Meinung: Warum ich den Spruch „Es kotzt mich an, in einem Land zu leben, in dem 70 Jahre nach dem Holocaust, Nazis wieder zur Normalität gehören.“ falsch finde

Momentan twittern sehr viele den Spruch

Es kotzt mich an, in einem Land zu leben, in dem 70 Jahre nach dem Holocaust, Nazis wieder zur Normalität gehören.

Und diesen finde ich einfach falsch.  Nicht weiter aufhalten möchte ich mich mit dem Detail, dass dass der Holocaust 74 Jahre vorbei ist und nicht 70, geschenkt, das verbuche ich mal unter Abrundung.

Natürlich ist dieser Spruch auf die Wahlergebnisse der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg gemünzt. Diese als Nazi-Partei halte ich aber für falsch, auch wenn ich diese – insbesondere angesichts des Höcke Flügels – für sehr problematisch halte, wie ich hier schon verschiedentlich geschrieben habe.

Die AfD ist trotz aller Kritik derzeit keine Partei, die einen Regimewechsel anstrebt. Sie verteidigt programmatisch durchaus das Grundgesetz, vielleicht in einzelnen Punkten in einer anderen Auslegung, die mehr dem Staatsbild vergangener Jahrzehnte entspricht. Und auch wenn es aus dem Umfeld der AfD widerliche rassistische und andere nicht hinzunehmende Äußerungen gibt, ist dies nicht die Linie des offiziellen und ganz überwiegenden Teils der Partei.

Die AfD als Nazi-Partei zu bezeichnen und in Verbindung mit dem Holocaust zu setzen, ist daher mE eine unzulässige Relativierung der einzigartigen Verbrechen, die während der NSDAP-Diktatur durch Deutsche in deutschem Namen begangen wurden.

Und bei sachlicher Betrachtung waren – echte – Nazis in der Bundesrepublik der 1950er und 1960er Jahre viel mehr Normalität, als es heute der Fall ist, man werfe einmal den Blick auf die Biographien einzelner Abgeordneter, Minister, Richter… Hier war die Aufarbeitung und Entnazifizierung längst nicht so konsequent, wie es wünschenswert gewesen wäre.

Dass die AfD zudem – anders als die NSDAP – auch kein in Teilen sozialistisches Wirtschaftsprogramm vertritt, möchte ich nur am Rande erwähnen.

Man kann aus eigener Überzeugung die AfD ablehnen, ja möglicherweise sogar harte Kante gegen sie zeigen und sie ausgrenzen (was ich persönlich für falsch halte, da man die Partei so erst groß macht).  Aber sie als NAZI Partei zu bezeichnen ist falsch und geschichtsvergessen.

Meinung: Hört auf mit den hysterischen Reaktionen auf die #ltwbb19 und #ltwsn19 – dargelegt am Beispiel Miriam Vollmer

Wer auf twitter unterwegs ist und sich nicht in eine für ihn genehme Wohlfühlfilterblase zurückzieht, sollte ein dickes Fell haben. Und da ich eine breit aufgestellte Timeline habe – was ich jedem nur empfehlen kann – bin ich permanent mit  tweets sowohl aus dem linken wie auch dem rechten Lager konfrontiert, die ich inhaltlich nicht teile und die in mir oft den Impuls zum Widerspruch wecken. Im Laufe der Zeit habe ich mir so ein dickes Fell zugelegt und respektiere, akzeptiere oder ignoriere Meinungsäußerungen, die meinen Vorstellungen widersprechen. Nicht nur, dass ich noch nie jemanden geblockt habe, ich habe auch erst sehr selten – drei vier mal – tweets gemeldet; diese übrigens allesamt im Zusammenhang mit sehr explizitem Antisemitismus und Rassismus.

So habe ich den oben abgebildeten tweet von Miriam Vollmer zunächst auch mehr oder weniger achselzuckend zur Kenntnis genommen. Zum Anlass und Thema dieses Beitrags wurde er dann aus zwei Gründen:

Die Hysterisierung der Diskussion

Zunächst, da ich mit erstaunen feststellen musste, dass solche Aussagen kein Einzelfall sind:

Ich selbst sehe die AfD sehr kritisch, insbesondere den völkischen Flügel rund um Höcke halte ich für sehr problematisch und indiskutabel. Und bevor mir etwas unterstellt wird: Wie man hier im Blog schon seit Jahren nachlesen kann, lehne ich rechtsradikales Gedankengut konsequent ab.

