Dokumentiert: Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD

Hier dokumentieren wir das Ergebnis der Sondierungsgespräche für die Bildung einer möglichen Großen Koalition zwischen CDU, CSU und SPD, das sog. Sondierungspapier.

Finale Fassung 12.01.2018

Präambel

Wir erleben neue politische Zeiten mit vielfältigen Herausforderungen für Deutschland – sowohl international als auch national. Deutschland ist weltweit ein anerkannter Partner. Die Wirtschaft boomt, noch nie waren so viele Menschen in Arbeit und Beschäftigung. Das ist auch Ergebnis der Regierungszusammenarbeit von CDU, CSU und SPD. Das Wahlergebnis zeigt aber auch, dass viele Menschen unzufrieden waren. Daraus werden wir die entsprechenden Schlüsse ziehen. Wir wollen sichern, was gut ist, aber gleichzeitig den Mut zur Erneuerung und Veränderung beweisen. Wir werden die Probleme anpacken, die die Menschen in ihrem Alltag bewegen, und uns mutige Ziele für die nächsten vier Jahre setzen. Wir werden für Stabilität und Zusammenhalt ebenso wie für Erneuerung und Sicherheit in unserem Land arbeiten. Die großen Fragen unserer Zeit wollen wir entschlossen lösen. Wir wollen:

  • einen neuen europapolitischen Aufbruch, den sozialen Zusammenhalt in unserem Land stärken und die entstandenen Spaltungen überwinden,
  • unsere Demokratie beleben,
  • dass die Menschen bei uns die vielfältigsten Chancen nutzen und in Sicherheit leben können,
  • die Familien stärken und gleiche Bildungschancen für alle,
  • unser Land erneuern, in die Zukunft investieren und Innovationen fördern, damit wir unseren Wohlstand ausbauen und auch zukünftig mit der weltweiten Dynamik mithalten können, den digitalen Wandel von Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft für alle Menschen positiv gestalten,
  • einen größeren Beitrag leisten, um weltweit zu besseren Lebensbedingungen und Chancen beizutragen.

Wir wollen eine stabile und handlungsfähige Regierung bilden, die das Richtige tut. Dabei streben wir einen politischen Stil an, der die öffentliche Debatte belebt, Unterschiede sichtbar bleiben lässt und damit die Demokratie stärkt. „Dokumentiert: Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD“ weiterlesen

Liebes Politik-Tagebuch II: Der schwarz-rote Elefant steht im Raum

Liebes Tagebuch,

nachdem Jamaika gescheitert war, schient zunächst alles auf Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung hinauszulaufen. Plötzlich steht aber der schwarz-rote Elefant im Raum, sprich eine Große Koalition.

Zunächst von Martin Schulz und eigentlich allen relevanten SPD Politikern ausgeschlossen, scheint gerade Bundespräsident Steinmeier sanften Druck in diese Richtung auszuüben. Und in der Folge sind auch schon die ersten Stimmen aus der SPD da, die fordern, man solle sich nicht verweigern.

Die Arschkarte hat die Partei so oder so gezogen: für die einen ist sie jetzt wegen ihres GroKo Nein die „Schmoll Partei Deutschlands“ (Andi Scheuer, CSU) für die anderen wird sie zum Umfaller, wenn sie entgegen aller vorherigen Aussagen jetzt doch wieder in die Regierung einsteigt.

Persönlich hielte ich eine GroKo für einen Fehler und gerade für die SPD für sehr gefährlich. Auf der anderen Seite wird auch deutlich, dass Neuwahlen für die SPD personell – wer soll Spitzenkandidat werden? – und auch finanziell eine sehr große Herausforderung wären. Und so könnte das Übernehmen von Regierungsverantwortung zumindest auf Zeit zunächst Luft für neue Planungen geben. Und auch der Union dürfte ein Zeitgewinn nicht ungelegen kommen.

Entscheidend dürfte aber heute das Gespräch zwischen Steinmeier und Schulz sein.

Und so will ich bis dahin nicht weiter spekulieren.

Nur noch folgendes: Ich habe auf twitter eine kleine Umfrage zum Thema gestartet. Über zahlreiche Teilnahme würde ich mich sehr freuen. Hier geht es lang.

