Dokumentiert: Das Statement von Ritter Sport zu den Russland Geschäften

Gegen den Schokoladenersteller Ritter Sport gab es viel Kritik – siehe Bild -, da da sich dieser weigerte, die Geschäfte mit Russland abzubrechen. Inzwischen hat sich der Hersteller geäußert. Wir dokumentieren hier die Stellungnahme:

Liebe Ritter Sport Community,

wir verurteilen die grausame Aggression der russischen Armee in der Ukraine aufs Schärfste und wünschen uns genau wie Ihr, dass diese endlich aufhört. Ein offener und ehrlicher Austausch mit Euch ist uns sehr wichtig – auch jetzt, wo es unbequem ist und wir massiv kritisiert werden.

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Repariert die Diskussionskultur

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Radikalisierung der Diskussionen

Bewegt man sich derzeit im politischen Bereich auf twitter und Facebook, erlebt man eine zunehmende Radikalisierung der Diskussionskultur. Es wird sich beschimpft, zu Werbeboykotts aufgerufen, geblockt und gedroht, was das Zeug hält. Der Ton ist in den letzten Monaten, gerade aber in den letzten Wochen, rauh geworden.

Ich sehe diese Entwicklung bedenklich – sie hat etwas von den Bierhausschlägereien zwischen Nazis und Kommunisten in der Spätzeit der Weimarer Republik, bei denen die bürgerliche Mitte schweigend wegschaute. Wohin das führte, wissen wir.

Nun ist die Situation sicherlich nicht so dramatisch, wie sie es damals war, doch ist eine Frontenbildung zu beobachten, von der man nicht weiß, wohin sie führen wird. Und das ist bedenklich.

Hier vier Tipps, wie man Social Media für sich wieder reparieren kann.

1. Raus aus den Filterblasen

Das ist die Grundlage: Kommt raus aus den Filterblasen. Folgt nicht nur denen, die twitter Euch vorschlägt. Befreundet Euch nicht nur denen, die Eurer Meinung sind, reagiert nicht nur auf Beiträge, die Eure volle Zustimmung finden, blockt nicht User, die einer anderen politischen Meinung sind.

Mit zwei kurzen Beispielen will ich das verdeutlichen.

Baut Euch ein abwechslungsreiches Umfeld auf

Im Herbst 2016 machte der österreichische Journalist Florian Klenk den Vorschlag, bestimmte ORF Sendungen mit türkischen Untertiteln zu versehen, woraufhin jemand auf Facebook schrieb: „Kann den wer anzünden bitte?“. Klenk setzte sich mit dem Mann namens Boris in Verbindung und traf sich mit ihm. Der Artikel dazu ist immer noch lesenswert. Noch interessanter ist aber, dass Boris seine Meinung dazu überdacht hat.

Ich nutze nach wie vor Facebook, Youtube und andere Medien im Internet. Ich habe jedoch ganz bewusst versucht, Filterblasen und Echokammern nicht nur zu vermeiden, sondern bestehende aktiv zu durchbrechen und das ist einfacher als man denkt. Ich habe viele meiner „Gefällt mir“ und Abonnements auf Facebook entfernt und statt dessen versucht eine ausgewogenere Infrastruktur an News-Quellen zu aufzubauen.

Seine komplette Aussage kann man hier nachlesen.

Und genau das versuche ich. Ich folge Politikern (fast) aller Parteien, durch meine Timeline kommen Ralf Steger, Peter Altmeier, der Regierungssprecher, Beatrix von Storch, Christopher Lauer und Markus Söder. Ich beziehe News von der TAZ, von der FAZ, vom Spiegel, vom Stern und auch Tichys Einblick. Eben das ganze Spektrum. Mal twittern die einen kluge Dinge, mal die anderen. Zum Nachdenken kommt man auf jeden Fall.

In dem Zusammenhang noch kurz angemerkt: ich bin gegen Werbeboykottaufrufe, wie man sie unter dem Hashtag #keinGeldfürRechts erlebt. Dazu habe ich selber schon was geschrieben, lesenswert dazu auch Stefan Winterbauer. Bei dieser Problematik kann man mit guten Gründen auch anderer Meinung sein, aber für mich gehört zur Meinungsfreiheit dazu, diese auch unbeeinträchtigt finanzieren zu können – auch wenn mir einzelne Meinungen nicht passen. Aber das ist ein anderes Thema.

Ich kann jedenfalls jedem nur raten, sich einen bunten Strauß an Meinungen in sozialen Netzen aufzubauen und sich selbst Gedanken zu machen.

Dabei gilt für mich: RT, Follow oder eine andere Reaktion heißt nicht zwingend Zustimmung. Das ist für viele freilich leider nicht zu verstehen und hat mich schon den ein oder anderen Follower und Facebook-Freund gekostet.

Auch geblockt wurde ich schon…

Blockt nicht so viel

Der Berliner SPD Politiker Christopher Lauer kritisierte den Polizeieinsatz in der Neujahrsnacht 2017 in Köln. Neben Zuspruch gab es viel Kritik, besonders nachdem Lauer einen Sparkassen Mitarbeiter, der ihm per E-Mail mitteilte, künftig AFD zu wählen, an den Twitter-Pranger stellte.

