Wortalternative: Asylsuchende oder Schutzberechtigte statt Asylantin, Asylant

In Berlin wird vorgeschlagen, man solle Asylsuchende oder Schutzberechtigte statt Asylantin oder Asylant sagen.

Die Begriffe Asylantin oder Asylant seien, besonders auch durch die Instrumentalisierung durch politischer Gruppen, stark negativ besetzt. Auch die Begriffe Asylbewerberin und Asylbewerber seien irreführend, da ein Grundrecht auf Asyl bestehe; Menschen bewerben sich nicht um Grundrechte, sondern hätten sie einfach. Daher seien Asylsuchende oder Schutzberechtigte als Begriffe besser.

Kritik: Das Grundrecht auf Asyl steht nur wenigen zu, weswegen zumindest grundsätzlich gegen die Begriffe Asylbewerberin und Asylbewerber nichts einzuwenden ist. Von den vom Land Berlin vorgeschlagenen Alternativen spricht zumindest nichts gegen Asylsuchende. Schutzberechtigte erweckt fälschlich den Eindruck, dass der Anspruch auf Asyl grundsätzlich bestehe und ist daher zumindest für Asylsuchende abzulehnen.

Asylfakten: Geschlechterverteilung der Asylbewerber

Von den Menschen, die zwischen 2015 und 2018 in Deutschland Asyl suchten, sind 65% männlich, 35% weiblich. Damit sind Männer in dieser Gruppe gegenüber Frauen deutlich überrepräsentiert.

Quelle: Bundeskriminalamt

Asylfakten: Asylsuchende 2018 und 2017

Hier finden Sie für ausgewählte Länder die Zahl der Asylsuchenden 2018 und 2017 in Deutschland:

Staat Asylsuchende 2018 Asylsuchende 2017 Veränderung
Syrien 44.913 47.434 -5,10%
Irak 16.599 21.043 -21,10%
Iran 10.956 7.795 40,60%
Türkei 10.356 7.927 26,70%
Nigeria 10.044 7.448 34,90%
Afghanistan 9.996 12.346 -19%
Eritrea 5.385 9.524 -43,50%
Somalia 4.937 6.195 -20,30%
Ungeklärt 4.273 5.581 -23,40%
Russische Föderation 3.976 4.648 -14,50%

Quelle: Bundeskriminalamt

Themenschwerpunkt: Asylrecht

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Könnte das Grundrecht auf Asyl abgeschafft werden?

Friedrich Merz wurde mit seiner Aussage zum Asylrecht teilweise so interpretiert, dass er das Grundrecht abschaffen wolle – was er im übrigen nie gesagt oder gar gefordert hat.

Im Zuge der folgenden Diskussion auf twitter äußerte ich, dass ich eine ersatzlose Abschaffung des Asylartikels Art. 16a GG im Grundgesetz für ausgeschlossen halte, da Art. 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsklausel) i.V.m. Art. 1 GG (Menschenwürde, Menschenrechte) das Asylgrundrecht der Disposition des verfassungsändernden Gesetzgebers entziehe.

Allerdings führt das Bundesverfassungsgericht aus (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Mai 1996- 2 BvR 1938/93), dass die „durch Art. 79 Abs. 3 GG gezogene Grenze, nach der die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze nicht berührt werden dürfen, … nicht dadurch verletzt“ wird, „daß Ausländern Schutz vor politischer Verfolgung nicht durch eine grundrechtliche Gewährleistung geboten wird.“

Das Asylgrundrecht könnte also aus verfassungsrechtlicher Sicht ersatzlos aus dem Grundgesetz gestrichen werden.

Entscheidend ist aber die obige Hervorhebung von „grundrechtlich“.

Denn „das Bundesverfassungsgericht [hat] zur Bestimmung des Begriffs der politisch Verfolgten in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. ausgeführt, dem Asylgrundrecht liege die von der Achtung der Unverletzlichkeit der Menschenwürde bestimmte Überzeugung zugrunde, kein Staat habe das Recht, Leib, Leben oder persönliche Freiheit aus Gründen zu gefährden oder zu verletzen, die allein in der politischen Überzeugung, in der religiösen Grundentscheidung oder in unverfügbaren Merkmalen lägen.“

Daraus folgt, dass der Staat verpflichtet ist, politisch verfolgten ein wie auch immer geartetes Schutzrecht zu gewähren, wenn ihnen Gefahr für Leib und Leben droht. Zu der Frage, wie dieses Schutzrecht aus verfassungsrechtlicher Sicht ausgestaltet sein muss, hat sich das Bundesverfassungsgericht explizit nicht geäußert, der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers dürfte hier recht weit sein und müsste nicht zwingend ein Bleiberecht im Bundesgebiet umfassen – möglich wären z.B. Vereinbarungen mit sicheren Drittstaaten.

Angemerkt sei weiter, dass sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention, die gemäß Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts ist, ebenfalls ein Schutzanspruch politisch verfolgter ergibt (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 02. Dezember 1997- 2 BvL 55/92). Die Frage, ob und inwieweit darüber hinaus ein Schutzanspruch aus Art. 25 GG in Verbindung mit Völkergewohnheitsrecht gegeben ist – was zu bejahen sein dürfte – kann dementsprechend offen bleiben.

tldr

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, das Asylrecht aus dem Grundgesetz zu streichen. Ein Schutzanspruch politisch Verfolgter ergibt sich aber schon aus Art. 1 GG sowie aufgrund völkerrechtlicher Regelungen.