Liebes Politik-Tagebuch I: Das merkwürdige Verhalten regierungswilliger Politiker nach der Sondierungszeit

Ich werde jetzt in den nächsten Wochen – bis wir eine Regierung haben – ein Politik-Tagebuch schreiben. Das ist der erste Teil.

Liebes Tagebuch,

die Jamaika Sondierungen sind gescheitert. Und auch wenn Bundespräsident Steinmeier Neuwahlen verhindern will und die Parteien aufgefordert hat, noch einmal miteinander zu sprechen, wird es auf Neuwahlen hinauslaufen, da Merkel eine Minderheitsregierung ablehnt.

Aber wie stehen die Parteien jetzt da? Wie positionieren sie sich? Mit welchem tendenziellen Ergebnis ist nach dem Stand der Dinge zu rechnen?

Die CDU – haben wir schon immer so gemacht

Die CDU/CSU Fraktion hat die Ankündigung der Parteivorsitzenden, dass sie im Falle einer Neuwahl erneut als Kanzlerkandidatin antreten wird, mit tosendem Beifall begrüßt!
(Volker Kauder)

Einmal abgesehen davon, dass sich dieser Satz fast schon anhört wie aus dem Pilotbüro der DDR zeigt er das gesamte Dilemma der CDU/CSU

  • eine Alternative zu Angela Merkel hat die Union nicht
  • eine kritische Aufarbeitung der Wahlniederlage – und das war es mit einem 8,6%-Punkten Minus – wird es in der Union nicht geben
  • dass Merkel mit ihrem Mangel an Gestaltungskraft und Standpunkten das Scheitern der Jamaika Sondierung zu großen Teilen zu verantworten hat, wird ausgeblendet.

Es mag sogar sein, dass die geschäftsführende Kanzlerin und mit ihr die Unionsparteien kämpferischer und geschlossener in den wohl kommenden Wahlkampf ziehen werden, als bei der Wahl im September. Fraglich bleibt, ob und inwieweit sie damit aber die Wähler überzeugen kann, insbesondere, da sie einen Schwarz/Grünen Kurs fahren wird. Im Westen Deutschlands könnte dies gelingen, im Osten wird es für die Union nicht einfacher.

Prognose: Die CDU hält das Ergebnis mit kleinen Gewinnen oder Verlusten.

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Das Regierungsfindungsdilemma – oder: die Hängepartie

Jamaika – da liegt kein Segen drauf

Vor der Bundestagswahl 2017 habe ich geschrieben, dass es Neuwahlen geben wird. Damalige Kurzbegründung: Schwarz/Gelb reicht nicht, die SPD will und sollte nicht, Jamaika wird mehr als schwierig.

Und so ist es: Die Jamaika Sondierungsgespräche sind noch nicht vorbei und es ist unklar, ob es dann überhaupt Koalitionsverhandlungen geben wird. Aber selbst wenn es zu diesen kommen sollte, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass diese dann scheitern. Und selbst wenn es eine Jamaika Koalition geben sollte, wird sich diese auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen müssen. Deutschland würde nicht gestaltet werden, sondern noch mehr als vorher schon nur noch verwaltet.

Die Jamaika Alternativen

Aber wie sehen die Alternativen aus? „Das Regierungsfindungsdilemma – oder: die Hängepartie“ weiterlesen

Nach der #btw17: Stillstand in Berlin. Oder: warum die Minderheitsregierung kommen sollte

Nach der Bundestagswahl 2017 geht es im politischen Berlin verblüffend ruhig zu – die Medien konzentrieren sich auf die AfD und schreiben diese zu einer Größe, die sie gar nicht hat. Angela Merkel sieht trotz krachender Verluste nicht, was sie anders machen sollte, die SPD zieht Konsequenzen und ist erstmal raus, die CSU ist mit sich selbst beschäftigt und FDP und Grünen merkt man an, dass beide auf Jamaika soviel Lust haben wie bei der nächsten Wahl wieder unter 5% zu landen.