Lauer tweetet mehrfach an seine Kritiker, dass diese nicht in der Mehrheit seien.

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Kein Wunder, hat er doch die meisten geblockt und kann die Kritik daher gar nicht sehen:

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Auch so verstärkt man seine Filterblase. Also, nicht direkt blocken, entfrienden oder entfolgen, wenn einem mal was nicht passt.

Bleibt entspannt

Auf der anderen Seite kann ich Lauer aber auch verstehen. Denn neben sachlicher Kritik musste er sicher viele harte Kommentare einstecken (wobei man über Lauers andauernde „Geht Kacken“ tweets auch diskutieren kann…). Dass einem das zu viel werden kann, ist also nachvollziehbar. Wären alle etwas entspannter und würden bessere Manieren an den Tag legen, wäre das aber alles wohl gar nicht notwendig.

Generell sollte man Diskussionen gerade in sozialen Netzen möglichst entspannt führen. Nicht jeder, der die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin hinterfragt ist ein Nazi oder eine braune Kackwurst. Und ebenso wenig ist jemand, der die Flüchtlingspolitik befürwortet ein „linksversiffter Gutmensch“, dem es „die Bereicherer mal ordentlich besorgen“ sollten.

Denkt Euch einfach, Ihr würdet mit dem Gegenüber persönlich sprechen. Würdet Ihr dann sowas sagen? Eben.

Ein entspannter Diskussionsstil entschärft jedenfalls vieles.

Ach ja, und noch was. Wenn einer was unliebsames sagt ist das in erster Linie Grundlage für eine direkte Diskussion. Wenn es strafrechtlich relevant ist ggf. auch für die Staatsanwaltschaft. Aber im Regelfall nichts für öffentliches Anschwärzen, z.B. beim Arbeitgeber.

Haltet Euch an die Fakten

Oh, ein weites Feld. Ich will jetzt an dieser Stelle gar nicht groß in die Fakenews Debatte, postfaktisches Zeitalter etc. einsteigen. Dazu schreiben klügere Köpfe als ich. Nur wieder ein kleines Beispiel.

Am 10. Januar hat der Europäische Gerichtshof für Menschrechte entschieden, dass eine muslimische Schülerin aus der Schweiz am gemischten  Schwimmunterricht teilnehmen muss. Auf twitter fiel mir in dem Zusammenhang ein tweet auf, der in etwa lautete „Warum müssen Muslime zum Schwimmunterricht. Für andere Befreiung kein Problem, z.B. strenggläubige Christen“. Hat mich gewundert, kenne ich aus eigener Erfahrung anders, hat mich interessiert. Ich frage nach „Wo ist das, kenne ich anders.“ Antwort „Bei uns ist das so.“ Ich „Hier in Bonn an vier Schulen anders erlebt. Was für eine Schule ist das“. Ich schaue in die einschlägigen Regelungen, kann es mir immer weniger vorstellen. Eine Antwort erhalte ich freilich nicht mehr, vielmehr wurde ich von der Person geblockt. Immerhin: die tweets mit den falschen Aussagen wurden gelöscht.

Daher: Schreibt keine Lügen. Erfindet keine Vergewaltigungen durch Flüchtlinge. Erfindet nicht einfach Fakten. Kehrt Euch unangenehme Tatsachen oder News nicht einfach unter den Tisch, nur weil das nicht in Euer Weltbild passt.

Produziert keine Fakenews und teilt möglichst nichts, was nicht den Fakten entspricht – auch wenn es nicht immer einfach ist, das zu beurteilen.

Dann brauchen wir auch keine Behörde, die beurteilt was wahr ist und was nicht. Das wäre mir nämlich zu viel Orwell.

Problematisch ist in dem Zusammenhang aber auch, dass viele Medien mehr und mehr versuchen, erzieherisch tätig zu werden und an sich sachlichen Meldungen einen (Meinungs-)Spin zu geben. Schön zu beobachten beim Spiegel, wo es in die eher linke Ecke geht und andererseits beim Focus, wo der Ball nach rechts gespielt wird. Eine deutlichere Unterscheidung zwischen Meldung und Meinung wäre hier wünschenswert.

Nehmt Euch nicht so wichtig

Zuletzt: Ich bin nicht der Mittelpunkt der Welt. Auch nicht der Mittelpunkt auf twitter oder facebook. Du übrigens auch nicht.

Denk mal drüber nach.

Und nicht nur darüber.

Warum ich weiter bei Amazon bestelle, aber keine Pferdefleisch-Lasagne esse

Black Beauty[Beliebiger-Firmenname-Einsetzen]-Checks sind ja derzeit sehr beliebt. Und besonders die ARD setzt derzeit massiv auf dieses Format.

