Hilfe, Sie dritteln gerade das Internet

Achten Sie aufs Datum – dieser Artikel stammt vom 5. Oktober 2010 – hat aber immer noch eine gewisse Aktualität.

„Ich schick Dir das auf facebook.“, „Ich schau das heute mal auf facebook nach.“, „Such den doch mal auf facebook.“, „Gehst Du heute noch facy?“ – das sind nur vier der Sprüche zum Thema facebook, die ich in den letzten Tagen in der Bahn aufgeschnappt habe. Doch diese vier machen eines deutlich: das Internet ist heute schon für einen Großteil der Nutzer faktisch nur noch facebook.

Wir werden gerade Zeuge der dritten großen Revolution der schon recht langen Geschichte des Netzes.

Nach dem Start des Arpanet in den späten 1960er Jahren sorgte in den 1970ern E-Mail für den Durchbruch des Netzes bei Forschungseinrichtungen und Universitäten. Der nächste große Umbruch folgte in den 1990ern, als das WorldWideWeb das Internet erstmals für die breite Masse nutzbar machte und das „WWW“ in der Öffentlichkeit zum Synonm für das Internet wurde und andere Dienste wie Archie, Gopher und das Usenet verdrängte.

Und jetzt kommt facebook.

Sicher, schon immer haben einzelne Websites und Dienste das Web und das Bild, das die Öffentlichkeit vom Internet hat, stark geprägt. Altavista, Yahoo, AOL, Lycos, T-Online und derzeit Google, um nur einige zu nennen.

Derzeit. Noch. Google.

Denn in Googles Welt sind nur die Suche mitsamt den Kartendiensten, der E-Mailservice und das zugekaufte Youtube wirklich erfolgreich – und Youtube wirkt zudem in dieser Welt wie ein Fremdkörper. In allen anderen Bereichen ist es dem Suchriesen nicht gelungen, die Nutzer für sich zu begeistern. So ist es nicht verwunderlich, dass facebook jetzt schon Google überholt hat, was die Zugriffe und – wichtiger noch – die Verweildauer angehen. Und war die Google Suche bislang unverzichtbar, was die Zugreifbarkeit auf die Informationsfülle im Internet angeht, braucht facebook Google dank der eigenen internen Suche nicht.

Doch dürfen wir die Welt der Apps nicht vergessen.

Manche werden jetzt im Zusammenhang mit Google laut „Android, Android, Android“ rufen. Tatsächlich ist aber Android eben nur ein Betriebssystem, auf dem Apps laufen. Zugegeben, das am schnellsten wachsende mobile OS. Aber es ist eben nur eine Plattform für mobile Kommunikation und Apps, die u.a. auch den Zugriff auf facebook ermöglicht. Gleiches gilt auch für iPhone, iPad und Windows Phone. Bei letzterem wurde bei der Entwicklung sogar darauf geachtet, dass facebook damit besonders gut nutzbar ist. Und auf allen drei in Zukunft wichtigen mobilen Plattformen (Android, Windows Phone 7 und Apple) wird es darüberhinaus zigtausende Anwendungen geben, die Informationen aus dem Internet gebündelt zusammenfassen. Die Apps der Zeitschriften und Zeitungen sind ein erster Schritt in diese Richtung.

Damit steht das „Internet“ vor einer Dreiteilung.

ERSTENS wird es das freie Netz mit Google, Wikipedia, GMX, Spiegel online, universitären Seiten und vielen Millionen mehr oder weniger kleinen Projekte wie mein umstellung.info auf lange Sicht hin immer noch geben. Doch wird es für die meisten Nutzer nicht mehr die Bedeutung haben wie derzeit noch.

ZWEITENS wird facebook zum Übernetz. Es wird für die ganz breite Masse der Nutzer die einzige Site sein, die sie nutzen wird. Kommunikation, Nachrichten, Adressbuch, Kalender, Spiele, Shopping, Musik, Information, Video, Dating, Payment… – all das deckt facebook jetzt schon mehr oder weniger ab und wird immer perfekter darin. Die Notwendigkeit, andere Dienste zu nutzen, entfällt ganz weitgehend.

DRITTENS wird es das Netz der Apps geben. Ob auf Android, Windows Phone 7 oder Apple: Spiegel App, Bild App, FAZ App, Maps-App, E-Book Apps, Gaming Apps, Shoppping Apps und als Überapp wieder facebook. Für alles gibt es eine App, um Apple zu zitieren. Und auch hierdurch wird die Notwendigkeit, das freie Netz zu nutzen, immer geringer.

Spannende Zeiten für das Netz. In einer lockeren Artikelserie werde ich diese drei Bereiche näher betrachten.