Seien wir realistisch – eine Jamaika Koalition könnte vor Dezember nicht stehen, optimistisch geschätzt. Wenn überhaupt. Dass Trittin mit am Verhandlungstisch sitzt, lässt jedenfalls schlimmstes befürchten. Wenn es dann Neuwahlen gibt, dauert die Hängepartie noch länger.

Dabei gibt es derzeit genug Probleme. Migration, Syrien, Integration, BREXIT, Verhältnis zu den USA, Euro, Verhältnis zu Russland, EU Umbau, Türkei oder auch Dinge, die wir hierzulande derzeit gar nicht richtig auf dem Radar haben: wie der Krieg im Jemen oder die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien.

Natürlich, die derzeitige Bundesregierung bleibt geschäftsführend im Amt. Doch sie ist eine lame Duck und wird nicht gestaltend – gerade auf europäischer Ebene – handeln können. Außerdem müssen wir Heiko Maas noch länger ertragen, was wahrscheinlich das größte Übel ist.

Wie könnte eine Lösung aussehen? Der neue Bundestag sollte baldmöglichst zusammentreten und nicht die vom Grundgesetz gesetzte Frist von 30 Tagen (Art. 39 Abs.2) voll ausnutzen. Die Union könnte eine Minderheitsregierung stellen, was sogar möglich wäre, wenn Merkel (oder besser Jens Spahn, aber lassen wir das an dieser Stelle) nicht einmal die Mehrheit der Abgeordneten auf sich einschwören könnte (Art. 63 Abs. 4 Satz 3).

Eine solche Minderheitsregierung hätte deutlich mehr Legitimation als die geschäftsführende Bundesregierung und könnte sich im Falle des Falles wechselnde Mehrheiten suchen, so denn Entscheidungen des Parlaments notwendig wären.

Und in der Zwischenzeit könnten die Koalitionsgespräche in aller Ruhe geführt und dann Neuwahlen vorbereitet werden.

Offener Brief: Was JvM Vorstand Thomas Strerath missverstanden hat

Die CDU hat für den Bundestagswahlkampf 2017 die Agentur Jung von Matt engagiert. Deren Vorstandsmitglied Thomas Strerath äußert sich nun in einem Gastbeitrag in Horizont über das Scheitern der Kampagne. Hier ist meine Antwort an ihn.

Lieber Thomas Strerath,

ich habe Ihren Gastbeitrag in Horizont über das Scheitern der CDU-Kampagne gelesen und bin erschüttert über so viele Fehleinschätzungen. Die gravierendsten aus meiner Sicht darf ich kurz darlegen.

Das Missverständnis der CDU

Angela Merkel und die beiden Peters – Tauber und Altmaier – haben 2013 völlig verkannt, dass es bei der damaligen Bundestagswahl eine konservativ-liberale Mehrheit gab. Sie haben diese übersehen, da sich diese nicht im Parlament wieder spiegelte – FDP und AfD scheiterten beide knapp an der 5% Hürde und damit waren rund 10% der Wähler nicht im Parlament vertreten.

Im Zuge dessen schwenkte die CDU, befeuert von einem durch Medien beschworenen linken Mainstream, in vielen Politikfeldern auf einen Kurs links von der Mitte. Dass dieser Kurs aber nicht der Mehrheitsmeinung in Deutschland entsprach und entspricht wurde dabei von der CDU Führung nicht gesehen.

Und selbst wenn es erkannt worden wäre, bleibt die Frage, ob die CDU vor der Wahl zu einem Kurswechsel bereit gewesen wäre. Unter Merkel wohl kaum.

Sie hatten von Anfang an keine Chance.

Das AfD Missverständnis

Genau so fatal ist aber auch Ihr AfD Missverständnis.

Sie arbeiten sich in Ihrem Gastbeitrag an deren Personal ab. Fragen sich, warum die die Partei angesichts einer Frauke Petry gewählt werden konnte – nur dass die Spitzenkandidatin im Wahlkampf faktisch nicht in Erscheinung trat. Sie erwähnen von Storch – geschenkt, denn außerhalb Ihrer twitter-Filterblase kennt sie kein Wähler. Meuthen und Weidel – taugen kaum als Negativbeispiele. Bleiben Höcke oder Gauland – beide in der Tat in einer problematischenn völkisch-nationalistische Ecke. Aber alles Geschenkt: Es wählt kaum jemand die AfD wegen ihres Personals – ganz im Gegenteil, die AfD wird trotz dieses Personals gewählt.