Doch für ebenso problematisch halte ich die Dämonisierung der AfD, wie sie durch solche tweets vorangetrieben wird, die m.E. eben keine Nazi-Partei ist. Zudem ist diese Art der Kritik äußerst kontraproduktiv, da sie nicht nur das Gesprächsklima vergiftet, sondern auch der AfD in die Hand spielt – mein alter Artikel über AfD Bashing zur Bundestagswahl 2017 ist auch nach diesen beiden Wahlen leider immer noch aktuell.

Jedenfalls sind selbst aus dem Höcke Flügel der AfD keine ernstzunehmenden öffentlichen Forderungen bekannt, politische Gegner oder Ausländer aufzuknüpfen oder zu vergasen. So vielschichtig die Gründe sind, warum die AfD im Osten so stark ist, so klar ist auch, dass nur ein sehr geringer Prozentsatz – um nicht zu sagen Bodensatz – deren Wähler wirklich nationalsozialistischem Gedankengut nahe steht.

Eine Aussage wie „Jeder dritte Ostdeutschen will uns hängen sehen.“ ist jedenfalls auf Ebenen falsch und provokativ und trägt zu einer Radikalisierung der Diskussion und der Spaltung der Gesellschaft bei, erfüllt möglicherweise durch die Gleichsetzung Ostdeutscher mit Nazis und anderen Verbrechern sogar den Straftatbestand der Volksverhetzung.

Und so ist es erschreckend, dass dies nicht nur eine Einzelmeinung ist, sondern in Abwandlungen häufiger so formuliert wird und viel Zustimmung findet.

Die Angriffe auf Vollmer – und die unkritische Solidarität

Ebenso bedenklich finde ich zunächst auf der anderen Seite allerdings auch die oft rassistischen und persönlichen Angriffe auf Vollmer, die teilweise ihre Vorurteile sogar zu bestätigen scheinen. Dass es einen brauen Bodensatz unter den AfD Wählern gibt, habe ich ja schon festgestellt, und von einzelnen auf Alle zu schließen, ist sicherlich unzulässig.  Zudem könnte man auch überspitzt sagen, dass es so aus dem Wald schallt, wie man hinein ruft und dass man nicht in die Küche gehen sollte, wenn einem der Herd zu heiß ist…

Jedenfalls wehrt sich die Angegriffene mit Meldungen und erhält auf twitter hierbei auch viel Unterstützung, auch durch Aufrufe, ihr zu folgen.

Hier sind wir beim zweiten Punkt für den Anlass meiner Kritik ankommen: Diese Unterstützung ist unkritisch und einseitig, da sie eben verkennt, dass es Vollmer selber war, die mit unsachlichen und pauschal beleidigenden Aussagen zu dieser zu hitzigen Diskussion beigetragen hat.

Ein Plädoyer für mehr Sachlichkeit

So oder so wünsche ich mir im Zusammenhang mit den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg 2019 eine sachliche Diskussion, wieso so viele Wähler ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, von die bislang nicht durch Lösungen aufgefallen ist, sondern lediglich als Protestpartei den Finger in die Wunden gelegt hat, die die anderen Parteien gerissen haben.

Und solange diese Wunden nicht geheilt werden, werden wir auch mit einer AfD leben müssen.

Eine solche unsachliche Diskussion und pauschale Wählerbeschimpfung schafft aber nur neue Wunden.

Dokumentiert: Offener Brief von Brigadegeneral a.D. Dr. Klaus Wittmann an Generalleutnant a.D. Joachim Wundrak

Dr. Klaus Wittmann
Brigadegeneral a.D.