Allein – es ist kaum zu ertragen: Sensationsgierig und vereinfachend bis hin zur Verfälschung. Die Masche ist immer die Gleiche: Man greife sich ein oder mehrere populäre Unternehmen, stelle eine steile negative These auf und zeichnet diese im kräftigen schwarz/weiß, ohne die Grautöne zu zeigen.

Beim Apple Check z.B. wurden insbesondere die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern wie Foxconn kritisiert. Bitteschön, dann hätte die Sendung auch der Foxconn Check heißen sollen. Oder gleich der Acer-Amazon-Apple-Cisco-Dell-HP-Intel-Microsoft-Motorola-Nintendo-Nokia-Samsung-Sony-Toshiba-Check. Denn auch die lassen alle bei Foxconn fertigen. Und zwar unter den gleichen Bedingungen. Der Rest beim Apple Check war ohnehin oberflächliches Geblubber und erreichte nie den Kern des Problems.

Oder jetzt bei der „Ausgeliefert!“ Amazon Doku (ebenfalls ARD). Ja, es ist wirklich scheiße, dass dort zur Kontrolle der Amazon-Zeitarbeiter Security-Neonazis eingesetzt werden. Sicherheitsfirmen scheinen eben leider immer wieder so Nazi-Schläger-Typen anzuziehen (ich könnte jetzt viel über Psychologie, Gewaltpotential, Unterdrückungsphantasien verkomplexter Menschen sowie Parallelen zur SA und SS schreiben, das würde aber den Rahmen hier sprengen). Es stimmt auch, dass die Unterbringungs- und Arbeitsbedingungen sicher nicht optimal waren. Sie sind aber auch nicht unmenschlich.

Insbesondere gilt aber auch hier: Das ist nicht nur bei Amazon so, sondern überall, wo ausländische Zeitarbeitskräfte eingesetzt werden. Teilweise sogar noch deutlich schlimmer. Fragen Sie mal polnische Spargelstecher. Oder hören Sie sich bei vielen anderen großen Versandhändlern um.

Außerdem sind Sie ein bisschen Schuld an den Missständen. Denn jetzt mal ehrlich: Nehmen wir mal an, sie suchen eine günstige Digitalkamera. Sagen wir mal die Samsung DV300F:

amazon-versandkosten

Bei wem bestellen Sie? Wahrscheinlich doch beim günstigeren versandkostenfreien Amazon-Angebot. Jedenfalls hätten Sie das vor der Ausstrahlung der Dokumentation gemacht. Und auch wenn Sie sich jetzt für das günstigere Angebot entschieden würden: Sorgen um die armen Zeitarbeiter machen müssten Sie sich wohl nicht. Denn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird Ihre Bestellung derzeit von einem der über 7.000 festen Amazon Mitarbeiter in Deutschland verpackt. Oder von einem Roboter. Im übrigen erkennen sogar die Gewerkschaften an, dass sich Amazon in den letzten Jahren einiges gebessert hat und Amazon auch die Zeitarbeiter besser bezahlt, als dies bei einigen Mitbewerbern der Fall ist.

Allein Amazon boykottieren ist also unsinnig. Es sei denn, Sie achten auch sonst darauf, dass nichts von Foxconn oder anderen asiatischen Fabriken kommt, nicht von schein-selbständigen LKW Fahrern über die Autobahnen gefahren wird und keine seltenen Erden enthalten sind, die unter menschenunwürdigen und umweltverschmutzenden Bedingungen in China gefördert werden. Sehen Sie? Die Liste ließe sich im übrigen endlos erweitern.

Amazon wird jetzt aufgrund der Berichterstattung sicher einiges ändern, womit die Reportage – das will ich auch anerkennen – ja einen guten Zweck erfüllt hätte.

Ganz anders und viel schlimmer ist jedoch das Problem mit der Pferdefleisch-Billig-Lasagne.

Oder glauben Sie ernsthaft, dass Sie zu den Preisen qualitativ hochwertige Ware bekommen können? Oder dass der Preisdruck nicht zum Schummeln einlädt?

Ganz zu schweigen davon, dass die Schlachter, Fleischzuschneider und anderen Aushilfen in der Lebensmittelfabrik deutlich weniger verdienen als die Lagerzeitarbeiter bei Amazon und unter deutlich schlechteren Bedingungen hart schuften müssen.

Und haben Sie mal gesehen, wie es den Tieren bei der Aufzucht mit schön viel Antibiotika und den Transporten zu den Massenschlachtungen geht?

Billig-Lebensmittel sind das eigentliche Problem.

Daher kaufe ich schon lange lieber regional sowie saisonal und koche selbst, statt zur Fertig-Lasagne zu greifen.

Liebe Amazon Boykotteure – das wäre mal wirklich etwas sinnvolles, womit man nicht nur ein Zeichen setzen kann, sondern wirklich etwas verändert. Zumal man damit auch sich selbst und seiner Gesundheit einen Dienst erweist.

So und lege ich den Sauerbraten für nächsten Sonntag ein. Rheinisch, vom Pferd.

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Bild Black Beauty: (c) Allposters