Eben als Protest gegen den beschriebenen Kurswechsel der CDU. Und so kann mit Recht Angela Merkel als die Mutter der AfD bezeichnen.

In einem Punkt sind wir aber beisammen: auch die dauernden Angriffe auf die AfD aus dem politischen und medialen Establishment haben die AfD weiter wachsen lassen.

Das doppelte Datums Missverständnis

Sie schreiben

Wir haben früh verstanden, dass der große Unterschied zwischen klassischer Marken- und Kampagnenarbeit für kommerzielle Kunden und politischen Kampagnen in der absoluten Fokussierung auf diesen einen Tag besteht. D-Day, da zählt es, da kommt es darauf an.

Sie geben weiter zu, sich zunächst im Datum geirrt zu haben. Der D-Day sei für Sie der 3. September, das Datum des TV-Duells, gewesen. Zum einen war aber klar, dass Schulz für Merkel kein echter Gegner sein würde. Und wenn der 3. September der D-Day war – was machen Sie in den drei Wochen bis zum 24. September? Eben. Und Ihrer Kampagne hat man diese Leere auch angemerkt.

Ihr grundsätzliche Annahme mit dem D-Day ist aber eine Fehleinschätzung. Eine Wahl ist eigentlich nichts anderes als das Ausstellen eines Zeugnisses. Versetzung gut geschafft, gerade eben so oder eben nicht. Mit etwas Glück gibt es vielleicht eine Nachprüfung. Jeder Schüler weiß, dass es auf das ganze Schuljahr ankommt – und das Zeugnis dokumentiert nur diese Leistungen.

Ihre Kampagne hätte daher über 100 D-Days gebraucht – denn jeder Tag des Wahlkampfs ist D-Day. Zu Ihrem Glück haben das auch die meisten anderen Parteien nicht so gehandhabt. Nur AfD und FDP führten Wahlkämpfe, die jeden Tag neue Akzente setzten und einen fulminanten Schlussspurt ablieferten.

Angesichts dieses Fehlers können Sie froh sein, dass Merkel die Nachprüfung im Fach Jamaika-Verhandlungen überhaupt erreicht hat.

Das Filterblasen Missverständnis

Sie schreiben weiter , dass Sie den Auftrag angenommen haben, da Ihnen

die erstarkende AfD, der erstarkende Protest und der erstarkende Nationalismus Mitte 2016

Sorgen gemacht haben.

Damit wird deutlich, dass Sie das eingangs erwähnte Grundproblem, nämlich dass der Kurswechsel der CDU die Ursache dieser Entwicklungen war, auch nicht gesehen haben. Sie sind vielmehr aus der Sicht ihrer Filterblase an die Sache herangegangen. Ihre riesengroße Hamburg / Berlin / twitter / linksliberal Filterblase, die den Blick auf das Deutschland trübt, das wirklich die Wahl entscheidet. Die Provinz.

Haben Sie sich einmal in eine Pfälzer Weinstube gesetzt und den Menschen zugehört? Sind Sie ins dunkelbraune Sachsen gefahren und haben dort am letzten Kiosk im Ort ein Dosenbier mitgetrunken? Wanderten Sie durch verfallende Straßenzüge in Gelsenkirchen und haben dort das Gespräch gesucht?

Sicher nicht. Sonst wäre ein Hashtag wie #fedidwgugl nie entstanden. Dass Sie wenigstens nicht hier von Ihren Auftraggebern gestoppt wurden, habe ich übrigens nie verstanden.

Aber vielleicht hatten alle viel zu viel Respekt vor dem allwissenden Werber.