Berlin, 9. August 2019

Offener Brief

an den neuen Hoffnungsträger der AfD, Generalleutnant a.D. Joachim Wundrak

Sehr geehrter Herr General Wundrak,

als einer Ihrer Kameraden aus früheren Bundeswehrzeiten bin ich recht befremdet über Ihr Engagement für die AfD, beschränke mich aber nicht auf das „Kopfschütteln“, das, so der SPIEGEL, „unter Generälen der Bundeswehr herrscht“. Ich gebe Ihnen vielmehr folgendes zum Nachdenken auf den Weg (wobei ich mich, der Ordnung halber sei es gesagt, auf die Presseberichterstattung beziehe):

1. „Repressalien“

Sie waren schon während Ihrer aktiven Dienstzeit AfD-Mitglied, haben dies aber bis zu Ihrem Ausscheiden geheimgehalten als „eher stilles Mitglied“– aus Sorge vor Repressalien, wie berichtet wird. Da frage ich, der ich als aktiver und pensionierter Offizier und General immer, auch öffentlich und in Publikationen, meine Überzeugungen und Einsichten vertreten habe, mich und auch Sie, vor welchen „Repressalien“ ein Dreisternegeneral denn Angst haben muss. Da kann es doch eigentlich nur die Befürchtung gegeben haben, den Großen Zapfenstreich an der Seite der Ministerin in Gefahr zu bringen. Den Großen Zapfenstreich, die Ehrung unseres Staates auch für ausscheidende hohe Generale – des Staates, dessen Bundeskanzlerin Sie gleich danach als „antideutsch“ verunglimpft haben. Das finde ich (wohl gemeinsam mit vielen anderen Soldaten) ebenso wie Ihre „Sorge vor Repressalien“ unwürdig.

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Meinung: Und noch mehr zur Entzauberung der SPD

Gerade heute schrieb ich darüber, dass die SPD mit ihrer Fixierung auf den Kampf gegen Rechts ihre eigene Marginalisierung betreibt, da setzt Caroline Mohr, Leiterin Newsroom im Willy-Brandt-Haus, noch einen drauf…

haben Sie ganz herzlichen Dank für die Einladung!

Eine hervorragende Veranstaltung, ein wichtiges Thema und eine Menge hochdekorierter Speakerlnnen, in deren  glänzender Reihe ich mich zu gerne einfinden würde. Ich fühle mich geehrt.

Allerdings möchte ich auf keinen Fall gemeinsam mit einem Pressesprecher der AfD in einer Diskussion zu diesem  Thema sitzen.

Die AfD zweifelt den Wert der Pressefreiheit an, sie schließt Journalistlnnen von Pressekonferenzen aus, sie schüchtert Vertreterlnnen der Presse ein, sie spricht von „Staatsfunk“ und „Lügenpresse“, sie will „eigene Nachrichten“ machen, sie versucht bewusst, an der Presse vorbei zu kommunizieren, sie schafft unter ihren eigenen Anhängern ein Klima, in dem Journalistlnnen angegriffen und verletzt werden, die AfD lügt, sie hetzt und droht. Diese Partei greift unsere freiheitlichen demokratischen Grundwerte an. Wir sollten ihnen keinen Zentimeter Raum geben. Ich glaube nicht, dass man Vertreterlnnen dieser Partei „entzaubern“ kann. Egal, wie kritisch man fragt, egal, wieviel Punkte man macht, ihre Anhänger werden solche Auftritte für sich zu nutzen wissen. Ihnen überhaupt die Möglichkeit einzuräumen, ihre kruden Thesen über Journalismus „zu diskutieren“ erweckt den Eindruck, als gäbe es mit dieser Partei darüber etwas zu diskutieren. Das sehe ich nicht so. Und ich sehe nicht ein, warum man so tut, als sei es irgendwie diskursfördernd, diese Leute auf ein Panel zu setzen.

Gerne stehe ich Ihnen für ein anders Panel, einen Impulsvortrag oder einen Workshop zur Verfügung, aber neben die AfD setze ich mich nicht.

Herzliche Grüße aus dem Willy-Brandt-Haus

Carline Mohr

 

Meinung: Die SPD hat nicht verstanden

Darüber dass die SPD im Sommer 2019 in der Krise ist, muss man keinem erklären. Ich habe das Gefühl, dass die Partei ihre eigentliche Kernklientel vergessen hat und deren Probleme nicht mehr sieht, dazu habe ich auch hier schon mal geschrieben.

