Nein, Hitler war kein Freund der Raserei auf Autobahnen

Immer wieder – so auch gerade 2023 wieder – wird diskutiert, ob in Deutschland nicht auch ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen eingeführt werden sollte. Wieder: Denn eine Kuriosität ist, dass die heutigen Befürworter des Tempolimits Adolf Hitler auf ihrer Seite haben. Doppelt kurios wird dies dadurch, dass gerade die Befürworter des Tempolimits argumentieren, dass Hitler ja ein Befürworter der Raserei war. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Hitler, der übrigens keinen Führerscheint hatte, war übrigens nicht der Erfinder der Autobahn, wie immer wieder gerne behauptet wird. Die Idee der Autobahn hat ihren Ursprung in der Weimarer Republik und so wurde die erste Autobahn, die heutige A 555 zwischen Köln und Bonn, 1932 von Kölns damaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer eröffnet.

Die Nazis erkannten aber, dass ein Autobahnnetz in mehrfacher Hinsicht sinnvoll wäre und kündigten im Juni 1933 ein ehrgeiziges Programm zum Bau von fast 4.000 Kilometern vierspuriger Autobahnen innerhalb von fünf Jahren an. Tatsächlich kannte die Straßenverkehrsordnung von 1934 keine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung, selbst in geschlossenen Ortschaften nicht. Tempobegrenzungen konnten lediglich gesondert angeordnet werden, um „die Benutzung von Straßen aus Gründen der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs“ zu beschränken.

Deutschland entwickelte sich in der Folge zum gefährlichsten Straßenpflaster Europas, gerade auch auf den Autobahnen. Hitler, der wahrscheinlich um potentielle Soldaten bangte, war dies ein besonderer Dorn im Auge und er hielt Raserei für unverantwortlich und für unvereinbar mit nationalsozialistischen Werten.

Von einem allgemeinen Tempolimit wurde noch abgelassen, doch wurde 1937 nicht nur die Verfolgung von Fahrern ermöglicht, die Unfälle verursachten, sondern auch von solchen, die sich nur rücksichtslos verhielten, also rasten. Einen wirksamen Effekt hinsichtlich der Unfallzahlen gab es diesbezüglich aber kaum.

Und so trat am 7. Mai 1939 trat eine weitere Gesetzesänderung in Kraft, die die maximale Geschwindigkeit für Fahrer sowohl innerhalb als auch außerhalb bebauter Gebiete regulierte. Innerhalb dieser Gebiete war die Geschwindigkeitsgrenze für Autos und Motorräder (mit oder ohne Seitenwagen) auf 60 km/h festgesetzt, während Lastwagen und andere Fahrzeuge eine Geschwindigkeitsgrenze von 40 km/h einhalten mussten. Außerhalb bebauter Gebiete und auf Autobahnen lag die Höchstgeschwindigkeit für Autos und Motorräder bei 100 km/h und für Lastwagen, Busse und andere Fahrzeuge bei 70 km/h.

Allerdings wurde diese Gesetzesänderung bereits im Oktober desselben Jahres modifiziert, wobei die Höchstgeschwindigkeiten in einigen Fällen reduziert wurden. Die neue Regelung besagte, dass innerhalb bebauter Gebiete eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h galt. Außerhalb dieser Gebiete durften Autos und Motorräder bis zu 80 km/h und Lastwagen und Busse bis zu 60 km/h fahren.

Die Nazis führten also Tempo 80 auf der Autobahn ein.

Erst ab 1953 durfte in der Bundesrepublik wieder gerast werden: Am 23. Januar des Jahres entfielen sämtliche Geschwindigkeitsbeschränkungen für PKW weg, es durfte grundsätzlich in geschlossenen Ortschaften wie auch außerhalb so schnell gefahren werden, wie man konnte und wollte. Trotzdem behielten viele Städte und Gemeinden durch ihre eigenen Regelungen und Beschilderungen alte Geschwindigkeitsbegrenzungen bei oder legten neue fest. So galten zum Beispiel in Hannover, Frankfurt, Kassel und Koblenz weiterhin 40 km/h, während in Bremerhaven 50 km/h und in der Innenstadt von München 25 km/h erlaubt waren.

Vereinheitlicht wurde das erst 1957: In der Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 25. Juli wurde festgelegt, dass die höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit „innerhalb geschlossener Ortschaften 50 Kilometer je Stunde für Kraftfahrzeuge aller Art“ zu betragen habe, für normale PKW ohne Anhänger blieb es auf den Autobahnen aber bei: Schnell fahren erlaubt.

Aus dem Spiegel

Immer wieder gerne wird ein Ausschnitt aus dem Spiegel – meist ohne Quellenangabe – als Bild geteilt, den ich hier zitieren möchte. Den ganzen Artikel gibt es auch auch hier:

Vom Autofahren als »Quell freudigen Glücks« sprach Hitler, der Mann, den die Unbelehrbaren unter den Deutschen noch immer als den Erbauer — mittlerweile überfüllter –Autobahnen feiern. Aber er wetterte auch gegen die »Wahnsinnsraserei“: Die Reichsautobahnen seien nicht, »wie viele zu denken glauben«, für 120 oder 140 Kilometer »Spitzenschnelligkeit« gebaut, »sondern für — sagen wir — 80 Kilometer Durchschnitt«.

Und weiter: »Auch vom Standpunkt unserer nationalen Rohstoffwirtschaft« sei es »sinnlos, mit einem Tempo zu fahren, das zum doppelten. ja drei- und vierfachen Reifenkonsum führt und selbstverständlich auch den Brennstoff nur ungenügend ausnutzen läßt‘.

Die markigen Worte, die nun so aktuell klingen, sprach Hitler im Februar 1939 hei der Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung in Berlin. Da war es nur folgerichtig, daß noch im gleichen Jahr die Reichsregierung für die Deutschen ein Tempolimit 100 verfügte, aus »wehrwirtschaftlichen« Gründen.

Quelle: Neue Glaubenskrise ums Tempo-Limit – Wird die letzte freie Rennstrecke der Welt geschlossen? 24.06.1979, aus DER SPIEGEL 26/1979

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