Mit ehrlichen und herzlichen Grüßen,

Ihr Severin Tatarczyk

10 (schnelle) Gedanken zum Ausgang der #btw17

  1. Der größte Fehler von Angela Merkel und der CDU war es, dass sie während der gesamten Wahlperiode verkannt haben, dass es 2013 eine deutlich konservative Mehrheit gab – rund 53% der Wähler entschieden sich für konservative, liberale oder rechte Parteien. Dadurch, dass FDP (4,8%) und AfD (4,7%) aufgrund der 5% Hürde nicht in den Bundestag kamen, ergab sich hier eine Parlamentszusammensetzung, die nicht dem wirklichen Wählerwillen entsprach. Dies führte wiederum zu einem Stimmungsbild, das nicht viel mit der Realität zu tun hatte, aber fast alle Parteien und Medien trog – und letztlich die CDU zu ihrer neuen Ausrichtung links von der Mitte veranlasste. Diese wiederum ist der entscheidende Faktor für das Erstarken der AfD.
  2. Es ist schön, dass die Wahlbeteiligung mit 76,2% höher ist, als 2013 (71,5%). Mehr als 80% hätte ich aber schön gefunden.
  3. Aufgrund der dauernden Ausgrenzung und pauschalen Diffamierung wurde die AfD – in Verbindung mit Punkt 1 – erst groß. Dieser Fehler wird gerade von Medien und anderen Parteien wiederholt. Die AfD wird sich selbst zerlegen, wenn man sie nur lässt, aber Druck von Außen schweißt zusammen.
  4. Macht Demoskopie in dieser Form noch Sinn? Man kann mit etwas Nachdenken bessere Prognosen abliefern als die meisten Institute – so wie hier.
  5. Schon bei der Nominierung von Schulz fragte ich mich, ob die SPD unter 20% kommen wird. Dass er als großer Hoffnungsträger gesehen wurde, zeigt den Realitätsverlust der Partei. Und die anfängliche Begeisterung der Wähler für Schulz ist ein Beweis dafür gewesen, wie wenig sich diese für Europapolitik interessieren – man hätte Schulz vorher kennen können.
  6. Die 5% Hürde ist nicht mehr zeitgemäß.
  7. Die Amtszeit des Bundeskanzlers sollte auf 2 Wahlperioden beschränkt werden.
  8. Ist eigentlich schon jemand Kanzler geblieben, der den größten Verlust in der Geschichte (8,5 %Prozentpunkte weniger) und das schlechteste Ergebnis nach 1949 verantwortet hat? Es ist verblüffend, dass dies nicht mehr diskutiert wird.
  9. Für CDU/CSU, Grüne und besonders FDP wäre eine Jamaika Koalition eine sehr gefährliche Angelegenheit und könnte diese Parteien schwächen – da es aufgrund der großen Kompromisse schwer fallen wird, Profil zu bilden.
  10. Daher wird es 2018 oder zumindest vor regulärem Ablauf der Legislaturperiode Neuwahlen geben.

Am 24. September 2017 wählen gehen – mit Tipps für Unentschlossene

Bitte gehen Sie wählen!

Nur noch wenige Tage sind es bis zu Bundestagswahl am 24. September 2017 und vielleicht wissen Sie noch nicht, was Sie wählen sollen und haben vor, deswegen erst gar nicht zur Wahl zu gehen. Oder Sie glauben, dass ihre eigene Stimme unter den vielen Millionen gar nichts bringt.

Das Wahlrecht ist aber eines der wichtigsten demokratischen Rechte, die Sie haben – und ich habe an anderer Stelle schon einmal erwähnt, dass z.B. in Bonn die OB Wahl 2015 durch nur rund 60 Stimmen entschieden wurden. Und gerade bei der Wahl der Direktkandidaten mit der Erststimme kann es auch bei einer Bundestagswahl ähnlich knapp ausgehen. Unvergessen auch die Bundestagswahl 2002, bei der die SPD sogar bei den Zweitstimmen bundesweit nur 6.000 mehr Wähler als CDU/CSU hatte. Sie sehen also: jede Stimme zählt.

Und daher gilt: Egal, ob Sie mit der Großen Koalition zufrieden sind oder nicht – gehen Sie am 24. September 2017 bei der Bundestagswahl 2017 wählen!