Zwei Dinge zeigen nun, dass das Personal der SPD wirklich nicht verstanden hat, warum sie nicht mehr gewählt wird.

Zunächst möchte ich hier Elfriede Handrick nennen, die mit ihrem Spruch

ich finde es auch nicht richtig, dass man die immer die Sorgen und Nöte der Bevölkerung Ernst nehmen Muss. Was haben die denn für Sorgen und Nöte?

und eine kühnen Bogen zu „Heil Hitler“ für einiges Aufsehen in den sozialen Netzen gesorgt hat, hier das Video dazu. Zum anderen Sawsan Chebli, die ausweislich des obigen tweets den Kampf gegen Rechts stärken will.

Das Problem ist aber: die meisten, die momentan rechts – AfD – wählen, tun dies aus Protest, da sich eben von der SPD im Stich gelassen fühlen und durch dieses Abstimmungverhalten auf ihre Sorgen und Nöte Aufmerksam machen wollen.

Wenn die SPD nun die Lösung darin sieht, den „Kampf gegen Rechts“ zu stärken, statt eben die wirklichen Sorgen und Nöte der Wähler anzugehen, so sorgt sie anders als gewollt gerade für eine Stärkung der AfD.

Es hat noch nie geholfen, nur die Symptome und nicht die Ursache zu bekämpfen.

 

Meinung: Warum der Osten AfD wählt

Laut einer aktuelle Umfrage wäre die AfD im Osten die stärkste Partei, würden jetzt Bundestagswahlen stattfinden. Und auch bei den kommenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen wird die Partei nicht so schlecht abschneiden.

Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig, doch eine Rolle dabei spielen, dass

  • sich Parteibindungen in den neuen Bundesländern noch nicht so gebildet haben, wie in den alten – die Wähler sind wechselbereiter (was sich zugegeben aber auch gerade im Westen ändert).
  • die Wähler im Osten von den etablierten Parteien enttäuscht sind – während man dies im Westen irgendwie schon gewohnt ist, ist dies im Osten auch fast 30 Jahre nach der friedlichen Revolution, die sehr hohe und langfristige Erfahrungen mit sich brachte, eine Enttäuschung.
  • sich die Menschen im Osten oftmals noch als Bürger zweiter Klasse fühlen, was die AfD vor Ort geschickt aufgreift: „Der Osten steht auf!“, „Werde Bürgerrechtler!“, „Die Wende vollenden!“ so u.ä. lauten die Slogans der AfD. Sie positioniert sich damit in der Nachfolge der ehemaligen SED/PDS/Die Linke als neue ostdeutsche Regionalpartei.

Die pauschale Ablehnung, die der AfD in weiten Teilen der Politik und der Medien entgegenschlägt, verstärkt dabei die Zustimmung für die Partei noch, wie ich schon mehrfach kritisch angemerkt habe. Schlimmer noch – diese Ablehnung befördert die weitere Radikalisierung der Partei und ihrer Wähler und Sympathisanten rund um den völkisch nationalen Höcke-Flügel.

Will man die AfD wirklich bekämpfen, dann muss man sie und den Osten ernst nehmen und nicht von oben herab behandeln.

Meinung: Maaßen, die AfD und die Lust an der Empörung

„Maaßen schließt Koalition zwischen CDU und AfD nicht aus“

so und ähnliche titeln derzeit viele Medien – und direkt bricht die reflexhafte Empörung auf twitter und Co aus. Manche Parteifreunde – wie z.B. Tobias Bringmann – fordern gar, Hans-Georg Maaßen solle die CDU verlassen.

Doch was hat Maaßen eigentlich wirklich gesagt?

Auf die Interview-Frage, ob er sich eine Koalition der CDU mit der AfD vorstellen könne, antwortete er:

Also ich glaube, in der jetzigen Situation werden wir es auch ausschließen, dass es zu einer derartigen Koalition kommt, aber man weiß nie.

Auch im weiteren entsteht nicht der Eindruck, dass Maaßen sich solch eine Konstellation wünscht.