10 Fakten über das Asylrecht in Deutschland – Art. 16a GG

  1. Das Grundgesetz kennt von Anfang an ein individuelles Grundrecht auf Asyl, das bis 1993 in Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz normiert war:Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.Im Rahmen der Entstehung des Grundgesetzes wurde die Formulierung kontrovers diskutiert. So wurde zeitweise ein Asylrecht nur für Deutsche in Erwägung gezogen. Ein anderer Vorschlag lautete „Ausländer, welche wegen ihres Eintretens für Freiheit, Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Weltfrieden politisch verfolgt werden, genießen im Bundesgebiet Asylrecht“. Schließlich setzten sich aber Hermann von Mangoldt (CDU) und Carlo Schmid (SPD) durch, die für ein weit gefasstes Asylrecht eintraten, das von der Rechtspraxis mit Leben gefüllt werden sollte. Dass das Asylrecht in dieser Form aufgrund der Erfahrungen der NS Zeit ins Grundgesetz aufgenommen wurde, ist jedoch ein Mythos.
  2. Seit 1993 findet sich das Grundrecht in Artikel 16a GG wieder, der lautet:(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
    (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
    (3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
    (4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
    (5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

    Grund für die Änderung war ein starkes Ansteigen der Asylbewerberzahlen in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren. SPD und FDP stimmten der von der Union vorangetriebenen Grundgesetzänderung nach kontroverser Debatte schließlich zu.
  3. Details regelt das Asylgesetz (AsylG), das Sie z.B. hier einsehen können.
  4. Im Jahr 1992 – also vor der Änderung des Asylrechts – wurden über 438.000 Asylanträge in Deutschland gestellt. Die Zahl sank nach der Änderung, um in Folge im Jahr 2008 mit 28.018 Anträgen einen Tiefststand zu erreichen. 2016 wurden 745.545 Anträge gestellt, was ursächlich für die aktuelle Diskussion ist.
  5. Anders als die meisten anderen Staaten räumt Deutschland ein individuelles Grundrecht auf Asyl ein. In der völkerrechtlichen Tradition ist das Asylrecht hingegen lediglich das Recht eines Staates gegenüber anderen Staaten, politisch Verfolgten Staatsangehörigen dieser anderen Staaten ein Bleiberecht auf seinem Gebiet einzuräumen; ein individualrechtlicher Anspruch besteht nach diesem Verständnis damit nicht. Es wurde immer wieder diskutiert, ob Deutschland von diesem individuellen Asylrecht Abstand nehmen solle; viele Staatsrechtler sehen dies aber kritisch. Zur grundsätzlichen Thematik haben wir hier einen Debattenbeitrag.
  6. Entscheidungen, die das Grundrecht auf Asyl verletzen können auch im Wege der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Diese darf aber, wie auch sonst, nicht als normale juristische Instanz missverstanden werden.
  7. Das Asylrecht ist eines der Grundrechte, die nach Art. 18 GG verwirkt werden können, wenn es „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ mißbraucht wird. Dies hat nur geringe praktische Bedeutung, da „die Verwirkung und ihr Ausmaß … durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen“ werden. Der Gedanke aus Art. 18 GG kann jedoch bei der Auslegung bestehender und bei der Fassung zukünftiger Gesetze berücksichtigt werden.
  8. Nicht verwechselt werden darf das Grundrecht auf Asyl dem Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder z.B. auch der Feststellung von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten für subsidiär Schutzberechtigte. In der öffentlichen Debatte ist dies aber häufig der Fall.
  9. Voraussetzung für Asyl ist, dass individuelle politische – auch unmittelbar drohende – staatliche Verfolgung vorliegt; insoweit korrespondiert diese Anforderung auch mit dem individualrechtlichen Charakter des Grundrechts. Bürgerkrieg oder eine schlechte wirtschaftliche Lage können mithin regelmäßig keinen Asylanspruch begründen. Auch dürfen keine innerstaatlichen Fluchtmöglichkeiten bestehen. Angesichts dieser Voraussetzungen wird auch klar, warum die Anerkennungsquoten so niedrig sind.
  10. Das Grundrecht auf Asyl umfasst zunächst ein Einreiserecht – auf verfassungsrechtlicher Ebene freilich beschränkt durch Art. 16a Abs. 2 GG -, ein Recht auf ein rechtsstaatliches Asylverfahren und bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Bleiberecht, das dann natürlich auch vor Ausweisung, Abschiebung und Auslieferung schützt.

Offener Brief: Neue Richtervereinigung fordert Reform des Asylprozessrechts

Gerne veröffentlichen wir diesen offenen Brief der „Neue Richtervereinigung.

Anlässlich der beginnenden Gespräche der SPD mit der CDU/CSU zwecks Bildung einer Bundesregierung wendet sich die Neue Richtervereinigung mit einem Offenen Brief an die SPD, mit der Bitte, sich für eine Reform des Asylprozessrechts einzusetzen.

Nach den hektischen Gesetzesänderungen in 2015 und 2016 ist nunmehr ein Punkt erreicht, an dem der Gesetzgeber auch einmal an die gerichtliche Praxis im Asylbereich denken sollte. Aus Sicht der Verwaltungsrichterinnen und -richter bedarf es insbesondere einer Reform des Rechtsmittelrechts. Grundlegende Rechts- und Tatsachenfragen bedürfen einer obergerichtlichen Klärung, damit der Rechtsschutz für die Asylsuchenden kein Lotteriespiel bleibt.