sein Bett, wo er kurz darauf in einen tiefen Schlaf versinkt. Noch Jahre später plagen ihn diese dunklen Erinnerungen. Er ist sich noch im Erwachsenenalter sicher, dass er von Außerirdischen entführt wurde.

Und diese Geschichte ist nahezu komplett wahr.

Denn dem kranken dreijährigen Ben wurde von seiner Mutter nächtens auf dem Wickeltisch ein fiebersenkendes Zäpfchen verabreicht. Und aus der Sicht eines fiebrigen Dreijährigen wird sich das ganze so anfühlen, wie geschildert. Und dass so eine Erinnerung auch viele Jahre dunkel erhalten bleibt, würde mich nicht wundern.

Das ist jedenfalls meine Theorie, warum so viele Menschen glauben, von Außerirdischen entführt worden zu sein.

Die Aktion Spindy, Klaus Pflieger – und noch einiges mehr

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„Die Aktion Spindy“ – was sich vom Titel her wie ein Kinderabenteuer anhört, ist viel mehr: es geht um die Schleyer Entführung. Dieser wurde von seinen Entführern mit dem Spitznamen „Spindy“ bedacht, da er oft in einem Spind eingesperrt war.

Ich darf zu dem Buch aus dem Klappentext zitieren:

Die Darstellung der Schleyer-Entführung ist das Ergebnis jahrelanger Ermittlungen des Autors. Klaus Pflieger war als Oberstaatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft. U.a. Anklageverfasser gegen Peter-Jürgen Boock, Koordinator der Anklage gegen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar, vernahm 1990 den ersten aussagewilligen Aussteiger der RAF (Werner Lotze) und war dann auch Vernehmender bei der „Lebensbeichte“ von Boock vom März bis Mai 1992. Seine Darstellung der Aktion „Spindy“ (wie Schleyer von seinen Entführern genannt wurde) basiert in erster Linie auf den Angaben und Erläuterungen von Tatbeteiligten und den polizeilichen Fahndungsergebnissen.

Für jeden, den die Geschichte der RAF interessiert, ist dieses Buch hochspannende Lektüre. Leider ist derzeit keine aktuelle Auflage verfügbar, hin und wieder findet man aber noch gebrauchte Exemplare:

Die Aktion ‚Spindy‘alt

In manchen Punkten ist das 1996 erschienene Buch daher auch nicht mehr aktuell (so hat sich die RAF 1998 aufgelöst) – die tiefen Einblicke und die Schilderung des ambivalenten Verhältnisses zwischen Schleyer und seinen Entführern, Stichwort Stockholm Syndrom, machen das aber mehr als wett.

Zur Schleyer Entführung habe ich ein ambivalentes Verhältnis, da man durchaus sagen könnte, dass es „den richtigen“ getroffen hat. Denn Schleyer war schon früh überzeugter Nazi: 1931 Hitlerjugend, 1933 SS. 1935 trat er unter viel Gewese aus seiner Studentenverbindung aus, als dieses sich weigerte, jüdische Altherren auszuschließen – er warf ihr „mangelnde nationalsozialistische Gesinnung“ vor. Später machte er im Dritten Reich Karriere: Im „Zentralverband der Industrie für Böhmen und Mähren“ war er Leiter des Präsidialbüros und persönlicher Sekretär des Präsidenten. Der Verband war für die „Arisierung“ der tschechischen Wirtschaft und die Beschaffung von Zwangsarbeitern für das Deutsche Reich zuständig. Nach dem Krieg machte Schleyer rasch Karriere in der Bundesrepublik. Zum Zeitpunkt seiner Entführung war er Vorstand der Daimler Benz AG und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Als Schleyer anlässlich seiner Ernennung zum BDI-Präsidenten gefragt wurde, wie er zu seiner SS-Vergangenheit stehe, sagte er öffentlich im Fernsehen, dass er stolz darauf sei. So war er aus RAF Sicht das perfekte Opfer. Doch bei aller Kritik an der Person Schleyer will und kann ich seine Entführung und Ermordung durch die RAF freilich nicht gutheißen.

Mit der Schleyer Entführung und der Familie verbinde ich zudem noch drei recht persönliche Erlebnisse:

Zum einen ist das Bild von Schleyer als „Gefangener der RAF“ eine meiner ersten „Medien-Erinnerungen“.

Kurz darauf portraitierte meine Mutter die Kinder eines Schleyer Sohns – und bevor diese vorbei kamen, wurde uns eingebleut, ja alle Spielzeugpistolen zu verstecken, schließlich sei der Großvater gerade erst getötet worden. Die Geschichte endete so, dass die Schleyer Enkel mit ihren mitgebrachten Spielwaffen fast alle unsere Goldfische umbrachten…

Und zu Beginn des neuen Jahrtausends hatte ich mit dem Schleyer Sohn Hanns-Eberhard beruflich im Rahmen des damaligen Projekts handwerk.de zu tun… die Zusammenarbeit mit dem ZDH verlief so „gut“, dass ich eines Tages zusammen mit anderen vom ZDH geprellten Herren in der Redaktion des „Der Spiegel“ saß und mit meinen Informationen die Grundlagen zum Artikel „Handwerk: Finanzielle Grenzerfahrung“ legte. Lieber Christoph von Hammerstein, Sie müssen also nicht länger rätseln, woher „Der Spiegel“ das alles wusste – do ut des.

Was ist um 17:05h passiert?

Die RAF Terroristen Susanne Albrecht, Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar klingeln in dieser Minute am 30. Juli 1977 beim Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Ponto, um ihn zu entführen. Die Entführung scheitert, Ponto wird getötet.