Mit seiner Meinung, nichts auszuschließen, hat er im übrigen Recht. Schauen wir z.B. auf die frühen Grünen – bei diesen gab es neben den reinen Umweltschützern einen radikal linken Flügel, der u.a. für die Legalisierung des Sexualverkehrs mit Kindern eintrat und andererseits auch rechte Strömungen, die völkisch geprägt waren. Und es gab durchaus auch befremdliche Mischungen: Als die Grünen 1983 erstmals in den Bundestag einzogen, wäre eigentlich einer ihrer Abgeordneten Bundestagsabgeordneter geworden. Doch der über die nordrhein-westfälischen Landesliste gewählte Werner Vogel trat sein Mandat wegen Pädophilievorwürfen und früherer Mitgliedschaften in NSDAP und SA nicht an…

Um es kurz zu machen: Die Grünen der frühen 1980er Jahre wären für die CDU nie als Koalitionspartner in Frage gekommen. Doch Parteien und die Umstände ändern sich. Grüne und CDU stehen sich heute nicht mehr so fern und bilden Koalitionen.

Und daher hat Hans-Georg Maaßen durchaus Recht, für die Zukunft nichts auszuschließen.

Für die verkürzende und geschichtsvergessene Empörung so vieler habe ich daher keinerlei Verständnis. Gerade auch deswegen, da sie der AfD letztlich nur nutzt.

Meinung: Was macht eigentlich die FDP gerade?

Die politische Landschaft im Frühjahr 2019 ist im Umbruch: die SPD weit davon entfernt, Volkspartei zu sein, die CDU im Abwärtstaumel, die AfD hat sich vorerst zweistellig etabliert und könnte im Osten stärkste Kraft werden, die Grünen in Umfragen stärkste Partei, mehr und mehr Kleinparteien, die sogar wahrgenommen werden.

Nur von einer Partei hört man zu wenig substanzielles – der FDP. In Umfragen pendelt sie um die 8% und bleibt dabei unter ihrem Ergebnis der Bundestagswahl 2017, bei der sie 10,7% erreichte.

Aus meiner Sicht dürften hierfür zwei Gründe verantwortlich sein.

  • Zum einen tatsächlich die Unzufriedenheit mit der GroKo. Von dieser kann die FDP – anders als die Grünen – nicht profitieren, da sie von großen Teilen der Wählerschaft für das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen und damit für das erneute Zustandekommen der ungeliebten Großen Koalition verantwortlich gemacht wird. Auch wenn ich den Abbruch der Verhandlungen für grundsätzlich richtig halte – dass die FDP vorgeprescht ist und damit in der öffentlichen Wahrnehmung Jamaika den Todesstoß versetzt hat, dürfte ein historischer Fehler gewesen sein.
  • Weiter gibt es seitens der FDP keine wirklich in die Zukunft gerichteten Ideen; jedenfalls sind diese nicht als solche erkennbar. Alles wirkt seltsam rückwärts gewandt. Ein tweet trifft es ganz gut: „Herr @c_lindner, was bedeutet ‚Freiheit‘ denn für Sie persönlich?“- „#Spargel, #Schnitzel, mit 200 Sachen Porsche fahren!“ Dass -wie angesichts dieser Wahrnehmung ersichtlich – das intellektuelle Niveau, auf dem die FDP die aktuellen Debatten führt, dazu enttäuschend niedrig ist, kommt erschwerend hinzu.

Natürlich, es gibt auch viele Köpfe innerhalb der FDP, die engagiert sind, wertvolle Debattenbeiträge liefern  und nach vorne denken.

Diese müssen in der Partei wieder sichtbar werden. Dann klappt es auch wieder mit den Wählern.

Mein twitter-Account oder die Frage „bin ich ein Nazi“?

Hau ab, Du Nazi

In den letzten Monaten bin ich auf twitter ziemlich aktiv und vertrete dort – übrigens unter meinem Klarnamen – ziemlich offensiv meine Meinung. Das führt natürlich teilweise zu Kontroversen bis hin zu dem Vorwurf, ich wäre ein Nazi. So weigert sich z.B. eine einzelne twitter-Userin sogar, an einer Blogparade teilzunehmen, nur da ich erklärt habe, auch einen Beitrag beizusteuern. Andere blocken mich deswegen gleich.