Sie haben zwei Stimmen

Gerade bei der Erststimme in Ihrem Wahlkreis kann es also richtig wichtig werden, dass auch Sie abstimmen. Mit der Erststimme wählen Sie Ihren Direktkandidaten, also sozusagen den Bundestagsabgeordneten (ich meine damit in der Folge übrigens auch immer Frauen), der ihren Wahlkreis direkt im Bundestag vertritt.

In den Bundestag zieht derjenige ein, der die meisten Stimmen im jeweiligen Wahlkreis erzielt, so dass im Regelfall hier die Vertreter von CDU/CSU oder SPD zum Zuge kommen. Nur sehr selten kann sich einer der Vertreter der kleinen Parteien durchsetzen, so z.B. Hans-Christian Ströbele (Grüne), der in seinem Berliner Wahlkreis bei den letzten Bundestagswahlen jeweils um die 40% holte und so als Direktkandidat in den Bundestag einziehen konnte.

Grundsätzlich sollten Sie hier eher nach Person denjenigen wählen, von dem Sie das Gefühl haben, dass er sich am meisten für ihren Wahlkreis einsetzt. Googeln Sie die Kandidaten oder schauen Sie bei abgeordnetenwatch.de vorbei, wo Sie einen Kandidatencheck vornehmen können.

Mit der Erststimme können Sie relativ gefahrlos „Protest wählen“, wenn Sie sich für den Direktkandidaten von z.B. FDP, Grüne, Freie Wähler oder Die PARTEI entscheiden – mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird dieser Kandidat zwar nicht in den Bundestag einziehen und Sie zeigen, dass Sie mit der GroKo in dieser Form nicht einverstanden sind.

Daneben stellen sich in einigen Wahlkreisen auch unabhängige Einzelbewerber zur Wahl (Liste hier), die keiner Partei angehören. Durch die Wahl eines dieser Einzelkämpfer belohnen Sie individuelles politisches Engagement und würfeln damit ggf. auch die Wahlkreisergebnisse etwas durcheinander. Zu raten ist dennoch, sich mit den Positionen der Einzelkämpfer vorab auseinanderzusetzen, da einige durchaus eher extreme Positionen aus der linken oder rechten Ecke haben.

Zweitstimme

Anders als der Name suggeriert ist die Zweitstimme die wichtigere Stimme. Mit dieser wählen Sie die Kandidaten von der Landesliste der Partei und entscheiden letztlich über die Anzahl der Sitze der Parteien im Bundestag, da der Anteil der Bundestagssitze einer Partei (ca.) dem Anteil der erhaltenen Zweitstimmen entspricht; Verzerrungen entstehen durch die 5% Hürde und durch Überhangmandate, aber an dieser Stelle soll es jetzt nicht zu kompliziert werden. Festhalten kann man jedenfalls – die Zweitstimme ist die an sich entscheidende Stimme.

Können Sie sich nicht entscheiden, wen Sie hier wählen sollen, helfen z.B. der Wahlomat und andere entsprechende Tools – oder Sie wählen in Hinblick auf die von Ihnen gewünschte Koalition.

Taktisches Wählen

Die Kombination aus Erst- und Zweitstimme bietet auf jeden Fall viele Optionen für taktisches Wählen.

Sind Sie z.B. für eine Schwarz/Gelbe Koalition, wählen Sie mit der Erststimme den CDU Kandidaten (der gute Aussichten hat, das Direktmandat zu erringen) und mit der Zweitstimme die FDP.

Ist Ihnen an der Fortsetzung der GroKo gelegen, ist es sinnvoll, mit beiden Stimmen die Partei zu wählen, die aus Ihrer Sicht in dieser das größere Gewicht haben soll, also entweder CDU (in Bayern CSU) oder eben SPD.

Möchten Sie eine möglichst schwache GroKo und wollen aus Ihrer Sicht nicht das Risiko von Schwarz/Gelb eingehen, sind die Grünen mit beiden Stimmen die Partei Ihrer Wahl, notfalls auch die Linke. Ob Sie angesichts eines Herrn Höcke die AfD wählen wollen, sollten Sie sich aber gut überlegen (auch wenn ich von pauschal unreflektiertem AfD Bashing nichts halte). Ist Schwarz/Gelb eine Option für Sie, kommt natürlich auch die FDP mit Erst- und Zweitstimme in Frage.