Und auch mir ansonsten wohlgesonnene User meinen, ich sei a) zu offen hinsichtlich der Rechten, insbesondere der AfD und b) zu kritisch hinsichtlich des Islam im Allgemeinen. Zu meiner Einstellung zu beiden Themen möchte ich hier kurz Stellung nehmen.

Mit Rechten reden

Mich in eine politische Schublade zu stecken, dürfte schwer fallen. Wollte man mich ins klassische politische Koordinatensystem einordnen, dürfte ich im Durschnitt in der liberalen Mitte fallen. In manchen Bereichen – Umweltpolitik – vertrete ich allerdings sehr grüne/linke Positionen, halte allerdings FridaysForFuture oder anderen Aktionismus wie das Ausrufen des Klimanotstands durch deutsche Gemeinden für falsch. In anderen Bereichen, z.B. der Migrationspolitik, stehe ich sicher auf den ersten sehr oberflächlich Blick im rechten Lager, lehne aber völkisches Denken und  Rassismus entschieden ab. Die NPD Entscheidung des BVerfG halte ich für falsch, die Partei hätte verboten werden sollen. Und überhaupt werden sie kaum jemanden finden, der die Erinnerung an den Holocaust so hoch hält oder jüdisches Leben im heutigen Deutschland so sehr verteidigt, wie ich das tue. Gesellschaftspolitisch – Stichwort z.B. LGBT Rechte – bin ich gleichfalls sehr progressiv, muss mich aber überwinden, Texte mit Gendersternchen oder Binnen-I zu lesen.  An dieser Stelle soll das einmal genügen, für eine grobe Einordung reicht es und ich werde sicher noch ausführlicher zu meiner politischen Ausrichtung schreiben.

Was mir aber ganz wichtig ist: alle politischen Lager müssen sich – soweit sie auf dem Boden des Grundgesetzes stehen – gegenseitig respektieren und sich zuhören. Jeder muss die Möglichkeit haben, seine Meinung offen zu vertreten, ohne angefeindet zu werden. Um es mit Willy Brandt zu sagen: „Wir können in einer Demokratie nicht alle einer Meinung sein.“

Gerade auf twitter stelle ich aber fest, dass gerade vermeintlich rechte Positionen direkt reflexhaft angegriffen werden. Das halte ich aus zwei Gründen für einen Fehler: Zum einen eben, da man auch andere Meinung akzeptieren sollte, zum anderen da diese pauschale reflexhafte Ablehnung das radikalere rechte Lager in seiner Ablehnung des Bürgerlichen bestärkt. Darüber, dass ich pauschales AfD Bashing für kontraproduktiv halte, habe ich ja schon ausführlicher geschrieben.

Wenn mir nun vorgeworfen wird, ich würde auf twitter mehr für die Meinungsfreiheit der AfD und anderer Rechter eintreten als für die der Linken, so mag das richtig sein. Allerdings nicht aus dem Grund, dass mir diese Positionen mehr liegen, sondern allein aus dem Grund, dass „linke“ tweets derzeit viel eher Zuspruch oder zumindest Verteidigung aus dem liberalen und bürgerlichen Lager erhalten, als solche von rechter Seite.

Platt könnte man sagen: einer muss den Job ja machen, auch für die Meinungsfreiheit der Rechten einzutreten. Das heißt im Zweifel nicht, dass ich diesen Meinungen auch zustimme.

Und wie hältst Du’s mit dem Islam?

Ähnlich verhält es sich beim Thema Islam, mit dem ich mich ausführlich auseinandergesetzt habe, siehe z.B. meinen Blogbeitrag zum Thema „Islam und Deutschland„.

Grundsätzlich finde ich, dass Religion Privatsache sein sollte. Und daher bin ich zu der Verkäuferin mit Kopftuch genau so freundlich wie zu jeder anderen, esse gerne Döner beim Kurden meines Vertrauens und kaufe Kräuter beim pakistanischen Händler.

Allerdings halte ich tatsächlich den Islam, wie er sich gerade weltweit ausbreitet, auch potentiell für die größte Gefahr auf diesem Planeten, mindestens gleichrangig mit dem Klimawandel. Im wesentlichen mache ich das an seiner Bildungsfeindlichkeit fest.

Und was den wachsenden islamischen Bevölkerungsanteil in Deutschland angeht, sorgen mich insbesondere das damit oft einhergehende archaische Frauenbild, der importierte Antisemitismus, seine Illiberalität, sein Alleinvertretungsanspruch und die zunehmende Eroberung des öffentlichen Raums durch diese Positionen.

Große Teile des Linken Spektrums nimmt den Islam aber gegen jegliche – auch sachliche – Kritik in Schutz und die meisten aus dem liberalen und bürgerlichen Lager vermeiden offene Worte aus der Angst heraus, in eine rechte Ecke gestellt zu werden. Und so hört man kritisches über diese Religion tatsächlich überwiegend aus eben dieser Ecke, leider im Regelfall auf einem intellektuell erschreckend niedrigem Level und vermischt mit Rassismus.

Hier versuche ich, mit sachlichen kritischen Anmerkungen einen Gegenpol zu beiden Lagern – Verherrlichung und völlige Ablehnung – zu bilden.

So soll es sein, so soll es bleiben

Mir ist klar, dass ich mit meinen Standpunkten sicher polarisiere. Und ich hätte sicher mehr Follower, würde ich hier weichgespülte Positionen vertreten und mich nicht äußern.

Mir geht es aber um die Sache und ich werde weiter frei meine Meinung schreiben, anderen Meinungen zuhören, versuchen sachlich zu argumentieren, mir eine bunte Followerschaft erhalten, mich nicht in Filterblasen bewegen und niemanden blocken.

Und so sollte es jeder halten, ganz gleich, welchem politischen Lager er sich zugehörig fühlt.

In diesem Sinne: Follow me.

Meinung: Das Versagen der Methode Merkel – oder: Deutschland, das nächste Shithole Country

Es geht abwärts

Seit rund 20 Jahren fahre ich ziemlich viel mit der Bahn zwischen Köln und Bonn. Viele Artikel hier im Blog sind auf diesen Zugfahrten entstanden. Und es werden eher mehr denn weniger werden, da ich immer mehr Zeit zum Schreiben habe. Denn die Zeiten, die ich im Zug verbringe, werden immer länger: Stellwerkstörungen, Verspätungen aus vorausfahrender Fahrt, Überholung durch einen verspäteten Zug des Fernverkehrs, Verzögerungen wegen Bauarbeiten, Defekt am Zug, Notfalleinsatz am Gleis, Vandalismus, polizeiliche Ermittlungen… es häuft sich. Das obige Bild ist symptomatisch für einen Freitagnachmittag, an dem der Berufsverkehr eigentlich schon vorbei ist. Wer mit der Bahn fährt, erlebt exemplarisch den Niedergang der gesamten Infrastruktur in Reinkultur.

Wenn ich während der Bahnfahrt wenigstens durchgehend Internet hätte. Doch auch das ist in Deutschland im Jahr 2018 Wunschdenken. Seit Jahren bemängele ich die massiven Funklöcher entlang einer kurzen dicht besiedeltem Bahnstrecke zwischen zwei Großstädten. Getan hat sich seitdem nichts. Sogar unser Wirtschaftsminister schämt sich angesichts der vielen Gesprächsabbrüche auf Autobahnen für unsere Mobilfunknetze.

Von Großprojekten wie dem Berliner Flughafen oder Stuttgart 21 will ich erst gar nicht sprechen. „Erfolgreiches Großprojekt in Deutschland” ist inzwischen eine contradictio in adiecto.

Die Automobilindustrie – Tragpfeiler unserer Wirtschaft – sucht ihr Heil im Dieselbetrug statt in echter Innovation. Und dass mit der deutschen Wirtschaft etwas nicht stimmt, sieht man schon daran, dass alle DAX30 Unternehmen zusammen an der Börse derzeit nur soviel wert sind, wie Microsoft.

Die Strompreise sind dank einer völlig verfehlten EE Förderungspolitik mit die höchsten in Europa und trotzdem haben wir hierzulande z.B. keine nennenswerte Solartechnik mehr.

Und wird es beim Abi einmal anspruchsvoll, starten die Schüler gleich eine online Petition, damit nicht so hart bewertet wird. Von den Zuständen an anderen Schulen ganz zu schweigen.