Eine interessante Kombination kann auch SPD Erststimme und FDP Zweitstimme sein.

Die Wahrscheinlichkeit von Rot-Rot-Grün ist zwar gering. Ist dies aber Ihre Wunschkoalition, wählen Sie Erststimme SPD und Zweitstimme Grün (oder meinetwegen auch die Linke).

Nischenparteien

Wenn Sie sich mit den etablierten Parteien gar nicht anfreunden können, stehen zahlreiche Nischenparteien zur Wahl – hier eine Liste aller Parteien bei der Bundestagswahl 2017.

Doch sollte man hier genauer hinschauen, wo man sein Kreuz macht – viele auf den ersten Blick harmlos erscheinende Parteien wie z.B. die V3 Partei bieten vielen Verschwörungstheoretikern eine Heimat. Und die so demokratisch klingende Partei „Volksabstimmung“ verfolgt einen stramm rechten Kurs.

Wenn Sie bei Ihrer Proteststimme auf Nummer sicher gehen wollen, wählen Sie „Die Partei“, die zwar keine echten Inhalte aufzuweisen hat, aber den anderen Parteien durchaus den Spiegel vorhält.

Befasst man sich aber weiter mit vielen der kleineren Parteien findet man darunter viele, die mehr Aufmerksamkeit und auch Erstattung von Wahlkampfkosten verdient hätten. z.B. „Die Urbane„.

Nachdenken statt blind wählen

Sie werden schon gemerkt haben, dass ich zwar auf der einen Seite eine Vorliebe für die FDP (und zugegebenermaßen auch für Die PARTEI) habe, dass ich hier aber niemanden vorschreiben möchte, was er zu wählen oder nicht zu wählen hat.

Wichtig ist, dass man wählen geht und sich über seine Wahl vorher Gedanken macht.

Liste #btw17: Wieviele Direktkandidaten haben die Parteien aufgestellt?

In dieser Liste ist aufgeführt, in wie vielen der 299 Wahlkreise die Parteien bei der Bundestagswahl 2017 Direktkandidaten aufgestellt haben.

In allen sind nur FDP und SPD vertreten. Da die CDU nicht in Bayern antritt, sondern dort die CSU, kommen aber auch CDU und CSU gemeinsam auf 299 Direktkandidaten.

„Die Linke“ tritt in Wahlkreis 11 (Lübeck) nicht an, die Grünen haben keinen Direktkandidaten in Bitburg (Wahlkreis 202). Die AfD ist nur in 13 Wahlkreisen nicht mit einem Direktkandidaten vertreten.

  1. FDP (299)
  2. SPD (299)
  3. Die Linke (298)
  4. Grüne (298)
  5. AfD (286)
  6. CDU (253)
  7. Freie Wähler (178)
  8. MLPD (109)
  9. Die PARTEI (84)
  10. ÖDP (75)
  11. Piraten (62)
  12. CSU (46)
  13. NPD (38)
  14. Bürgerrechtsbewegung Solidarität (27)
  15. BP – Bayernpartei (24)
  16. DKP (16)
  17. Tierschutzpartei (9)
  18. Die Rechte (6)
  19. Die Violetten (5)
  20. Bündnis C – Christen für Deutschland (4)
  21. SGP (4)
  22. Die Grauen (3)
  23. Menschliche Welt (3)
  24. Neue Liberale – die Sozialliberalen (3)
  25. Unabhängige (3)
  26. DIE EINHEIT (2)
  27. Mieterpartei (2)
  28. Tierschutzallianz (2)
  29. Volksabstimmung (2)
  30. B* (1)
  31. DIE FRAUEN (1)
  32. du. (1)
  33. Familie (1)
  34. Gesundheitsforschung (1)
  35. Magdeburger Gartenpartei (1)
  36. PDV (1)
  37. V3 Partei (1)

Wahlplakat #btw17: Claudia Lücking Michel

Claudia Lücking-Michel ist die Direktkandidatin der CDU im Wahlkreis 96 (Bonn).