Die Liste unserer bestehenden und kommenden Probleme ließe sich fortsetzen, an dieser Stelle will ich es einmal belassen.

Deutschland steht vor dem Niedergang. Und wenn wir nicht dagegen steuern, sind wir in wenigen Generationen ein Shithole Country.

Die drei Entscheidungen der Angela Merkel – und viel Nichtstun

„Moooment“, werden jetzt viele z.B. von der „Union der Mitte“ in der CDU und andere Merkel-Fans sagen, „ging und geht es uns unter Merkel nicht so gut, wie noch nie in der jüngeren deutschen Geschichte?“ Ja, das mag richtig sein. Aber es geht uns (vermeintlich und noch) nicht wegen Angela Merkel, sondern trotz Angela Merkel gut.

Bedanken können wir uns dafür vielmehr bei Gerhard Schröder, von dessen Entscheidungen und Weichenstellungen – Stichwort Agenda 2010 – Merkel und ihre Große Koalition profitiert haben.

Ich wage zu behaupten, dass die Geschichtsschreibung drei Bereiche von Merkels Politik besonders herausheben wird:

  • Der Atomausstieg nach Fukushima.
  • Die Euro-Rettungspolitik.
  • Die Flüchtlingspolitik.

Alle diese Entscheidungen hat sie aus dem Bauch heraus getroffen, ohne echten Plan. Nur den Stimmungen des Moments, einem gewissen Populismus und in erster Linie dem reinen Machterhalt geschuldet. Es dürfte niemanden verwundern, dass ich diese drei wesentlichen Entscheidungen sehr kritisch sehe.

Der Atomausstieg macht es Deutschland nicht nur schwerer, die Klimaziele zu erreichen, sondern hat die deutsche Industrie auch einer Schlüsseltechnologie beraubt. Die Euro Rettungspolitik – auch wenn es um sie gerade etwas ruhiger ist – mag kurzfristig erfolgreich gewesen sein, hat aber große Risiken für die Zukunft (u.a. Target II Salden) aufgebaut und die unkontrollierte Migrationspolitik wird die Sozialsysteme nicht stärken, sondern zerstören.

Ebenso schwer wiegt, was Merkel eben nicht getan hat.

Sie und ihre Minister haben es nämlich versäumt, Schröders Reformen – insbesondere im Sozialbereich – weiterzudenken, offensichtliche Fehler – wie z.B. das EE Gesetz – zu korrigieren und neue eigene Akzente für Deutschlands Zukunft zu setzen: Zum Beispiel eine in die Zukunft gerichtete umfassende Steuerreform oder die Vorbereitung der Politik auf technologische Herausforderungen wie KI und Blockchain.

Sowohl eine Agenda 2020 und 2030 – Fehlanzeige. Beides hätte Deutschland aber dringend gebraucht.

Die Methode Merkel färbt ab

Die „Methode Merkel“, also das Vermeiden von Entscheidungen, hat sich zusehends – mehr oder weniger unbemerkt und unbewusst – auf die gesamte Politik und Gesellschaft ausgewirkt. Ebenso ihr bis zur Prinzipienlosigkeit reichender Machtwille, der nicht nur in ihren wenigen und  wenn sprunghaften Entscheidungen sondern gerade auch in der Neuauflage der GroKo deutlich wurde.

Viel größeren Einfluss hat aber ihre grundsätzliche Verweigerung jeglicher Diskussion ihre Politik und deren Folgen. Dieser Mangel an Diskussionsbereitschaft hat die gesamte politische Kultur vergiftet, den Erfolg der AfD erst möglich gemacht und die politischen Ränder gestärkt und radikalisiert. In der Mitte der Gesellschaft herrscht dagegen herrscht aus Angst, politisch inkorrekt zu sein, intellektueller Stillstand.

In den Merkel-Jahren wurden nicht nur fatale Fehlentscheidungen getroffen, sondern es wurde auch wertvolle Jahre versäumt, unsere Gesellschaft und Wirtschaft auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. An den Folgen werden Deutschland und Europa noch lange zu leiden haben.

Um so wichtiger ist, dass wir uns und unser Denken so schnell wie möglich von der Methode Merkel lösen und Deutschland und Europa fit für die Zukunft machen.